Bein Spaziergang ging meine Teuerste plötzlich auf einen Dahlienbusch zu. Sie beugte sich vor, blickte aufmerksam in den Busch und hielt ihre Kamera hoch.

Konzentriert durch die Kamera auf eine Dahlienblüte starrend, sagte sie in fast bittendem Ton: "Nein, jetzt nicht wegfliegen. Eigentlich könntest du noch etwas weiter nach vorne auf die Blattspitze krabbeln. Dann leuchtet dein roter Rücken wunderbar kontrastreich vor dem gelben Blütenblatt. Nun lass dich nicht lange bitten, bewege dich mal ein bisschen auf deinen graziösen Beinchen." Ihr Ton wurde etwas ungeduldig, fast vorwurfsvoll: "Sei nicht so stur! Ja, so ist es gut, Kleiner. Jetzt bist du perfekt im Bild. Dreh mir doch nicht den Rücken zu. So bist du einfach nur ein Nullachtfünfzehn-Marienkäfer, einer von vielen. Ich will dich von vorne auf dem Bild haben. Los, zeig deine fürchterlichen Beißwerkzeuge. Zeig mir, dass du der Schrecken aller Blattläuse bist, der gnadenlose Herrscher über alle Balkonkästen und Blumenbeete. Tu mir den Gefallen, dreh dich wieder um. Du wirst es nicht bereuen, man wird dich auf dem Foto bewundern. Welcher Marienkäfer kann das von sich behaupten. Ja, so ist es gut. Noch ein Stückchen weiter nach vorne. Bravo! Du bist der absolute Marienkäfer-Superstar. Wir werden dich lieben auf dem Bild." Lachend sah meine Teuerste mich an. Sie hatte früher oft gehört, wie Fotografen ihre Star-Modelle beim "Shooting" motivierten. Vielleicht ein bisschen zu oft. Wirkt das etwa auch bei eitlen oder extrovertierten Marienkäfern?