Twielenfleth feiert am Wochenende sein 950-jähriges Bestehen.

Hollern-Twielenfleth. Eine Nonne namens Riquur hat es zuerst bemerkt: An der Elbe zwischen den Flüssen Schwinge und Lühe wohnen Menschen - das können nur Twielenflether sein. Das hat die Geistliche vor 950 Jahren zumindest in die Urkunde von Riquur eingetragen. Und deswegen feiern die Twielenflether am Wochenende das 950-jährige Bestehen ihres Ortes.

Das Festzelt wurde am Donnerstag auf dem Parkplatz neben dem Fährhaus aufgebaut. Wo auch sonst? Das Leben in dem Ort spielt sich in großen Teilen vor dem Deich ab.

Da steht zwischen Elbe und Deich das Fährhaus, auf dessen Terrasse Touristen und Einheimische sich Kaffee und Kuchen servieren lassen. Kinder strömen zum großen Spielplatz, der rund 200 Meter elbaufwärts liegt oder in das benachbarte Freibad. Während im gechlorten Nass geplanscht und geschwommen wird, schieben Frachtschiffe nur wenige Meter weiter in der Elbe dicke Wellen vor sich her.

Zwischen Kuchen und Chlorwasser wohnt Elke Vorberg mit ihrem Mann Frank und dem sechs Wochen alten Florian. "Das ist wohl eines der wenigen Mehrfamilienhäuser, die vor dem Deich liegen", sagt die junge Mutter. Von ihrem Balkon aus blickt sie direkt auf den Fluss. "Mein Mann schaut sich gerne Schiffe an, obwohl oder vielleicht weil er Westfale ist", sagt sie. Wegen der Leidenschaft für Schiffe hat er sich vor rund vier Jahren für die Eigentumswohnung vor dem Deich entschieden. Und wie bei allen Bewohnern des Hauses, so erzählt Elke Vorberg, liegt ein Fernglas griffbereit in Balkonnähe. Bei den Vorbergs auf dem Schreibtisch. "Wir sehen hier alle aus wie Spanner", sagt sie lachend. Im Fokus hätten sie aber nur die Schiffe.

Doch auch hinter dem Deich hat das Geburtstagskind einiges zu bieten. Etwa den besten Butterkuchen, so erzählen es die Twielenflether, den es weit und breit gibt. Deswegen rät Gisela Lange allen Butterkuchenfreunden: "Größere Mengen unbedingt vorbestellen!"

Die Bäckerei Lange ist seit 100 Jahren in Familienhand und heute nicht nur die einzige Bäckerei, sondern auch der einzige Laden im Ort.

Einen kurzen Fußmarsch weiter finden sich die Sehenswürdigkeiten des Ortes: Die 160 Jahre alte Windmühle "Amica Venti" von Müller Hein Noodt, die St-Georg-Kirche mit einer Orgel aus dem Jahr 1861, die fast völlig erhalten ist. Und der alte Leuchtturm.

"Der Leuchtturm stand, als er noch als Leuchtfeuer genutzt wurde, von 1893 bis 1984 vor dem Deich", sagt Helmut Nodop. Der pensionierte Lotse betreut mit drei Freunden das kleine Museum im Inneren des Leuchtturms. In Schaukästen sind Hunderte Schiffminiaturen aufgestellt. Neben der "Titanic" liegen Brocken aus Styropor. "Styropor? Das sind natürlich die Eisberge", sagt Nodop lachend. Dann steigt er die Wendeltreppe hoch.

Eng ist es hier, keine zwei Meter Durchmesser hat der runde Raum und er ist vollgestellt mit einem alten Maschinentelegraf und einem Standfernglas, das auf die Elbe gerichtet ist.

Die Elbe, so vermutet Ernst Faby, ist auch ein bisschen Twielenfleth. Oder war es zumindest mal. Bewiesen sei, dass um 1600 rund einen Kilometer vor der heutigen Küste die Twielenflether Kirche gestanden haben muss. Um sich vor Deichbrüchen zu schützen, haben die Twielenflether nach und nach ein rund 1,5 Kilometer breites Landstück ausgedeicht. "Es gibt alte Geschichten von Fischern, die behaupten, ihre Netze seien an den Grabsteinen, die auf dem Flussgrund liegen, zerrissen", sagt Faby.

Trotz des Landverlustes mangelt es den Twielenflethern nicht an Lebensraum - und vielleicht macht es ihnen deswegen nichts aus, die 20,5 Quadtratkilometer mit Gästen zu teilen. In dem Feriendorf am Deich stehen 135 Häuser. Andrew und seine zweijährige Tochter Liv Grete aus Münster kommen gerne nach Twielenfleth. "Das hat viele Gründe", sagt Andrew Newels, "Der Strand, die Elbe, der Wind - einfach herrlich!" Von der großen Feier bekommen die beiden Münsteraner nichts mehr mit. Denn am heute Morgen geht es zurück in die Heimat. Alle anderen dürfen sich auf ein buntes Programm freuen. Gefeiert wird an der Mühle, am Leuchtturm und im Festzelt am Fährhaus.

www.hollern-twielenfleth.net