Wie ein 2000-Seelen-Ort zum Nabel der norddeutschen Vergnüglichkeit wird. Das Abendblatt war beim Aufbau des größten Pfingstfestes der Region dabei.

Neukloster

Ein Handschlag, ein Lächeln, ein prüfender Blick - dann ist alles klar. Herzlichen Glückwunsch! Der Schausteller kann seinen Platz behalten. Sein knallbuntes Kinderkarussell steht goldrichtig. Vier Meter Rettungsweg sind eingehalten. Das macht auch den Organisator ist zufrieden.

Es ist Dienstag, 15 Uhr: Traditionelle Platzvergabe beim 132. Pfingstmarkt in Neukloster. Helmuth Burfeind, Vorsitzender des ausrichtenden Heimatvereins, dreht seine Runde. Eine rote Mappe klemmt unter seinem Arm - die "Pfingstmarkt-Bibel". In ihr sind die Standorte sämtlicher Fahrgeschäfte verzeichnet. Sie ist Gesetz.

Helmuth Burfeind ist ein freundlicher Verhandlungspartner. Die Schausteller kennen und schätzen ihn. Seit 1970 macht er den Job, vergibt die Plätze für Karusselle, Schießbuden, Imbissstände. Graue Haare, hellblaues Hemd, Lederweste, Jeans - so schreitet der Cheforganisator den Platz ab. Und wenn man den 70-Jährigen bei der Arbeit beobachtet, könnte man meinen, es sei die einfachste Sache der Welt, das größte Pfingstfest Norddeutschlands zu organisieren.

Ist es aber nicht. Denn neben der Vollsperrung der Bundesstraße 73 gibt es viele weitere organisatorische Hürden. Die Zahlen sprechen Bände: 100 000 Besucher, 15 000 Quadratmeter Jahrmarkt, 130 Schausteller, drei Tage Halligalli. Und das alles in einem Ort, der nur 2000 Einwohner hat.

Der Pfingstmarkt ist eine logistische Meisterleistung, er wird generalstabsmäßig vorbereitet. "Die Planungen beginnen bereits im September", so Heinrich Schlesselmann, 2. Vorsitzender des 120 Mitglieder starken Heimatvereins. 500 Bewerbungen von Schaustellern würden den Verein jährlich erreichen, nur 130 Plätze sind zu vergeben. Logisch, dass da um die besten Plätze gebuhlt wird. Und natürlich muss auch das ein oder andere feuchte Auge beim abgewiesenen fahrenden Volk getrocknet werden. Der Pfingstmarkt ist eben beliebt.

Aber was macht das dreitägige Fest in einem kleinen Ort an der Bundesstraße 73 so attraktiv? Was ist so besonders? Helmuth Burfeind führt einen monetären Grund ins Feld: "Wir haben seit 21 Jahren die Standgebühren nicht erhöht!" Aber es gibt noch mehr Anreize, wie vom Wischhafener Schausteller Oliver Deutsch zu erfahren ist. "Es ist eine Traditionsveranstaltung. Nette Menschen, langjährige Verbundenheit - das macht den Reiz aus." Schon sein Großvater Hans und sein Vater Wolfgang bauten in Neukloster ihre Buden auf. Oliver Deutsch ist in ihre Fußstapfen getreten. "Morgens um sechs ins Büro zu gehen, wäre einfach nicht mein Ding", sagt er. Schausteller bleibt Schausteller. Seine Familie kommt seit 40 Jahren nach Neukloster.

Indes reicht die Geschichte des Marktes noch weiter zurück. Im Zuge des Eisenbahnbaus von Hamburg nach Stade mauserte sich Neukloster zum beliebten Ausflugsziel der Großstädter. Die ansässige Bäckersfrau Lühmann nutzte den damaligen Besucherstrom, um ihre Rosinenbrote an den Mann und die Frau zu bringen. Es war die Geburtsstunde des Pfingstmarktes.

Aus einer kleinen Idee wurde eine große Sause. Denn mittlerweile stößt der Markt an seine Kapazitätsgrenzen. Schausteller aus Bremen und Hamburg, aber auch aus München und Österreich "kämpfen" um die besten Plätze. "Doch die werden schon im Dezember vergeben", sagt der Cheforganisator. "Die großen Fahrgeschäfte müssen ihre Touren zeitig planen. Darum brauchen sie von uns Gewissheit." Früher habe es dagegen Schlägereien unter den Schaustellern gegeben, die Polizei musste die Platzvergaben begleiten. Heute läuft das sittlicher ab. Die meisten Geschäfte reisen eine Woche vor Marktbeginn an.

Beim Platzrundgang muss hier noch eine Treppe verschoben werden, da ist noch ein Stromkasten im Weg. Überschaubare Probleme. Derweil klopfen die Schausteller friedlich ihre Geschäfte zusammen. Meistgehörter Ton: Rummsender Hammer auf klirrendem Metall.

Dennoch soll bei so viel Friedlichkeit keine Langeweile einkehren. Nicht für die Veranstalter. Nicht für die Besucher. Deshalb thront zwar das Wahrzeichen des Marktes, das 50 Meter hohe Riesenrad, jährlich an selber Stelle. "Aber wir achten auch darauf, dass es jedes Jahr etwas Neues gibt", so Helmuth Burfeind. In diesem Jahr werden etwa das "Devil Rock" und der "Flash" für Nervenkitzel sorgen - zwei waghalsig anmutende Fahrgeschäfte, die in Neukloster Premiere feiern.

Am Ende des Rundgangs klafft nur noch eine sechs Meter breite Lücke im Marktambiente. "Käse! Hier brauchen wir einen Käsestand", sagt Helmuth Burfeind. Und es ist davon auszugehen, dass auch dieser Makel bis Sonnabend behoben sein wird. Denn einen freien Platz gab es beim Pfingstmarkt schon lange nicht mehr.