Was einige Geschäftsleute nur hinter vorgehaltener Hand sagen, sprechen andere offen aus: Hier lebt es sich gefährlich. Die Polizei sieht bislang keinen Grund zur Hysterie.

Stade. Helmut Dede steht im Büro seines Sanitär-, Heizung- und Elektrobetriebs. Das Büro ist winzig, der Betrieb überschaubar, jedoch vollgestopft mit moderner Sicherheitstechnik: Überwachungskameras, Bewegungsmelder - und Schäferhund-Rüde Rex, der vor der Hoftür schlummert. "Rex ist unsere Alarmanlage", sagt Helmut Dede.

Seine Firma befindet sich an der Altländer Straße. Allein deshalb setze er auf Abschreckung durch Technik und Hund. "Wir hatten entlang der Altländer Straße schon immer ein Problem mit Einbrüchen", sagt Dede. "Aber nicht so geballt, nicht so extrem wie in den letzten Wochen." Seine Firma blieb zwar bislang von Einbrechern verschont. Doch sicher fühlt sich der 57-Jährige schon lange nicht mehr. Ohne seinen bulligen Hund traut er sich abends, wenn "Horden pöbelnder Jugendliche unterwegs sind, die einen anrempeln und Streit suchen", nicht auf die Straße. Ist er zu später Stunde in der Altstadt, nimmt er sich für den Heimweg immer ein Taxi. "Wir sind hier ziemlich verunsichert."

Tatsächlich sind die Fallzahlen bemerkenswert. Auf einem gut 500 Meter langen Teilstück der Altländer Straße, zwischen der Straße "Am Schwingedeich" und dem Ortsausgang, haben Kriminelle in nur drei Monaten zwei Mal das Ford-Autohaus "Tobaben", drei Mal den BMW-Händler Stadac, zwei Mal die Videothek Empire, ein Mal die Spielhalle und einmal das Einrichtungshaus Scholz heimgesucht. Alles purer Zufall?

Dass organisierte Banden wie noch vor wenigen Jahren entlang der Altländer Straße ihr Unwesen trieben, darauf gebe es keine Hinweise, sagt Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Was die Straße für Einbrecher zu einem attraktiven Ziel machen könnte? "Die komfortablen Fluchtmöglichkeiten", sagt Bohmbach. Von den Objekten an der Straße ist es nicht weit bis zur neuen Autobahn A 26. "So sind Langfinger schnell über alle Berge."

Fest steht: Es gibt Geschäftsleute wie Hans-Peter Möck, Inhaber des Fahrradhauses, die bisher kaum negative Erfahrungen mit dem Standort Altländer Straße gemacht haben. Und es gibt Unternehmer wie Helmut Dede, die sich hier an ganz andere, unsichere Zeiten erinnern.

Für ihn gilt die Nähe zum "Altländer Viertel" als problematisch. Der Stadtteil ist, wie die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergab, der Spitzenreiter der Negativ-Rekorde: Nirgends in Stade ist die soziale Unordnung höher, in keinem anderen Stadtteil haben so viele Schüler kriminelle Freunde. Die Stigmatisierung des videoüberwachten Viertels veranlasste die Stadt Stade im Vorjahr zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie benannte viele Straßen um - mit dem Ziel, das Image des Stadtteils zu verbessern. "Vielleicht hat die schwierige wirtschaftliche Situation die soziale Lage in diesem Brennpunkt verschärft und damit auch die Zahl der Einbrüche nach oben geschraubt", sagt Dede.

Gleichwohl hat die Studie auch gezeigt, dass die subjektive Bedrohung längst nicht deckungsgleich ist mit der real existierenden Kriminalität - Beispiel Hahle. Polizeisprecher Bohmbach sieht denn auch keinen Anlass zur Hysterie. "Die Zahl der Straftaten in der Altländer Straße ist durchaus vergleichbar mit dem anderer Gewerbegebiete."

Trotzdem scheuen sich betroffene Unternehmer, öffentlich über die Situation an der Altländer Straße zu sprechen. Viele haben Angst, dadurch erst Recht in das Visier der Täter zu geraten. "Dann wird das hier doch nur noch schlimmer", sagt ein Unternehmer, der sich zudem ärgert, dass die Staatsanwaltschaft die meisten Verfahren bereits nach 14 Tagen wieder einstellt. Ein Mitarbeiter eines großen Discounters will nur hinter heruntergelassenem Rolltor über die "Übergriffe und ständigen Ladendiebstähle" sprechen. Ein Dritter versichert - leise, anonym und im Vertrauen -, dass das Viertel sicherer werden könnte, würde die Polizei öfter einen Peterwagen vorbeischicken. Und die Mitarbeiterin einer Spielhalle schweigt - aus ermittlungstaktischen Gründen.

Sprechen über die Probleme an der Altländer Straße will aber Anita Keck, die seit fünf Jahren in der Empire-Videothek arbeitet. Über die Minderjährigen, die in der Videothek Randale machen und die darauf pfeifen, dass an der Tür steht: Zutritt unter 18 Jahren verboten. Immer wieder würden Schaufensterscheiben eingeschmissen. Erst vor zwei Wochen stiegen Diebe in die Videothek ein, stahlen zwei Spielkonsolen und Bargeld. Einige Mitarbeiter hätten inzwischen Angst. "Die Polizei könnte hier präsenter sein. Wir sind abends oft alleine hier", sagt Anita Keck.

Die Brüder Jan und Dirk Busse, Chefs des Ford-Autohaus "Tobaben", wollen sich über den Standort indes nicht beschweren, obgleich im März innerhalb von nur drei Wochen zwei Mal in ihre Firma eingebrochen wurde. Die Diebe stahlen unter anderem einen Computer mit wertvoller Software und 2000 Euro Bargeld. "Auch wenn das soziale Umfeld problematisch sein mag - wir hatten bislang keine größeren Probleme", sagt Jan Busse. Ganz ähnlich klingt auch Werner Leuchtenberger, Chef des BMW-Autohaus Stadac. Drei Mal schlugen Diebe hier in den vergangenen drei Monaten zu. Zwei Mal stahlen sie Reifen mitsamt teurer Felgen. Erst am vergangenen Mittwoch brachen Diebe in das Stadac-Gebäude ein. "Wir haben hier schon schlimmere Zeiten gesehen, was finanziellen Auswirkungen der Einbrüche angeht", sagt er.

Aus seiner Erfahrung seien die Täter vor allem Jugendliche oder junge Erwachsene, die, obwohl wiederholt erwischt, zu lasch oder gar nicht bestraft würden. Folge: Der Respekt vor Justiz und Polizei sinke. Leuchtenberger fordert deshalb: "Was wir brauchen, ist eine schärfere Strafverfolgung, die den Tätern die Konsequenz und die Grenzen ihres Tuns aufzeigt."