Heike Schween ist unheilbar krank. Sie hat Multiple Sklerose, aber auch einen Arzt, der ihr hilft, ihren Lebensmut nicht zu verlieren.

Buxtehude. Mühsam tunkt Heike Schween ihren Keks in den Kaffee. Die Hände zittern. Die Tasse bebt, wenn sie versucht, das Biskuit zu befeuchten. Manchmal muss ihr Mann Horst diese Aufgabe übernehmen. Dann streicht er ihr über die Hand, nimmt das Gebäck, taucht es in den Kaffe und gibt es seiner Frau. Wäre es nicht so traurig, hätte diese Szene etwas rührend-romantisches.

Die Liebesgeschichte der Schweens begann auch sehr romantisch. Die beiden lernten sich im Hamburger Tanzlokal "TopTen" kennen. "Eigentlich wollte ich ihre Freundin haben, aber letztlich haben wir uns ineinander verliebt", sagt Horst Schween. Kurze Zeit später heirateten sie, beide waren glücklich. Er bei der Müllabfuhr Hamburg, sie als Schneiderin. "Zwischendurch waren wir mal kurze Zeit getrennt, aber an unserer Liebe hat das nicht gerüttelt", konstatiert Horst Schween. Sie lebten 15 Jahre in Schweden, kamen nach Deutschland zurück. Alles schien perfekt.

Bis zu dieser Autofahrt. Es war im Jahr 1982, als sich das Leben der beiden schlagartig veränderte. Heike Schween erlitt auf dem Beifahrersitz einen epileptischen Anfall. Ihren Mann Horst traf das eiskalt. Beide hatten keine Ahnung, wie das passieren konnte. Es gab keine warnenden Vorzeichen.

Nachdem sich seine Frau berappelt hatte, konsultierten die beiden mehrere Ärzte. Ein Marathon bis zur finalen Einschätzung folgte. Irgendwann erhielten sie die niederschmetternde Diagnose: Heike Schween hat Multiple Sklerose.

Das Tückische an der unheilbaren, chronisch-entzündlichen Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems ist, dass sie schleichend verläuft. Es ist ein langsamer Verfall. Und so ging es auch Heike Schween, heute 63, zunehmend schlechter. "Es ist, als würde jemand nach und nach die Stromkabel im Hirn kappen", sagt sie. Vor sechs Jahren fesselte sie ein neuer Schub der Krankheit an den Rollstuhl. Sie trägt Windeln, hat einen Katheter. Horst Schween pflegt seine Frau Vollzeit.

Es ist ein entbehrungsreiches Leben, dass die beiden führen. Kürzlich haben sie ihrem Wohnort Ottensen den Rücken gekehrt, sind in eine behindertengerechte Wohnung in Zeven gezogen. "Nah bei den Kindern", wie Horst Schween sagt. Urlaub haben die beiden seit Jahren nicht gemacht. "Es gibt kaum Appartements, die behindertengerecht sind - zumindest nicht in der Hauptsaison", so der lebenslustige Mann.

Und dass es für die beiden irgendwie weitergeht, hat nicht nur mit dem unerschütterlichen Lebensmut des Ehepaares zu tun. Auch ein Arzt hat großen Anteil an der Zuversicht des Paares. Denn: Arztbesuche sind für das Ehepaar unverzichtbar. Sie sind zur Routine geworden. Umso wichtiger ist den beiden gebürtigen Hamburgern, dass sie ihren Ärzten volles Vertrauen entgegenbringen können. Seit 2003 ist Heike Schween beim Buxtehuder Neurologen Dr. Ulrich Oberländer in Behandlung. "Er nimmt sich immer Zeit für uns. Auch wenn das Wartezimmer voll ist", sagt die schwerkranke Frau. "Und deshalb wollen wir ihm danken", ergänzt ihr 67-jähriger Mann.

Doch das Ehepaar dankt Doktor Oberländer nicht einfach so. Heute bezieht der Psychiater eine neue Praxis in Buxtehude - und Schweens sind auch dabei. Mit einem ganz besonderen Einweihungsgeschenk: "Herr Oberländer ist passionierter Segler", sagt Horst Schween. "Darum habe ich mir überlegt, was wir machen könnten." Schnell hatte er den passenden Einfall: "Ich habe mir das Foto der Gorch Fock vergrößern lassen. Aber das war mir dann doch einwenig zu gewöhnlich." Also verpasste er dem Foto den nötigen Pepp: "Ich habe es von der Taufpatin der Gorch Fockunterzeichnen lassen."

Vor 51 Jahren, am 23. August 1958, taufte Ulli Kinau das heutige Segelschulschiff der Bundesmarine.10 000 Menschen jubelten ihr am Hamburger Hafen zu.

"Ich habe sie in Finkenwerder ausfindig gemacht und sie gebeten, mir dieses Bild zu unterzeichen", sagt Horst Schween und kramt den großen Rahmen hervor, in dem das Foto klebt, auf dem die Gorch Fock vor strahlend blauem Himmel kreuzt. So kam Ulli Kinaus Unterschrift auf das Foto.

Doch das ist heute nicht die einzige Überraschung. Horst Schween wird sich zur Feier des Tages ein Matrosenhemd überwerfen, seine Matrosenmütze aufsetzen und mit einem Shanty-Chor Seemannslieder schmettern. So bekommt die neue Praxis einen gebührend maritimen Einweihungscharakter. Von 14 Uhr an geht's los, am Elbe-Klinikum-Buxtehude. Schweens wird dieser Nachmittag vermutlich glücklich machen. Obwohl sie es nicht leicht haben.