Schuldnerberater begründen die wachsende Zahl der persönlichen Pleiten mit der gestiegenen Arbeitslosigkeit wegen der Wirtschaftskrise.

Stade/Buxtehude. Die Zahl der Menschen aus dem Landkreis Stade, die im vergangenen Jahr Pleite gegangen sind, ist deutlich gestiegen. Nach einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Bürgel meldeten im dritten Quartal 2008 noch 69 Menschen aus der Region Privatinsolvenz an. Im selben Quartal 2009 hingegen konnten 83 Menschen ihre Rechnungen nicht mehr zahlen. Das entspricht einem Anstieg um rund 20 Prozent.

Die Hamburger Wirtschaftsauskunftei begründet die Entwicklung damit, dass es wesentlich schwieriger geworden sei, von Banken neue Kredite zu bekommen. Die Finanzdienstleister verlangten nach der Wirtschafts- und Finanzkrise mehr Sicherheiten, bevor sie Kredite vergeben, sagt Oliver Ollrogge von der Wirtschaftsauskunftei, der die Studie verfasst hat. "Hinzu kommt, dass die Privatinsolvenzen eng mit der Arbeitslosigkeit zusammenhängen, die im Norden generell höher ist."

Das bestätigt auch die Statistik der Arbeitsagentur Stade. Im November 2009 waren 7013 Menschen im Landkreis Stade ohne Job. Ein Jahr zuvor standen im gleichen Monat lediglich 6870 Menschen ohne Arbeit da. Auch die Kurzarbeit ist sprunghaft angestiegen. Im September 2008 hatten 17 Betriebe im Agenturbezirk Stade (dazu zählen die Landkreise Rotenburg, Cuxhaven und Stade) Kurzarbeit angemeldet. Ein Jahr später, im September 2009, waren es schon 138 Firmen.

Nach wie vor treiben aber auch Trennung, Scheidung oder Tod des Partners, Krankheit und Unfälle die Menschen in die Schuldenfalle. Gepaart mit einer Erwerbslosigkeit, bleibe den Schuldnern oft nichts anderes übrig, als Verbraucherinsolvenz anzumelden, so Ollrogge von der Wirtschaftsauskunftei Bürgel.

Ollrogge prognostiziert, dass die Zahl der Pleiten auch in diesem Jahr nicht abnehmen wird. Die Wirtschafts- und Finanzkrise fordere ihren Tribut. Ähnlich sieht es die Schuldnerberaterin Ingrid Scherzer-Hartz aus Apensen. Es liege eindeutig an der hohen Arbeitslosigkeit und der gestiegenen Kurzarbeit, dass die Menschen in finanzielle Schieflagen gerieten: "Wenn man ein Haus gekauft hat, kann man die Kreditraten nun oft nicht mehr bezahlen."

Auch bei Christoph Feige, Schuldnerberater im Diakonieverband der evangelisch-lutherischen Kirchenkreise Stade und Buxtehude, klingelten in den vergangenen Monaten mehr Leute an der Tür, weil sie sich hoffnungslos verschuldet haben.

Gläubiger nahmen im vergangenen Jahr auch keine Rücksicht mehr auf das Weihnachtsfest. Kurz vor Heiligabend sei einem Schuldner das Konto gepfändet worden, erzählt Uwe Dedert, Leiter der ADN Schuldner- und Insolvenzberatung Stade: "Da war für Weihnachten nichts mehr da, nicht mal was zu essen."

Wer in die Schuldenfalle abrutscht, muss nicht zwangsläufig zum Gericht gehen und dort seine Pleite anmelden. Zunächst könne der Schuldner noch versuchen, sich außergerichtlich mit seinen Gläubiger zu einigen, erklärt die Schuldnerberaterin Scherzer-Hartz.

In einem ersten Schritt sollte der Schuldner alle Gläubiger über seine Zahlungsunfähigkeit unterrichten und signalisieren, welchen Betrag er von seinen Verpflichtungen in den kommenden sechs Jahren zahlen könnte. Erklären sich alle Gläubiger damit einverstanden, weniger Geld zu erhalten, werden die Restschulden nach sechs Jahren erlassen.

Das Problem aber sei, dass die außergerichtliche Einigung meistens missglücke, sagt Scherzer-Hartz. Einer der Gläubiger gebe sich meist nicht mit weniger Geld zufrieden. Dann bleibt den Verschuldeten nur noch der Gang zum Gericht. Nach dem Antrag auf Verbraucherinsolvenz wacht ein Treuhändler über das Geld und verteilt es an die Gläubiger. Die Pfändungsgrenze liegt bei 998 Euro.

Sechs Jahre lang müssen sich die Menschen vorbildlich verhalten - keine neuen Schulden machen, sich um Arbeit bemühen und selbstverständlich auch nicht straffällig werden. Nur dann werden sie von den Restschulden befreit. Der Treuhändler steht dem Schuldner stets zur Seite. Scherzer-Hartz: "Er ist wie ein Aufpasser im positiven Sinne."