Die eindrucksvollen Aufnahmen des Amateurfotografen zeigen den Alltag im Hamburger Hafen während der 50er-Jahre.

Buxtehude. "Wir haben einen Kleiderschrank aufgemacht, und da lagen sie dann. In Plastiktüten verpackt und mit Lorbeerblättern belegt, weil die ja angeblich gegen Motten helfen sollen", sagt Beate Bartels. Sie lacht. Beim Ausräumen der Wohnung ihrer Schwiegermutter Frieda Bartels stieß sie kürzlich auf rund 200 vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotos, die Hafenarbeiter bei der Arbeit zeigen. Szenen, die der ehemalige Schweißer Willy Bartels einst in seinem Arbeitsumfeld festhielt.

Holger Bartels brachte die Schätze seines 1997 verstorbenen Vaters zu seinem Bekannten Dieter Klar. Der Fotograf und Präsident des Buxtehuder Kulturforums am Hafen war außer sich vor Freude: "Ich war so begeistert, dass ich fast umgefallen wäre." Klar wollte die Motive unbedingt der Öffentlichkeit zeigen. Aus den Fundstücken suchte er rund 50 Motive aus, reproduzierte sie digital und vergrößerte sie. Das Resultat ist die Ausstellung "Hamburg - Elbe - Werften in den 50er-Jahren", die am Donnerstag, 29. Oktober, in dem Haus an der Hafenbrücke eröffnet wird.

Die Bilder führen den Betrachter in eine untergegangene Welt - die Arbeitswelt des Hamburger Hafens der 50er-Jahre. Tätigkeiten, die heute nicht mehr existieren, sind auf den Fotos zu sehen. Und auch Orte, die ihr Gesicht vollkommen gewandelt haben: So ist ein häufig gezeigter Schauplatz die "Deutsche Werft" in Finkenwerder, Willy Bartels' ehemalige Arbeitsstätte. Heute stehen an dieser Stelle die Airbus-Werke. Bartels' Kamera fing auch die Vergangenheit eines weiteren, prominenten Geländes ein: die der heutigen HafenCity. Wo heute gläserne Bürotürme und verschachtelte Wohnhäuser in die Höhe wachsen, wurden in den 50er-Jahren noch Schiffe per Hand ausgeladen. "Damals hatte Hamburg noch keinen Containerhafen. Es ist deshalb eine völlig andere Industrielandschaft, die auf den Fotos zu sehen ist", sagt Dieter Klar.

Der Macher der Ausstellung betont auch den künstlerischen Aspekt der Aufnahmen: "Willy Bartels hatte ein ganz besonderes Gespür für Formen und für das Zusammenwirken von Licht und Schatten. Er hatte nicht nur ein sehr gutes Auge, sondern auch hervorragende technische Kenntnisse".

Dies beeindruckt Klar deshalb besonders, weil Bartels nie einen Fotokursus oder gar eine Kunsthochschule besuchte. Als Autodidakt brachte er sich alles selbst bei. "Mein Vater war ein echter Foto-Verrückter. Er ist nie ohne Kamera aus dem Haus gegangen", erinnert sich Holger Bartels.

Der Beruf, den der 1911 geborene Willy Bartels eigentlich gelernt hatte, war Fahrradschlosser. Später fand er eine Anstellung als Schweißer im Hafen.

Die Chance, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen, erhielt er nach dem Krieg. Die Werft suchte einen Fotografen für die firmeneigene Dokumentation - Bartels schlug sofort zu und knipste fortan Schiffe im Bau, Schiffe im Trockendock und Schiffe, die in den Hafen einliefen. "Mein Vater war natürlich bei den Jungs in der Werft bekannt. Wenn er auftauchte, riefen die ihm meist zu: 'Hallo Willy, wullt Du mol wedder'n poor Biller moken?'", erzählt Holger Bartels. Dass die Industrieaufnahmen des Hamburgers besonders sind, fiel schon im Jahre 1957 den Preisrichtern der "Photokina" auf. Auf der renommierten Kölner Fotoausstellung wurde er mit der Silbermedaille ausgezeichnet.

Im selben Jahre erhielt er den Hamburger Staatspreis für sein fotografisches Werk. Trotz dieser Auszeichnungen sah sich Bartels wohl eher als Arbeiter denn als Künstler. Das Angebot eines Verlages, einen eigenen Bildband herauszubringen, schlug er aus und blieb bis zum Ende seines Arbeitslebens der Werft treu. In der Zeit als Rentner fotografierte Willy Bartels nur noch privat.

"Mein Vater war ein bescheidener Mann", sagt Holger Bartels. Deshalb freue es ihn umso mehr, dass sein Vater jetzt im Kulturforum eine posthume Ehrung erhält. Auf der Vernissage zur Ausstellung wird Holger Bartels einen ganz eigenen Beitrag leisten: Als Musiker steht er von 19 Uhr an mit Klaus Walberg als Duo "Swingtime" auf der Bühne.

Bis zum 31. Januar 2010 soll die Ausstellung erst einmal im Kulturforum zu seien sein. Auch für die Zeit danach schmiedet Dieter Klar schon Pläne. Er kann sich gut vorstellen, mit den Bildern auf Wanderschaft zu gehen und sie auch auf der anderen Seite der Elbe zu zeigen.

Ausstellung "Hamburg - Elbe - Werften in den 50er-Jahren", Kulturforum am Hafen, Hafenbrücke 1, Buxtehude. Eröffnung am Donnerstag, 29. Oktober, 19 Uhr. Die Bilder sind bis 31. Januar zu sehen. Öffnungszeiten: freitags von 15 bis 18 Uhr, sonnabends von 11 bis 18 Uhr, sonntags von 13 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Mehr Info unter Tel. 04161/51 92 10 sowie unter www.kulturforum-hafen.de