Ingrid Scherzer-Hartz betreibt als einzige Privatperson im Landkreis eine ehrenamtliche Schuldnerberatung.

Apensen. Menschen, die zu Ingrid Scherzer-Hartz kommen, haben meistens eine ganze Zeit lang versucht, allein gegen den Strom zu rudern. Sie haben versucht, ihre drückenden Schulden abzuzahlen und im täglichen Leben mit immer weniger Geld auszukommen. Bis irgendwann der Punkt kam, an dem sie nicht mehr weiter wussten. Menschen wie diesen aus ihrer Notlage herauszuhelfen, hat sich die Sozialökonomin und Juristin aus Apensen zur Aufgabe gemacht. Sie betreibt, als einzige Privatperson im Landkreis Stade, eine ehrenamtliche Schuldnerberatung.

Ihre "Mandanten", wie sie sie nennt, empfängt Ingrid Scherzer-Hartz im Wohnzimmer ihres Privathauses. An dem hölzernen Schreibtisch wird zuerst einmal ein Kassensturz gemacht. "Wir gehen alles durch, die Einnahmen, die Ausgaben, die Hypotheken und Kredite", sagt die 68-Jährige mit dem grauen, langen Haar, die ebenso resolut wie verständnisvoll wirkt. Die Lage wird genau analysiert, bis ein Plan zur Entschuldung gemacht werden kann. "Privatinsolvenz" oder "Flexibler Nullplan" heißen solche Maßnahmen, die den Mandanten schrittweise wieder mehr Luft zum atmen geben und den Gläubigern einen Teil ihres Geldes zurück verschaffen. Wenn sich die Mandanten einer strikten Ausgabendisziplin unterwerfen, sind sie nach ein paar Jahren schuldenfrei.

Zurzeit sind es zwölf Menschen, die Ingrid-Scherzer-Hartz berät. Dabei hat die Rentnerin bisher drei Jahre lang Erfahrungen als Schuldenberaterin gesammelt. Seit einem Jahr ist der Dienst vom Land Niedersachsen als Schuldnerberatungsstelle anerkannt. Wer sind die Menschen, die zu ihr ins Haus kommen und auch ein Stück ihres Privatlebens preis geben?

"Überwiegend Arme und Arbeitslose. Auch Leute, die durch eine Krankheit oder familiäre Umstände in eine finanzielle Notlage geraten sind", antwortet Ingrid Scherzer-Hartz.

Während bei Männern häufig der Jobverlust am Anfang eines sozialen Abstieges steht, ist es bei Frauen oft eine Scheidung. So Ingrid Scherzer-Hartz: "Manche nehmen gemeinsam mit ihrem Mann einen Kredit auf. Und nach dem Ende der Ehe müssen sie immer noch für die Schulden haften."

Einen weiteren Grund für private Überschuldungen sieht Ingrid Scherzer-Hartz in bestimmten Geschäftspraktiken der Banken. "Manche Berater schwatzen ihren Kunden ungünstige Kredite auf, weil sie selbst dadurch Geld verdienen. Und das passiert auch bei Instituten, die eigentlich als seriös gelten!", ärgert sich die Juristin, die rät, in solchen Fällen "immer wachsam" zu bleiben.

Auf der anderen Seite beobachtet sie auch eigenes Verschulden, das in die finanzielle Klemme führt. "Manche Leute gehen einfach nicht richtig mit ihrem Geld um. Einige bestellen zum Beispiel Dinge im Fernsehen oder aus Katalogen, die sie sich gar nicht leisten können. Bei anderen wundere ich mich über die hohen Handyrechnungen", erzählt sie. Und betont: "So etwas abzustellen, gehört natürlich dazu bei einer Entschuldung."

An sechs Tagen in der Woche, jeweils zwischen 14 und 18 Uhr, steht Ingrid-Scherzer-Hartz für Beratungen zur Verfügung. Ihr juristisches und ökonomisches Fachwissen stellt sie völlig kostenlos zur Verfügung. Dabei ist die die allein lebende Frau auch oft persönlich gefragt. "Viele, die herkommen, wollen erst einmal reden. Und dazu haben sie auch das Recht", sagt sie. Dabei erlebe sie nicht nur finanzielle Notlagen - auch private Tragödien, Suchtfälle sind unter den Mandanten, für die sie dann weitere Betreuungen sucht.

"Es ist der Wunsch, zu helfen" beschreibt sie schlicht die Motivation, einen Großteil ihrer Freizeit zu opfern. Den Eindruck, dass sie das Engagement über Gebühr belastet, gewinnt man dabei nicht. Vielmehr sieht man eine Person vor sich, die von ihrer Aufgabe erfüllt ist - und dabei bescheiden wirkt. "Ich habe mich mein Leben lang mit sozialen Themen beschäftigt", sagt Ingrid Scherzer-Hartz, die auch heute noch auf der kommunalen Ebene in einigen politischen Ämtern wirkt. Welcher Art ihre Überzeugungen sind, daraus macht sie kein Geheimnis. Ein großes Rosa-Luxemburg-Plakat empfängt den Besucher gleich im Eingangsbereich des Hauses. Und so gibt es für die Beratung auch eine kleine Einschränkung: "So richtigen Machos" hilft sie nämlich nicht so gern aus der Patsche. Aber eigentlich sei "jeder willkommen", sagt sie lächelnd.

Soziale Schuldnerberatung, Ingrid Scherzer-Hartz, Auf dem Knüll 11, 21641 Apensen, Tel. 04167 / 735 und 0151 59 96 68 07. Weitere Schuldnerberatungen beim Diakonieverband der evangelisch-lutherischen Kirchenkreise Buxtehude und Stade. Neubourgstr. 6, 21682 Stade, Tel. 04141 / 41 17 0, Hansestraße 1, 21614 Buxtehude, Tel. 04161 64 44 46.