Mit der Geschichte des mittelalterlichen Philosophen hat Petra Schlobohm ihr Theater wiedereröffnet. Jetzt geht's auf die Elbinsel Wilhelmsburg.

Hollern-Twielenfleth. Villon gerät ins Träumen. "Keine Frau küsst so gut wie die schönen Frauen von Paris", singt der Maulheld vor sich hin. Die Realität sieht für den mittelalterlichen Philosophen hingegen anders aus. Er schaut in das Gesicht seiner Margot. Zähne findet er in ihrem Mund kaum. Auch Margot, die Bordellbesitzerin, ist vom Anblick des Dichters wenig erbaut und lässt ihn sitzen. "Ich hab schon so manchem mein Hinterteil gezeigt, dessen Gesicht mir nicht gefiel", ruft Margot Villon zu. Dieser entgegnet: "Lass mich nicht allein in diesem Puff bei diesem Gesindel hier."

Das "Gesindel" besteht aus 20 Zuschauern, die sich das derbe Theaterstück "Villon und Margot - das lasterhafte Leben des François Villon" in Hollern ansehen. Nach sieben Jahre Pause feiert die "SchlohBühne" im Garten des Hauses von Theaterleiterin Petra Schlobohm (45) ihre Wiedereröffnung. In einem Zelt, das zwischen Haus und Scheunen aufgebaut ist, präsentieren die Schauspieler Markus Kiefer und Dorit Meyer-Gastell ihr Theaterstück.

In einer der beiden Scheunen fanden zwischen den Jahren 2000 und 2002 die ersten Aufführungen in Hollern statt. Damals trug die Bühne zunächst den Namen "Feuer & Flamme". Die Scheune ist mittlerweile vermietet, so dass Schlobohm für die Wiedereröffnung den eigenen Garten auserkoren hatte. Die SchlohBühne gab von 2002 an Gastspiele in Stade, Steinkirchen und Jork. In den vergangenen Jahren war es ruhig geworden um die Kleinkunstbühne. Damit ist es jetzt vorbei: Bei Rotwein und Käsehäppchen lauschen die Zuschauer auf Holzbänken in Schlobohms Garten den Vorträgen der Darsteller. Der Rotwein schmeckte nicht nur den Gästen, sondern auch Schauspieler Markus Kiefer alias François Villon. Der Maulheld löscht seinen Durst mit Hilfe von fünf gut gefüllten Weingläsern der Zuschauer. Gewohnt derb bedankt sich Villon bei seinen Gönnern: "Ihr kotzt mich an."

Die Zuschauer stammen aus Stade, Hollern-Twielenfleth und Hamburg. Einige von ihnen sind mit dem Fahrrad angereist. Die älteste Zuschauerin ist die 91 Jahre alte Waltraut Meyer-von Schmeling aus Twielenfleth, die in der einzigen "VIP-Loge" des Theaters Platz nimmt. Dabei handelt es sich um ein gemütliches Sofa, das sonst Schlobohms Küche ziert. Die Theaterleiterin hat sich in Norddeutschland als Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin einen Namen gemacht.

Zum Organisationsteam gehört auch Schlobohms Nichte Lena Reiche, die ebenfalls im Haus an der Hinterstraße 8 wohnt. Sie arbeitet als Ärztin in der Chirurgie des Elbe Klinikums Stade und steht während der Theater-Aufführung für medizinische Notfälle bereit. Etwas mehr Zuschauer hatten sich die Veranstalter schon gewünscht. "Es muss sich erst einmal herumsprechen, dass es die SchlohBühne wieder gibt", sagt Lena Reiche.

Ihre nächste Veranstaltung präsentiert die SchlohBühne auf fremdem Terrain. Am Sonntag, 20. September, leitet Schlobohm von 17.30 Uhr an als Regisseurin die plattdeutsche Tragödie "Scheit mi een bäten dod!" mit Schauspieler Haye Graf im Museum Elbinsel Wilhelmsburg (Kirchdorfer Straße 163). In Hollern-Twielenfleth ist die Lesung "Wo bleibt das Positive, Herr Kästner?" am Freitag, 16. Oktober, von 19.30 Uhr an im "Dorfkrug" im Feriendorf Altes Land geplant.

Die Mitglieder des Fördervereins "Die SchlohBühne" hoffen, dass bald auch an der Hinterstraße 8 wieder kulturelle Veranstalten stattfinden. Von den aktuell 30 Mitgliedern sind laut Schlobohm jeweils 15 aktiv und passiv. Sie wünschen sich, bald wieder so höflich verabschiedet zu werden wie zuletzt von Villon: "Lästerzungen sollen in Ochsenpisse schmoren." Der Applaus der Zuschauer bestätigt Petra Schlobohm darin, weitere Gastspiele hinter dem Elbdeich zu veranstalten. So sind Gospel-Workshops und Konzerte geplant. Und vielleicht macht auch Villon seine Ankündigung zur Realität: "Ist der Applaus zu laut, fangen wir noch einmal von vorn an."