Eine deutliche Schelte an Polizei, Presse und Staatsanwaltschaft, das war das Plädoyer der Verteidigung auf der gestrigen Sitzung im Buxtehuder Discomord-Prozess vor dem Stader Landgericht.

Stade. Rainer Kattau, Verteidiger des Angeklagten Timmi L., sprach von einer "eindeutigen Vorverurteilung" des 27-Jährigen in den Medien, die die objektive Beurteilung des Sachverhalts seitens der Schöffen beeinträchtigen könnte. Er forderte in seinem Plädoyer eine Strafminderung von mindestens drei Jahren.

Dass der des Mordes angeklagte sich nicht an die Tat erinnern könne, nehme Kattau - anders als die Anklagevertreter - dem Angeklagten ab. Das sei von den Sachverständigen auch glaubhaft nachgewiesen worden. Der Staatsanwaltschaft warf Kattau vor, den Fall aufzubauschen - vor allem das genannte Ausmaß der Verletzungen, die der Angeklagte nach der Mordnacht hatte. "Das hört sich natürlich toll an, 50 Verletzungen", sagte Kattau mit ironischem Unterton. Die vielen Spuren am Körper seines Mandanten seien überwiegend nichts weiter als einfache Kratzspuren, die er sich zum Teil auch anders zugezogen haben könnte, als im Kampf mit der getöteten Studentin Kristin K.

Kattau warf Staatsanwalt Volker Lüer und Nebenklägeranwalt Lars Zimmermann vor, sich als "zweite Sachverständige" aufzuführen. Der Wert der in den Prozess eingebrachten Gutachten der Sachverständigen - der von der Anklage stark in Zweifel gezogen wurde - sei, so Kattau, "über jeden Zweifel erhaben". Die Anklage habe außerdem nicht argumentativ dargelegt, warum die Gutachten, die sich strafmildernd auswirken könnten, in Zweifel gezogen werden müssten.

Der Polizei warf Kattau unter anderem vor, dass sie sehr einseitig ermittelt habe. So seien die Beamten nicht der "nicht ganz abwegigen Möglichkeit" nachgegangen, dass es einen Dritten in dem Mordfall geben könnte. Diese Ansicht der Verteidigung sorgte für Stirnrunzeln bei den Richtern.

Dass die Polizei dem Wunsch des Angeklagten nach einem Anwalt bei den ersten Vernehmungen nicht nachgekommen sei, wertete Kattau zudem als einen gravierenden Verfahrensfehler. Ebenso gravierend sei die "Amnesie" der Polizisten bezüglich ihres Fehlverhaltens.

Unbestritten sei, dass die Studentin im November vergewaltigt und ermordet worden sei. Kattau widersprach jedoch der Ansicht Zimmermanns, dass die Studentin von Beginn an vergewaltig wurde und schloss sich der Ansicht des Staatsanwaltschaft an, dass eine Vergewaltigung erst im weiteren Verlauf stattgefunden haben könne. Am 1. September will das Gericht das Urteil verkünden.