Kritiker fürchten weiterhin den Bau von drei Energiestandorten. Rieckhof: “Unsinn“. Vielmehr stünden alle Projekte auf der Kippe.

Stade. Die Kritik an den Kohlekraftwerksplanungen in Stade reißt nicht ab. Die "Bürgerinitiative Stade-Altes Land" ist in Sorge und befürchtet, dass die Hansestadt Stade - entgegen der Aussagen der letzen Wochen - insgeheim die Ansiedlung von allen drei in der Diskussion befindlichen Kraftwerken an der Elbe vorbereiten will.

Bürgermeister Andreas Rieckhof (SPD) weist diesen Vorwurf weit von sich. "Das ist völliger Unsinn", erklärte das Stader Stadtoberhaupt gegenüber dem Abendblatt.

Stein des Anstoßes ist das kürzlich vorgestellte Arbeitsprogramm der Hansestadt Stade. Darin sind die wichtigsten Aufgaben, die sich die Stadt selbst gegeben hat, mit den Prioritäten A (sehr hohe Wichtigkeit) bis C (niedrige Relevanz) beziehungsweise als Daueraufgabe (D) aufgelistet.

Höchste Priorität haben demnach beispielsweise die Sicherstellung der Energieversorgung von Dow-Chemikal, die weitere Anbindung des Seehafens - und der "Energiestandort Stade". In diesem letzten Komplex sind die Großkraftwerkvorhaben bei Bützfleth beziehungsweise Stadersand mit der Priorität A gekennzeichnet, eine städtebauliche Zulässigkeit soll anhand der Aufstellung eines Bebauungsplanes gewährleistet werden. Die Priorität A ist sowohl für die Projekte der Dow, von GdF Suez und von E.on vermerkt. Zeitgleich wird die Förderung erneuerbarer Energien auf die Prioritätenstufe B und C gesetzt.

Die Bürgerinitiative findet es "unglaublich und beschämend", dass das Vorantreiben von drei Kohlekraftwerken für die Stadt anscheinend höchste Priorität habe. In dem Arbeitsprogramm sei nirgends davon die Rede, dass die Stadt nur ein Kohlekraftwerk vorantreiben wolle, so wie Bürgermeister Andreas Rieckhof in der Vergangenheit verlautbaren ließ. "Herr Rieckhof spricht zwar gebetsmühlenartig immer davon, dass er auch keine drei Kraftwerke haben will", so Stefan Kruijer von der Bürgerinitiative. "Aber er verordnet seiner Verwaltung, sogar mit höchster Priorität daran zu arbeiten, damit die drei Kraftwerke realisiert werden können". Den Bürgern würde hier etwas vorgespielt. Zudem, so Kruijer, sei dem Bürgermeister "jegliches Maß" im Abwägen zwischen der industriellen Entwicklung der Hansestadt und den Belangen der Bürger sowie der Natur und Umwelt abhanden gekommen. Zwar müsse die Zukunft der Dow gesichert werden, dafür seien aber nach Ansicht der Bürgerinitiative keine drei Kraftwerke vonnöten. Kruijer wünscht sich, dass sich der Bürgermeister wieder mehr um die Belange der Bürger, als um die Interessen der Industrie kümmere.

Für den Bürgermeister sind die Vorwürfe an den Haaren herbeigezogen. "Dass wir in dem Arbeitsprogramm alle Kraftwerke mit Priorität A gekennzeichnet haben, hat vornehmlich rechtliche Gründe", erklärte Rieckhof. Die Stadt müsse allen drei Bewerbern dieselben Chancen bieten, sich am Standort Stade anzusiedeln. Und sie müsse allen drei Bewerbern die Chance bieten, auf derselben rechtlichen Grundlage ihre Planungen voranzutreiben. Eine Ungleichbehandlung beziehungsweise Favorisierung eines Investors seitens der Stadt könnte später juristische Konsequenzen nach sich ziehen, denen die Stadtverwaltung auf alle Fälle bereits im Vorfelde aus dem Weg gehen möchte.

Die Befürchtung, dass drei Kraftwerke in Stade gebaut werden könnten, sei laut Rieckhof unbegründet. "Ich gebe Brief und Siegel darauf, dass wir wenn, dann nur ein Kraftwerk bekommen werden", so der Bürgermeister. Außerdem sei es angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung momentan völlig unklar, ob überhaupt ein Kohlekraftwerk in Stade gebaut wird. E.on hatte kürzlich gegenüber dem Abendblatt erklärt, dass der Energiekonzern alle Kraftwerksplanungen in Deutschland noch einmal überprüfe - auch Stade.

Rieckhof geht davon aus, dass auch GdF Suez und die Dow ihre Planungen auf dem Prüfstand haben. "Da ist derzeit eine Menge politisches Kalkül dabei", meinte Rieckhof. Aufgrund des ungewissen Ausgangs der bevorstehenden Bundestagswahl wolle sich derzeit kein Betreiber festlegen.

Es sei nach Ansicht des Bürgermeisters durchaus möglich, dass letztendlich keines der in der Diskussion befindlichen Kraftwerke in Stade gebaut wird, sollten CDU und FDP eine Mehrheit im kommenden Bundestag erhalten. Beide Parteien hatten sich öffentlich für längere Laufzeiten für bestehende Kernkraftwerken ausgesprochen. Im Falle einer Laufzeitenverlängerung für Kernkraftwerke wären die Energiekonzerne nicht zwingend auf den kostspieligen Bau eines weiteren Kohlekraftwerks angewiesen.