Jedes Jahr besuchen sich deutsche und baltische Schüler. Buxtehude half auch schon mal mit Nahrungsmitteln, Kosmetik und Fahrrädern aus.

Buxtehude. Keiner kann sich so recht erklären, warum der Halepaghen-Schule im Jahr 1989 dieser Brief aus Litauen ins Haus flatterte. "Vielen Dank, dass Sie einverstanden sind, mit der Ersten Oberschule der Stadt Schilute Freundschaft zu schließen", stand in dem Schreiben, das Romualda Dobranskiene, Direktorin der "Ersten Oberschule" in Schilute, verfasst hatte. Überrascht las Ulrich Uffrecht, damaliger Rektor des Gymnasiums in Buxtehude, die Zeilen. Er wusste von nichts.

Bis heute ist nicht klar, wie es zu diesem Brief gekommen ist. "Vielleicht war es auch ein Versehen", sagt die Lehrerin Dorothea Schlenker-Pommert. Daraus ist eine wunderbare Freundschaft erwachsen. Seit 1990 besuchen sich die Gymnasiasten aus Schilute und Buxtehude gegenseitig. Ein Grund zum Feiern, findet die Halepaghen-Schule. Heute Abend gibt es einen Festakt mit 165 geladenen Gästen, darunter ehemalige Austauschschüler des Gymnasiums mit ihren Eltern sowie Schüler und Lehrer aus Litauen.

Der Beginn der Freundschaft fiel in den wohl dramatischsten politischen Umbruch des Landes. Am 11. März 1990 erklärte Litauen als erste Sowjetrepublik seine Unabhängigkeit. Zu der Zeit weilten Schüler aus Schilute zum ersten Mal in Buxtehude. Die 60 Schüler und Lehrer der "Ersten Oberschule" verließen ihr Land als Sowjetbürger und kehrten als Litauer zurück.

Nur ein Jahr später - am 20. Januar - sollten Jugendliche aus Buxtehude zum ersten Mal nach Litauen reisen. Die Buxtehuder Schüler hatten schon ihre Koffer gepackt. Doch der Termin musste auf April verschoben werden. Denn am 13. Januar 1991 versuchte die Sowjetunion mit Waffengewalt, Litauen von seinem Ziel der Selbstständigkeit abzubringen. 14 Personen kamen im Widerstand gegen Sowjettruppen ums Leben. Einige der litauischen Gastfamilien seien selbst im politischen Umbruch verwickelt gewesen, erinnert sich Schlenker-Pommert. Deshalb musste der Reisetermin auch verlegt werden.

Angst und Aufbruch bestimmte dann auch die Stimmung, als die Buxtehuder Schüler Anfang April in Litauen ankamen. "Man merkte, wie aufgewühlt die Menschen noch von den Ereignissen waren", sagt Schlenker-Pommert. "Unsere Generation ist ja nur Frieden gewohnt. Deshalb brauchten wir ein bisschen, um die Atmosphäre einzuordnen."

Die Lehrerin und die Schüler lernten die Litauer als außerordentliche Gastgeber kennen. Obwohl die Nahrungsmittel damals sehr knapp waren, wollten es die Gastfamilien es den deutschen Besuchern nicht spüren lassen.

Etwa 20 Schüler von der Halepaghen-Schule reisten in die Stadt an der Memelmündung. "Es war für beide Seiten - für die Litauer, als sie nach Deutschland kamen - und für die Buxtehuder Schüler ein Kulturschock", sagt Schlenker-Pommert. Sie selbst kann sich noch gut an die ungewohnte fehlende Werbung an den Einkaufsläden erinnern.

Aus der Schülerbegegnung ist der Deutsch-Litauische Freundeskreis erwachsen, der 1995 gegründet wurde. Der Freundeskreis hat viele Jahre lang Hilfstransporte in den baltischen Staat organisiert. Mehrere Container mit Fahrrädern, Möbeln, Arzneimitteln, Computern und Kosmetik gingen zu den Freunden nach Litauen.

Inzwischen sei die Hilfe aber nicht mehr nötig, sagt Hermann Hausmann, Vorsitzender des Freundeskreises. Der Lehrer organisiert federführend den heutigen Festakt in der Halepaghen-Schule. Eine Mischung aus Wortbeiträgen und Musikstücken bestimmt das Programm. Zudem werden eine Gruppe von Austauschschülern und eine Lehrerdelegation bis nächste Woche betreut.

Seit sieben Jahren begleitet Hausmann die Schüler nach Litauen. Unverändert sei bis heute die bemerkenswerte Gastfreundschaft der Bewohner von Schilute. "Es ist sensationell, was die Gastfamilien möglich machen", sagt der Lehrer. Das bestätigen auch die Jugendlichen des Halepaghen-Gymnasiums, die 2008 nach Litauen reisten. "Alle waren sehr herzlich", sagt Kim Schwindke (17) aus Jork. "Es war toll, eine ganz andere Nation kennenzulernen", sagt Bentje Reimers (16), ebenfalls aus Jork.