Arbeitgeber sehen Chancen. Für junge Menschen wirft der doppelte Jahrgang Fragen nach Berufsaussichten auf.

Stade/Lüneburg. Die Verkürzung auf zwölf Schuljahre an den Gymnasien führt 2010 und 2011 zu einer Abiturientenlawine auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Davon betroffen ist auch die Region südlich von Hamburg. Dabei geht es nicht nur um die Frage Studium oder Ausbildung für Abiturienten. Auch die Schüler aller anderen Schulformen sind betroffen. Deshalb bereiten sich die Unternehmen und Hochschulen in der Region auf den Ansturm vor.

Die Arbeitgeber sehen die große Zahl von möglichen neuen Mitarbeitern durchaus als Potenzial. Schulen, Schüler und Eltern werden mit dem Problem augenscheinlich allein gelassen.

In Hamburg werden 2010 mit einer Zahl von 12 100 jungen Menschen rund 5000 Schüler mehr Abitur machen als in diesem Jahr. Für Niedersachsen wird für 2011 mit etwa 20 000 zusätzlichen Abiturienten gerechnet. Für die fünf Gymnasien im Landkreis Stade bedeutet dies rund 1000 statt 500 Abiturienten, für Lüneburg etwa 1200 zusätzliche Absolventen.

Aus Sicht der Kammern als Vertretung der Arbeitgeber scheint dies eine erfreuliche Situation zu sein. Bodo Stange, Geschäftsführer der Ausbildungsabteilung IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum sagt: "In diesem Jahr konnten 3500 Ausbildungsplätze in Niedersachsen nicht besetzt werden, weil laut Aussage der Unternehmen qualifizierte Bewerber fehlen. Schwächere Bewerber werden davon aber nicht profitieren. Abiturienten können diese Lücke füllen. Wir kommunizieren an die Unternehmen, dass dieser doppelte Jahrgang die letzte Tankstelle vor dem demografischen Knick ist." Offen bleibt allerdings die Frage, ob die bisher nicht besetzten Stellen tatsächlich attraktiv für Abiturienten sind.

Hinzu kommt die Problematik, dass von 2012 an die Schülerzahl aufgrund des Geburtenrückgangs laufend abnehmen wird. Stange befürchtet, dass in Zukunft immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben könnten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verstärkt ihre Berufs- und Studienberatung personell und in den Schulen speziell im Hinblick auf den Doppeljahrgang. Eine Informationsveranstaltung in Lüneburg vor den Halbjahreszeugnissen ist in Vorbereitung, ebenso wie ein Konzept für die Akquise von zusätzlichen Ausbildungsplätzen.

An den Schulen werden Lehrer und Schulleitungen in Eigenregie und in Zusammenarbeit mit Universitäten, Unternehmen und der Bundesagentur für Arbeit aktiv. Das Gymnasium Herderschule Lüneburg beispielsweise wird mit einem Berufsorientierungskonzept Schüler und Eltern informieren, unter anderem mit Berufsmessen, Uni-Schnuppertagen und Präsentationen. Ähnlich ist es am Gymnasium Halephagen Schule in Buxtehude. Schulleiter Hans-Jürgen von Maercker: "Wir nehmen unsere Verantwortung bei der Berufs- und Studienberatung wahr, aber wir haben keine konkreten Hinweise, wie zum Beispiel politische Zusagen über mehr Studienplätze umgesetzt werden."

Die Zahlen der Abgänger an Haupt- und Realschulen bleiben in etwa konstant, dennoch wird auch diese Schülergruppe stark betroffen sein, weil sie viel stärker als in früheren Jahren mit den Abiturienten konkurrieren muss.

Bundesagentur, Schulen und Kammern raten Schülern und Eltern, selbst aktiv zu werden. Dazu gehöre eine hohe Flexibilität bei der Berufs- und Studienwahl. Vor allem bei Schülern mit unterdurchschnittlichen Leistungen reichten "Plan A oder B nicht mehr aus, auch Plan C, D und E sollte in Betracht gezogen werden". Jede Chance zum Praktikum zu nutzen, auch außerhalb der von den Schulen vorgegebenen Praktikumstermine, erhöhe die Chance auf einen Ausbildungsplatz.

Doch auch Abiturienten können sich nicht einfach zurück lehnen. Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit haben die Erfahrung gemacht, dass gerade sie sich nur unzureichend oder nicht rechtzeitig über Berufs- und Studienmöglichkeiten orientieren.

Ganz bewusst ist ein Blick in weniger populäre Regionen sinnvoll, raten die Fachleute, da an Hochschulen und in Unternehmen außerhalb der beliebten Studienorte größere Chancen auf Studien- und Ausbildungsplätze möglich sind. In Niedersachsen bieten die Fachhochschulen und Universitäten in Braunschweig, Bremerhaven, Buxtehude, Göttingen oder Emden/Leer, Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth große Chancen.