Sie sehen sich nur einmal im Jahr, wetteifern aber ununterbrochen um die besten Züge: Fernschachspieler. Derzeit begegnen sie sich im Alten Land.

Jork/Dammhausen. Wenn Hans-Peter Tödter ein Schachturnier spielt, wachsen ihm dabei manchmal graue Haare. Nicht weil der Mann aus Dammhausen die Partien besonders anstrengend findet, sondern weil sie so lange dauern. Denn Tödter spielt Fernschach und da gehen schon mal zwei Jahre ins Land, bevor Turnierpartien beendet sind.

Der 53-Jährige ist seit 1996 Mitglied von Correspondence Chess International (CCI). Etwa einmal pro Jahr kommt der Schachclub zusammen, unternimmt gemeinsam Ausflüge, tauscht sich aus. Da die Denksportler überall verstreut in Europa wohnen, greifen die meisten der Vereinsmitglieder die Gelegenheit beim Schopfe, um sich mal wieder in die Arme schließen zu können.

In diesem Jahr trifft sich der Club im Landkreis Stade. Tödter war Strippenzieher und hat die rund 40-köpfige Gruppe im Hotel "Altes Land" in Jork für eine Woche einquartiert. Im Jahr 1986 wurde CCI in Magdeburg gegründet und hatte sich damals von der amerikanischen Organisation International Correspondence Chess Federation (ICCF) abgespalten. Anfangs zählte der Club noch 120 Mitglieder, ist aber inzwischen auf rund 80 zusammengeschrumpft. Wie jeder andere Verein kämpfen auch die Fernschachspieler mit Nachwuchsproblemen. Das Durchschnittsalter liegt bei 60 Jahren.

Bis Sonntag verweilen die Schachspieler noch in Jork, erkunden die Gegend und einen Nachmittag wird ganz den Schachfiguren gewidmet. Dann spielen die Männer ausnahmsweise von Angesicht zu Angesicht und nicht wie sonst per E-Mail, Fax oder Internet.

Allerdings lässt der Club seinen Mitgliedern die Wahl bei der Form des Austauschs. "Wir wollen kein reiner E-Mail-Club sein. Jeder soll nach seinen Möglichkeiten Schach spielen können", sagt Gottfried Schwertel, Vorsitzender des CCI.

Tödter ist dem CCI 1996 beigetreten. Es war die Zeit, die immer fehlte und den 53-jährigen Physiker 1996 dazu brachte, vom regulären Schach auf Fernschach umzusatteln. Der Physiker ist beruflich so eingebunden, dass er es nicht mehr schafft, Abende lang über Schachbrettern zu brüten. Vier Tage lang darf sich der Denksportler Zeit lassen für einen Zug. Braucht er zwei Mal mehr als 40 Tage für zehn Züge, hat er die Partie verloren. Obwohl Tödter seit langem eine Internet-Flatrate hat, spielt er traditionelles Fernschach - per Post. Dadurch befruchtet Schach seine andere Leidenschaft - das Sammeln von Postkarten.

Tödter deckt sich im Urlaub mit Stapeln von Ansichtskarten ein und kritzelt darauf dann, wo er etwa den Bauer hinsetzt, zum Beispiel "schwarz D7 D5". Die Gegner lassen sich nicht lumpen und schicken ebenso Ansichtskarten mit ihren Zügen darauf zurück. "Dadurch habe ich etwa 1000 Postkarten gesammelt", sagt der Dammhausener. Kein Wunder: Der Mann spielt meistens 50 Partien gleichzeitig. "Dafür habe ich aber keine 50 Schachbretter zu Hause aufgebaut", fügt Tödter noch hinzu und lacht.

Gottfried Schwertel teilt seine Begeisterung für Fernschach per Post. "Der Kontakt ist so viel persönlicher", sagt der 75-Jährige aus Wiesbaden. "Ich habe dann zumindest ein Schriftstück in der Hand. In einer E-Mail sehe ich noch nicht mal die Handschrift."