Seit wenigen Tagen gibt es die neue Verbindung. Die ersten Fluggäste kommen um 8.30 Uhr an und parken - fünf Meter neben der Landebahn. Das Hamburger Abendblatt ist mitgeflogen.

Stade/Helgoland. Keine Wartehalle, kein Check-In-Schalter, kein Gepäckband. Nichts. Noch nicht einmal Bodenpersonal. Stattdessen führen Spaziergänger auf der Landebahn ihre Hunde aus. Fahrradfahrer kreuzen das Feld. Vögel zwitschern. Gäbe es hier keine Flug- und Landebahn, würde hier niemand einen Flugplatz vermuten. Von Flugzeugen weit und breit nichts zu sehen. Es ist 8.30 Uhr. In einer halben Stunde soll es losgehen. Dann fliegt Air Hamburg eine achtköpfige Reisegruppe nach Helgoland. Die ersten Fluggäste kommen an und parken - fünf Meter neben der Landebahn.

Plötzlich knattert etwas in der Luft. Da ist sie, die Britten-Norman-Islander, kommt ganz geschmeidig eingeflogen. Kleines Flugzeug. Große Angst. "Büschen Bammel habe ich schon", sagt Doris Sonder (58) aus Stade. "Wieso? Der Pilot will ja auch wieder runter", sagt ihre Mutter Annalotte Huntenborg. Der Flug ist ein Geschenk zum 80. Geburtstag der Frau. Doris Sonders Sohn Christoph (27) will auch mit an Bord.

Pilot Sven Ziemann aus Wedel stoppt seine Propellermaschine und begrüßt die Gäste per Handschlag. Der Mann mit dem kurzärmligen weißen Oberhemd und den Streifen auf der Schulter geht die Liste mit den Namen der Gäste durch, stellt fest, dass noch zwei fehlen und sagt, das sei selbst kurz vor Abflug kein Problem. "Das ist ja das Schöne. Wir sind flexibel."

Inzwischen ist der "Flug-Leiter" eingetrudelt. Ernst-Peter Schradieck aus Stade erkundigt sich, ob alles glatt ging beim Einfliegen. Er tritt in das kleine rote Häuschen neben der Landebahn ein. Dort hängen und liegen viele Listen - Flugleiterliste, Liste von Flugzeugen, die in Stade stationiert sind und ein Ordner mit einer Liste, in der handschriftlich der Name des Piloten sowie die Start- und Landezeit eingetragen wird.

9.15 Uhr: Das fehlende Ehepaar ist da. Es kann losgehen. Das Prozedere gleicht einer Autofahrt. Hinten kommt das Gepäck rein. Die Vordersitze nach vorne geklappt. Rechts und links einsteigen. Getränke gibt es nicht. Eine Stewardess hätte ohnehin keinen Platz, sie zu reichen. Denn ein Mittelgang existiert nicht. Eine Gruppe Männer mit orangefarbenen T-Shirts aus dem Rheinland, die gleich mit anderen Fliegern abheben wollen, tummelt sich plötzlich auf dem Flugplatz. Sie nutzen die Gelegenheit und spielen mit der Flugangst der Gäste. Einer der Männer lehnt lässig an der Tür, schaut die Räder an und sagt ganz nebenbei: "Da ist doch gar keine Luft drauf." Ein anderer berichtet von Rettungsfallschirmen in ihren eigenen Fliegern, die sie im Falle eines Falles sicher nach unten brächten. So einen Schirm gibt es in der Britten-Norman-Islander nicht. Das wissen die Fluggäste. "Der Mann soll weggehen", sagt Anke Ringleben (66) aus Stade, die schon neben ihrem Mann Johannes (72) in der mittleren Reihe Platz genommen hat.

"Wenn irgendetwas ist, auf die Schulter des Vordermannes klopfen und der gibt es dann weiter an meine Schulter", sagt Pilot Ziemann, steigt ein und drückt routiniert sämtliche Knöpfe und Hebel im Cockpit. "... Berta, Eco, Delta auf dem Weg nach Helgoland" murmelt er ins Mikro seines Kopfhörers. "Kein Flugbetrieb. Guten Flug. Bis heute Abend", kommt es vom Flugleiter Schradieck zurück. Ziemann tritt aufs Gas. Die Maschine röhrt, die Sitze ruckeln. Ziemann zieht das Lenkrad zu sich heran und Sekunden später ist die Islander tatsächlich in der Luft und nimmt Kurs auf Cuxhaven. Über die Nordsee und die Insel Neuwerk geht es nach Helgoland.

Unten bilden die Wiesen und Ackerflächen einen braun-grünen Flickenteppich. Häuser in Monopoly-Form. Schafe so klein wie Playmobil. Die Nordsee glitzert wie eine blau-silberne Raufasertapete. Die Strömung an den Sandbänken in der Nordsee zeichnet ein interessantes Muster - als hätte jemand mit einem feinen Pinselstrich ins Meer gemalt. Bestes Flugwetter.

10.10 Uhr: Nur noch fünf Minuten bis Helgoland. "Die Fähre von der Düne zur Hauptinsel geht erst um 10.30 Uhr", sagt Ziemann und entscheidet sich kurzerhand für einen Rundkurs, um den Gästen das Insel-Wahrzeichen, die "Lange Anna", aus der Luft zu zeigen. Kurz die Lotsen über Flug informiert: Okay.

Dann wieder Kurs auf die Düne, zum Flugplatz von Helgoland. "Bei starkem Wind ist es wegen der kurzen Landebahn eine Herausforderung, auf Helgoland zu landen", sagt Ziemann. An diesem Tag ist es ein Kinderspiel. Angesteuert. Nase runter. Unten. "Überlebt", sagt Ziemann und grinst. "Um 18 Uhr geht es wieder zurück."

Alle sind sich einig: Es war ein atemberaubender Flug. "Schön." "Herrlich." "Tolle Sicht aufs Wattenmeer." Aber Ziemann weiß seine Gäste noch mehr zu beeindrucken. Er spielt Taxifahrer. Denn die 80-Jährige Annalotte Huntenborg geht an Krücken, und er will ihr den Weg vom Flugzeug zum Taxi nicht zu Fuß zumuten. Der Pilot schnappt sich einen Gepäckwagen, Stuhl rauf, Oma rauf und schwups bis zur Halle gefahren. Enkel Christoph fotografiert das ganz genüsslich. Bei allen Fluggästen steht Entspannung auf dem Programm. "Ich möchte die Seele baumeln lassen", sagt Erich Franz (61) aus Kutenholz. "Einfach mal aus Stade raus", sagt Doris Sonder. Auf einem der Börteboote geht es zur Hauptinsel. Dort nutzen die Gäste die Zeit zum Spaziergang, entspannen, essen, einkaufen.

Kurz vor 18 Uhr versammeln sich alle wieder auf dem Flugplatz. Von Angst keine Spur mehr. Plappernd verstauen die Besucher ihr Gepäck. Für den Rückflug hat Ziemann noch ein Bonbon parat. Er lässt sich genau erklären, wo, wer wohnt und gewährt einen (Luft-) Blick auf das Dach von Ehepaar Hesper, das ebenfalls mit an Bord ist. Ihr Haus liegt in Himmelpforten. Bernhard und Doris Hesper strahlen. "Danke." Dann geht's zurück auf den Stader Flugplatz. Landung: sanft. Und jede Menge Applaus für den Piloten.