Suchtberater Gerhard Lange: “Das Fest ist emotionaler Stress. Ich war früher an Weihnachten selbst regelmäßig besoffen.“

Stade. Weihnachten, das Fest der Liebe und der Freude? Für viele, vor allem einsame Menschen gilt dieses Klischee nicht. Erinnerungen an bessere Zeiten, die Trauer über den Verlust von Beziehungen und Familie und als Kontrast das von der Werbung vermittelte Bild einer heilen Welt unter dem Weihnachtsbaum bedrücken die Betroffenen. Gerade "trockenen" Alkoholikern drohen schwere Tage. Ihnen hilft der Stader Verein für Sozialmedizin (VSM).

Das Elend mit dem "frohen Fest" hat zumeist eine Vorgeschichte, wie Uwe Merckens, Rolf Mestmacher und Gerhard Lange vom VSM berichten. Besonders Familienväter spürten den Druck der weihnachtlichen Rituale. Das beginnt beim Streit um den richtigen Schmuck für die Tanne und gipfelt oft im Verwandtenbesuch mit der Forderung: "Aber wenigstens heute trinkst Du mal nichts." - oder: "Denk doch an die Kinder." Nicht selten wird dann doch getrunken, und zwar heimlich.

Suchtberater Gerhard Lange (63) erinnert sich an seine eigene Vergangenheit: "Weihnachten, das ist emotionaler Stress. Ich war früher Weihnachten regelmäßig besoffen, ohne ging das nie." Und für seine Tochter sei es "die größte Strafe" gewesen, dass sie zu Weihnachten keine Freunde mit nach Hause bringen durfte, damit keiner sah, dass "der Alte besoffen ist". Heute geht es für ihn "ohne", und er möchte anderen Kranken Hoffnung machen und helfen. Doch Weihnachten ohne Alkohol zu bleiben, ist für trockene Alkoholiker häufig eine große Herausforderung.

"Wer einsam ist, fällt Weihnachten in ein Loch", sagt Rolf Mestmacher (65), der in Stade eine Selbsthilfegruppe des VSM leitet. Sozialtherapeut Uwe Merckens (57) weiß: "Jeder, der allein ist, meidet Weihnachten, weil es ein Familienfest ist." Und wenn die Familie kaputtgegangen ist, dann gebe es immer noch Erinnerungen und Sehnsüchte, dann "sind die Menschen einfach traurig, da fehlt dann ein Stück". Viele wollen sich allerdings nicht helfen lassen, hat er festgestellt. "Ich kenne Leute, die wochenlang, zum Teil monatelang nicht aus ihrer Wohnung gehen, und wenn dann nur im Dunkeln."

"Nicht fernsehen, lieber Menschen einladen, mit denen man reden kann", rät Gerhard Lange für die Festtage. Die vielen Familienfilme im Feiertagsprogramm der Sender "muntern nicht unbedingt auf", warnt Rolf Mestmacher: "Da kommen die Tränen." Spazierengehen empfiehlt Uwe Merckens, "aber nicht in Richtung Kneipe". Das Stader Elbe-Klinikum biete präventive Hilfe, und die Telefonseelsorge könne auch jeder anrufen.

Wer Weihnachten nicht ins tiefe Loch fallen will, kann auch die Hilfsangebote des Vereins für Sozialmedizin wahrnehmen. Der Verein mit Sitz in Stade leistet Alkoholabhängigen auf verschiedene Weise Hilfe, mit Wohnangeboten in Stade und Bassenfleth, mit Beratung und mit 16 Selbsthilfegruppen im Landkreis Stade. Das Besondere: Sogar während der Weihnachtszeit können Betroffene und Angehörige, auch mit Kindern, Gruppentreffen besuchen - eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

In Stade treffen sich Betroffen im Haus an der Kalkmühlenstraße 7, und zwar am 23. Dezember von 20 Uhr an, am 25. Dezember von 19.30 Uhr an, am 28. Dezember von 10 Uhr an und von 19.30 Uhr an und am 30. Dezember von 20 Uhr an. Am 29. Dezember von 19 Uhr an trifft sich zudem eine Frauengruppe. Im Freiburger Rathaus (Hintereingang) findet ein Gruppentreffen am 25. Dezember von 18 Uhr an statt. Am 24. und 27. Dezember gibt es keine Gruppentreffen, allerdings sind Rolf Mestmacher an diesen Tagen in Notfällen unter Tel. 04141/79 46 44 und Gerhard Lange unter Tel. 04779/92 50 22 telefonisch zu erreichen. Das alkohol- und drogenfreie "Café Contact" an der Steilen Straße in Stade hat vom 26. bis 30. Dezember jeweils von 13 bis 20 Uhr geöffnet, auch für die Silvesterfeier sind noch Plätze frei: Anmeldung unter Tel. 04141/454 89 oder Tel. 0151/51 39 07 22.

www.suchtkrankenhilfe-stade.de