Am 1. Januar ist Schluss: Im Geburtshaus in Stade werden nach dem Jahreswechsel keine Kinder mehr zur Welt gebracht. Die drei Entbindungsräume sollen vermietet, der Rest in eine Hebammenpraxis umgewandelt werden.

Stade. Das berichtet Anja Szych, die Sprecherin des Geburtshauses, auf Abendblatt-Anfrage. Grund für diese drastischen Maßnahmen seien finanzielle Probleme und zu strikte Auflagen.

Geburten in angstfreier und familiärer Atmosphäre waren die Markenzeichen der privaten Einrichtung am Carl-Goerdeler-Weg 6. Die Gesellschafterinnen Regina Lieder-Schönn und Dörte Heyn haben seit 1995 im Geburtshaus hunderte Frauen aus nah und fern während ihrer Schwangerschaft begleitet und ebenso viele Jungen und Mädchen auf ihrem Weg ins Leben geholfen. Im August 2008 feierten sie den zehnten Geburtstag ihres selbst finanzierten Pavillons in Ottenbeck. Damals attestierte Lieder-Schönn der Einrichtung noch eine florierende Nachfrage - insbesondere nach Vorsorge und Geburtsvorbereitung, zu der beispielsweise die traditionelle Schwangerschaftsgymnastik gehört.

Jetzt, ein Jahr später, werfen sie und ihre Kollegin das Handtuch. "Die beiden ziehen die Konsequenz aus den gesteigerten Anforderungen der Krankenkassen an das Geburtshaus. Die Einrichtung muss beispielsweise an 365 Tagen im Jahr besetzt sein. Das ist für zwei Hebammen kaum zu leisten", betont Pressesprecherin Anja Szych vom Stader Geburtshaus. Weitere Erklärungen will sie Dörte Heyn und Regina Lieder-Schönn überlassen. Doch die schweigen sich aus, wollen "aus persönlichen Gründen" erst Mitte des Monats Stellung beziehen.

Ein Anhaltspunkt zu den Beweggründen, das Geburtshaus in Stade künftig nur noch als Hebammenpraxis zu nutzen, findet sich auf der Homepage der beiden Stader Geschäftsfrauen. Dort heißt es unter der Rubrik Leitbild: "Hebammen als Unternehmerinnen - das bedeutet für uns, im Rahmen unserer fachlichen Qualifikation offen und flexibel auf die an unser Haus gerichteten Herausforderungen zu reagieren und damit eine gesunde finanzielle Basis zu gewährleisten."

Dass sich die Arbeit als freiberufliche Hebamme aber finanziell kaum noch lohnt, ist kein Geheimnis. "Wir verdienen 7,50 Euro netto die Stunde, müssen 2500 Euro Haftpflichtversicherung im Jahr, und damit etwa 80 Prozent mehr als noch 2008 zahlen, und sollen darüber hinaus zahlreiche administrative Aufgaben erfüllen", klagt die "Elbhebamme" Ricarda Sitan vom Geburtshaus in Harburg. "Das kann sich auf Dauer einfach nicht rechnen."

Ein weiterer Knackpunkt: der Vertrag zwischen Geburtshäusern und Krankenkassen vom 27. Juni 2008. Wer das Papier unterzeichnet, bekommt künftig zwar nicht nur die Gebühr für eine Entbindung bezahlt, sondern auch die Betriebskosten (Unterkunft, Pflege und Verpflegung) erstattet. Im Gegenzug fordern die Krankenkassen aber die Einführung eines Qualitätsmanagements-Systems innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsabschluss.

"Das bedeutet für uns viel Arbeit. Und mittlerweile überlegt der deutsche Hebammenverband, wie man das wieder ändern kann. Für kleine Einrichtungen sind die Vorgaben eine riesige Belastung", bestätigt Myriam Borchardt vom Geburtshaus in Walsrode. "Wir werden uns für das Qualitätsmanagement-System eine externe Fachkraft holen. Nach Kostenvoranschlag wird uns das allerdings etwa 3000 Euro kosten", so die Stillberaterin Ricarda Sitan. Dabei sei das Harburger Haus vergleichsweise gut aufgestellt. "Wir werden sicherlich nicht schließen. Aber auch wir haben zu kämpfen."