Margrit Wetzel saß bereits viermal für den Kreis Stade im Bundestag. Abendblatt-Autorin Mira Frenzel hat sie in ihrem Haus in Horneburg besucht.

Horneburg. Der Wahlkampf macht nur kurz Pause. Der Kaffee duftet. Auf dem Küchentisch stehen Mandelhörnchen und Butterkuchen. Margrit Wetzel sitzt in roter Bluse und schwarzer Hose ("Das ist nicht als Koalitionsstatement zu verstehen, ich mag die Farben einfach gern") am Tisch und transportiert mit der Gabel ein Stück Kuchen auf ihren Teller. In ihren Kaffee tröpfelt sie eine durchsichtige Flüssigkeit, die an Medizin erinnert. "Das ist ein natürlicher Süßstoff, entdeckt von den Ureinwohnern Amerikas. Gesund, aber ohne Kalorien." Zucker nimmt sie nicht so gerne in den Kaffee. "Dann würde ich wohl so aussehen", sagt sie und formt mit den Armen eine Kugel um ihren Körper. Währenddessen lacht sie, Margrit Wetzel lacht viel und strahlt dabei überraschend viel Gelassenheit aus.

Dabei hätte die 59-Jährige gute Gründe, gestresst zu sein. Immerhin steckt sie in ihrem wohl härtesten Wahlkampf. Margrit Wetzel muss das Direktmandat im Wahlkreis Stade I - Rotenburg II gewinnen, um wieder in den Bundestag einzuziehen.

Aber wieso sollte sie das beunruhigen? Vier Legislaturperioden lang war sie bereits Mitglied des Bundestages, die letzten dreimal in Folge dank des Direktmandates. "Ich werde einfach kämpfen bis zur letzten Minute", sagt sie. Der Kampf um die Erststimmen der Bürger ist ziemlich anstrengend. Mehr als vier Stunden Schlaf gönnt sie sich nicht. Der Tag der Frühaufsteherin beginnt jeden Morgen um etwa 4.30 Uhr. Dann werden E-Mails beantwortet, Termine gemacht und Podiumsdiskussionen vorbereitet. Danach setzt sich Margrit Wetzel in ihren Wahlkampfbus und baut Infostände auf, an bis zu drei Orten täglich. Freizeit habe sie derzeit keine und lacht wieder. Insgeheim macht ihr das Kämpfen vermutlich Spaß.

Das ließe sich jedenfalls aus ihrer Biografie ablesen - eine klassisch sozialdemokratische: 1950 geboren in einer Hamburger Arbeiterfamilie, stand für Wetzels Eltern fest, dass die Tochter spätestens nach ihrer Ausbildung als Hotel- und Gaststättengehilfin heiraten sollte. "Meine Mutter sagte mir: Mädchen, die zu schlau sind, werden nicht geheiratet", erzählt die Politikerin.

Sie hat es darauf ankommen lassen, hat sich hochgearbeitet: Studierte an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik und an der Universität Hamburg. Dort hat sie dann einen Mann kennen gelernt, der schlaue Frauen mag. "Manfred war mein Soziologiedozent, ihm war die superinteressierte Studentin aufgefallen", sagt sie. In ihrem fünften Semester haben sie geheiratet, das war 1978. Das Jahr in dem Margrit Wetzel in die SPD eingetreten ist. Ein Jahr später kam Sohn Martin auf die Welt, der als Baby in Vorlesungen auf dem Schoß der Mutter saß.

Politisch aktiv wurde sie erst später. "Mein Mann und ich sind 1985 von Hamburg nach Agathenburg gezogen, weil wir wollten, dass unser Sohn Martin und unsere Tochter Mantica im Grünen aufwachsen." Damals stand Margrit Wetzel jeden morgen um 4 Uhr auf, um ihre Doktorarbeit zu schreiben, bevor die Kinder wach wurden. Dass sie 1990 den Sprung von der Kreispolitik in die Bundespolitik geschafft hatte, war eigentlich mehr der Plan ihrer Genossen. "Ich wurde weggelobt", sagt sie und lacht schon wieder. Damals sei sie "auf Krawall gebürstet" gewesen.

Die Karriereleiter bis etwa zum Ministerposten in Bonn oder Berlin habe sie nie erklimmen wollen. "In der Bundespolitik muss man sich entscheiden, ob man vor allem die eigene Karriere beschleunigen oder die Interessen seines Kreises vertreten will." Margrit Wetzel sagt, sie habe sich für den Kreis und gegen die Macht entschieden.

1998 bekam sie ihr erstes Direktmandat, es war auch eine Wahl unter erschwerten Bedingungen. "Eine Woche vor der Wahl wurden mein Mann und ich geschieden." Sie zog nach Horneburg. "Ich wollte meine Kinder nicht aus ihrem Umfeld reißen." Ihr Verhältnis zu ihrem Exmann beschreibt sie als freundschaftlich. Er habe erst vorige Woche ganz aufgeregt angerufen und darauf hingewiesen, dass in Agathenburg keine SPD-Wahlplakate hängen. "Ich bin mir ganz sicher, dass er mich wählen wird."

Fragt man die Margrit Wetzel nach ihren Wahlkampf, erzählt sie von Erlebnissen mit anderen Menschen. Etwa davon, dass fremde Leute schon mal mit einem Geschenk an ihren Infostand kommen. Zurzeit stehen drei Blumensträuße auf dem Küchentresen, im Kühlschrank ein Piccolo. "Die haben mir Menschen einfach so gegeben - als Dankeschön, das ist doch toll, nicht wahr?!"

Sollte es nicht zum Direktmandat reichen, wäre sie enttäuscht. Über einen Plan B mag Margrit Wetzel deswegen auch nicht nachdenken. Oder etwa doch? "Ich arbeite gern im Garten, dafür habe ich als Bundestagsabgeordnete keine Zeit." Und dann ist sie auch noch seit zwei Jahren Großmutter. Enkelin Milla würde ihre Oma im Zweifelsfall wohl ebenso auf Trab halten wie der Berliner Trubel.