100 Kritiker zeigten gestern vor dem Stadeum Flagge gegen das Ausbaggern der Fahrrinne.

Stade

Eine scheinbar endlose Trecker-Kolonne wälzte sich gestern durch die Straßen von Stade. Ihr Ziel: das Stadeum, wo gestern die Anhörung zur geplanten Elbvertiefung begann. Zuvor demonstrierten rund 100 Elbvertiefungskritiker, überwiegend Obstbauern aus dem Kehdinger Raum und dem Alten Land, gegen das aus ihrer Sicht grundfalsche Großprojekt.

In einer kämpferischen Rede appellierte Walter Rademacher an die Demonstranten, in ihrem Widerstand nicht nachzulassen. "Geben Sie nicht auf", sagte der Sprecher des regionalen Bündnisses gegen die Elbvertiefung. "Wir haben noch immer die Chance, die Elbvertiefung zu verhindern. Eine gewisse Ermüdung sollte nicht mit wachsender Akzeptanz verwechselt werden."

Viele Demonstranten schwenkten Plakate und Transparente, auf denen in großen Lettern prangte: "Keine Elbvertiefung. Wir wehren uns." In die Phalanx der Kritiker hatte sich auch Marlies Hauschildt eingereiht. Sie wohnt in Grünendeich, nur rund 250 Meter hinterm Deich. "Ich hoffe, dass unsere Einwendungen ernst genommen werden", sagt sie.

Rund 7000 Einwendungen liegen gegen die geplante Vertiefung der Elbe auf 15 Meter vor. Voraussichtlich noch bis Freitag sollen beim Erörterungsterminen in Stade vor allem private Einwender sowie Segel- und Umweltverbände zu Wort kommen.

Ob es etwas bringt? Marlies Hauschildt ist skeptisch. Schon beim vergangenen Erörterungstermin in Cuxhaven seien die Planer Antworten auf wichtige Fragen schuldig geblieben. Sie erlebe schon jetzt, fast täglich, wie die "ganz dicken Pötte mit 300 Metern Länge" quasi vor ihrer Haustür über die Elbe fahren - obgleich der Fluss noch gar nicht die erforderliche Tiefe habe, sagt sie. "Die Schiffswellen zerstören die Deiche, der Druck auf das Uferbefestigungswerk steigt. Und mit dem zunehmenden Schiffsverkehr erhöht sich auch die Gefahr von Havarien." Schon jetzt, vor der nächsten Elbvertiefung, genügten "drei Stunden Wind und das Wasser steht hinterm Deich. Das war vor zehn Jahren noch nicht so."

Ähnlich sehen das auch viele Obstbauern. Sie sehen zudem ihre wirtschaftliche Existenz durch die Fahrrinnen-Anpassung bedroht. "Infolge der Vertiefung, vor allem bei Niedrigwasser im Sommer, versalzt die Elbe mehr und mehr. Dass das unsere Pflanzen nicht ertragen, dürfte jedem einleuchten", sagt Obstbauer Frank Stechmann. "Die zu erwartenden Ertragsausfälle könnten viele Bauern in den Ruin treiben." Zudem steige durch die höhere Fließgeschwindigkeit der Elbe das Risiko von Sturmfluten und Deichdurchbrüchen deutlich - jedoch seien Sturmflutschäden nicht versicherbar. "Wir verlangen eine politische Garantie der Deichsicherheit", sagt Stechmann.

Auf der Bühne geißelte Hartwig Quast vom Obstbauversuchsring die vorangegangenen sieben Elbvertiefungen als eine Serie von Fehlschlägen. Dabei seien die Folgen eines weiteren Eingriffs in das Fluss-Regime unberechenbar. "Die Elbe lässt sich nicht unbegrenzt unseren Willen aufzwingen."

Walter Rademacher betonte, die Politik habe sich unglaubwürdig gemacht, nachdem sie im Jahr 2000 ein Ende der Elbvertiefungen angekündigt habe. "Doch noch während der letzten Elbvertiefung wurde schon die nächste angekündigt." Zudem sei es alarmierend, dass die Planer in Cuxhaven keine Stellung zu den Sturmflutwasserständen und zur Wirkung der Schiffswellen auf die Deiche bezogen hätten. "Jetzt will man uns Glauben machen: Alles steigt, die Zahl der Arbeitsplätze, der Schiffsverkehr - nur das Risiko für uns nicht", sagte Rademacher. "Doch unsere Ängste sind berechtigt, die niedersächsische Politik sollte sie ernst nehmen."

Eine Ansicht, die Beate Adler, Bundestagskandidatin der Grünen für den Wahlkreis Cuxhaven-Stade II, teilt. Wie üblich bei öffentlichen Veranstaltungen hatte sie auch zur Demo ihr Huhn Felix mitgebracht. "Mein Huhn kommentiert die Weltlage", sagte sie lächelnd und dann mit ernster Stimme: "Aber die Elbvertiefung ist wirklich der totale Wahnsinn."