Es gibt kein Entkommen. Überall im Wahlkreis prangen die Plakate der Parteien, buhlen um die Gunst der Bürger. Die großen Bundestagsparteien werben, wie so oft, überwiegend mit den Konterfeis ihrer Direktkandidaten. Aber wie gut sind die Plakate? Das Abendblatt hat die omnipräsente Eigenwerbung von CDU, SPD, FDP und Grünen einem Experten-Test unterzogen.

Stade/Buxtehude. Es ist eine lockere Runde, die Stimmung ist gut. Ulrich Beckmann, Birgit Hennig und Wolfram Schäfer, allesamt erfahrene Grafikdesigner, lehnen sich über die Plakate, die vor ihnen ausgebreitet sind. Sie begutachten genau, was die Werbestrategen der Parteien für die kommende Bundestagswahl konzipiert haben. Serkan Tören lächelt für die FDP, Martina Krogmann für die CDU und Margrit Wetzels Konterfei ziert das SPD-Plakat. Die Grünen und Linken tanzen aus der Reihe, werben nicht mit Direktkandidaten für den Kreis Stade. Die Grünen haben aber immerhin noch ein Plakat in Petto, das einen regionalen Bezug aufweist und die Kohlekraft in Stade thematisiert - und sind deshalb bei dem Plakat-Test mit dabei. Die gute Nachricht vorneweg: Alle Parteien haben, so die Werbe-Experten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ordentliche Arbeit geleistet. So richtig konnte aber keine der Parteien die drei Fachleute überzeugen.

"Der Slogan der SPD ist viel zu klein", sagt Birgit Hennig, Chefin von "Icon-Mediendesign" in Stade. Und der rote SPD-Würfel wirke doch merkwürdig. "Das passt nicht rein und sieht aus, als wenn sich dort ein Grafiker verwirklichen wollte", so Hennig. Als wenig gelungen bezeichnet Wolfram Schäfer Inhaber von "Creativ-Werbung Schäfer" aus Buxtehude die Wahl der Wezel'schen Halskette. "Da könnte jemand denken: Achtung, Öko-Frau!". Und ganz schön braun gebrannt sei Frau Wetzel auf dem Plakat - wie frisch aus dem Urlaub. Der große Trumpf ist aber: Die SPD hat Rot. "Das wirkt einfach", sagt "Image-Consulting"-Chef Ulrich Beckmann aus Stade. Dynamik - das ist überhaupt die Stärke des Wetzel-Plakates. "Sie ist leicht nach vorne gebeugt, geht auf die Menschen bildlich zu, das ist geschickt", sagt Schäfer.

Das ist bei Martina Krogmann ganz anders. Sie ist zurückhaltender, das, was am meisten auffällt, sind die blonden Haare. "Damit macht sie es dem Grafiker leicht, sie gut ins Bild zu rücken. Blond ist einfach ein Hingucker", sagt Beckmann. Doch die Kleidung passt nicht zum Rest. "Der Hintergrund ist blau, das Hemd ist leicht blau, das Sakko ist auch blau", sagt Hennig, "da fehlt einfach die Dynamik". Das sei alles sehr freundlich, mehr aber auch nicht. Margrit Wetzel sei da mit ihrem dunklen Sakko auf rotem Grund besser aufgestellt - ein guter, kräftiger Kontrast. Und auch der Schriftzug von Martina Krogmann sorgt für Stirnrunzeln. "Das ist zu hell, zu schlecht abgehoben. Das kann ich nur lesen, wenn ich beim Autofahren anhalte", sagt Hennig. Dafür gebe aber die Deutschlandfahne dem Plakat Pfiff.

Das konzeptionell stärkste Plakat ist das von Serkan Tören, sind sich die drei einig. Grafisch gut, eine Kompetenzaussage - auch wenn es sich um einen allgemeinen Parteienslogan handelt - und ein von den Dimensionen gut platziertes Porträt. "Hier ist deutlich mehr Kopf als bei den beiden Damen, und das tut dem Bild gut", sagt Schäfer. Wenig Lob erntet dafür das FDP-Logo Schäfer: "Das ist für mich kein Logo." Interessant gestaltet findet Birgit Hennig das "Schönen Ruß aus Stade" Plakat. Das sei aufgrund des Wortspiels ganz witzig und intelligent, aber wer die Debatte nicht kennt, könne mit dem Plakat nur wenig anfangen. Beckmann dreht den Gedanken noch weiter. "Wenn ich nicht wüsste, dass es ein Plakat der Grünen ist, könnte ich auch denken, da wirbt jemand für Kohlekraft", so der Designer. Ob es für die Grünen sinnvoller ist, mit Themen statt Köpfen zu werben, darüber wollen die Designer kein endgültiges Urteil abgeben. "Die Plakate fallen auf, ob sie aber die Leute gut erreichen werden ist offen, das bleibt abzuwarten", so Schäfer.

Dass SPD, FDP und CDU mit Köpfen werben, ist jedenfalls nicht von Nachteil. "Wetzel und Krogmann sind beispielsweise sehr bekannt, da fällt einem die Designarbeit einfacher", meint Beckmann. Doch trotz der Popularität der beiden Kandidaten: Beckmann vermisst Inhalte. "Ich weiß nach dem Betrachten der Bilder einfach nicht, wer wofür steht", sagt der Designer. Eine klare Aussage, ein einprägsamer Slogan - das wäre das Salz in der Suppe. In früheren Jahrzehnten waren seiner Meinung nach die Plakate stärker, die Positionen wurden zementiert. "Das ist alles profilloser geworden", klagt er.

Wer hat nun das beste Plakat? "Keiner", sagt Wolfram Schäfer. Die anderen nicken. Aber so richtig falsch hat auch keine der Parteien etwas gemacht.