Bis zum Jahr 2013 soll jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz bekommen. So sieht es das Kinderförderungsgesetz vor, das die Bundesregierung beschlossen hat. Die Buxtehuder Stadtverwaltung plant deshalb, in den nächsten vier Jahren 100 neue Plätze in Kindertagesstätten und etwa 50 bei Tagesmüttern und -vätern zu schaffen.

Stade/Buxtehude. In dieser Woche wird es ernst. Die Erzieher streiken. Zwar bleibe heute noch alles beim Alten, sagt Erika Czerny-Gewalt, Gewerkschaftssekretärin der Ver.di-Geschäftsstelle in Stade. Aber sie geht davon aus, dass die städtischen Kindertagesstätten danach mindestens für drei Tage lahm gelegt werden. Mit dem Arbeitskampf will die Gewerkschaft Ver.di wie berichtet einen tariflich geregelten Gesundheitsschutz durchsetzen. Gerade jetzt sei es wichtig, den Erziehern bessere Arbeitsbedingungen zu bieten, sagt Czerny-Gewalt. Sonst entschieden sich immer weniger junge Leute für den Beruf. "Und dann bekommen wir ein Nachwuchsproblem."

Denn in den nächsten Jahren werden mehr Erzieher denn je gebraucht. Bis 2013 soll jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz bekommen. So sieht es das Kinderförderungsgesetz vor, das die Bundesregierung beschlossen hat. Die Buxtehuder Stadtverwaltung plant deshalb, in den nächsten vier Jahren 100 neue Plätze in Kindertagesstätten und etwa 50 bei Tagesmüttern und -vätern zu schaffen. Ähnlich viele neue Betreuungsplätze müssen in Stade entstehen, um bis 2013 insgesamt 285 Kinder unter drei Jahren in Betreuungseinrichtungen unterbringen zu können. Das bedeutet: Allein in Stade und Buxtehude werden rund 30 neue Erzieher gebraucht. Doch der Bewerberstrom dünnt schon jetzt aus. "Vor fünf Jahren konnten wir uns bei einer Stellenausschreibung vor Zusendungen nicht retten", sagt Dirk Kraska, Stades Erster Stadtrat. Diese Zeiten seien aber inzwischen vorbei.

Die geringe Bezahlung der Erzieher mache es zunehmend schwieriger, junge Leute für den Beruf zu begeistern, ist Buxtehudes Jugendamtsleiterin Andrea Lange-Reichardt überzeugt. "Das Gehalt ist viel zu gering für das, was die Erzieher leisten." Ein Berufsanfänger verdient netto etwa 1200 Euro. Seit einigen Jahren müssen die Erzieher zudem immer mehr leisten. Seitdem die Wissenschaft erkannt habe, wie wichtig die frühkindliche Bildung sei, verlangten auch die Eltern mehr, sagt Lange-Reichardt. So wünschten sich die Eltern, dass die Erzieher die Kleinen bilden, ihre Sprache fördern und sie außerdem erziehen.

"Es geht heute ja nicht mehr darum, ein paar Stunden mit den Kindern zu spielen", betont Marion Groß, Leiterin des Dietrich-Bonhoeffer-Kindergartens in Buxtehude, die seit neun Jahren als Erzieherin tätig ist. Darum sei es so wichtig, hoch qualifiziertes Personal zu beschäftigen. "Wir wollen ja nicht jeden nehmen." Selbst die Ausstattung für Krippenkinder sei eine Herausforderung. Vom Sommer an nimmt der evangelisch-lutherische Kindergarten zum ersten Mal fünf Krippenkinder auf. Dafür müssen niedrigere Waschbecken und Toiletten her und völlig andere Spielsachen. "Wir wollen und müssen jedem einzelnen Kind gerecht werden", sagt Groß.

Auch die Mitarbeiter der städtischen Kindertagesstätte Rotkäppchenweg in Buxtehude stellen sich schon gedanklich darauf ein, sich demnächst auch um die ganz Kleinen zu kümmern. In drei Jahren sollen dort zwischen 15 und 20 Krippenplätze entstehen. Allerdings wird keine neue Gruppe aufgemacht, sondern die Kleinen werden in den vorhandenen Gruppen integriert. Neues Personal muss die Kita also nicht unbedingt einstellen. Für Reese und ihr Team heißt das, dass sie sich in Fortbildungen erst mal damit auseinander setzen müssen, was Kinder unter drei Jahren brauchen und wie sie lernen. "Da wird uns graue Theorie beigebracht", sagt Reese. "Wir können in keine Krippeneinrichtung schnuppern." Doch Reese ist zuversichtlich, dass die Erzieher die neuen Aufgaben meistern. "Wir sind alle im Alter von mit Mitte, Ende 20 angefangen und sind ein stark zusammengewachsenes, engagiertes Team", sagt sie. Allerdings bezweifelt sie, dass die Angestellten den Job locker bis zur Rente machen könnten. "Je älter wir werden, desto empfindlicher reagieren wir auf Lärm, den die Kindern nun einmal machen."

Doch künftig werden sich die Erzieher nun einmal noch mehr um kleinere Kinderkümmern müssen, sie wickeln und füttern. Die psychische und körperliche Belastung steigt für die Mitarbeiter in den Kitas, wenn die zusätzlichen Krippenplätze in den nächsten Jahren geschaffen werden. Das ist auch einer der Gründe für den Arbeitskampf in den Kitas, der sich in der nächsten Woche stark ausweiten soll.

"Viele Mitarbeiter tragen Hörschäden vom dauerhaften Lärmpegel davon und haben massive Bandscheibenprobleme vom Tragen der Kinder", sagt Erika Czerny-Gewalt, Gewerkschaftssekretärin der Stader Ver.di-Geschäftsstelle. Mit dem betrieblichen Gesundheitsschutz, den die Gewerkschaft fordert, soll die Arbeitsbelastung der Erzieher minimiert werden. Wenn es nach Ver.di geht, soll der Arbeitsplatz eines Erziehers jedes Jahr unter die Lupe genommen wird.

Leidet der Mitarbeiter unter zu hoher Belastung, soll eine betriebliche Kommission erarbeiten, was gegen die schlechten Arbeitsbedingungen unternommen werden kann. Das kann Lärmdämmung sein, aber auch Gymnastik für Menschen mit Bandscheibenproblemen. Grundsätzlich gehe es Czerny-Gewalt darum, dass die Arbeit der Erzieher aufgewertet wird. Sirke Reese, stellvertretende Leiterin des "Kindergartens Rotkäppchenweg" bringt es auf den Punkt: "Der Beruf macht wirklich Spaß, wir bekommen aber wenig Anerkennung."