Die Wehren wollen jetzt ungewohnte Wege beschreiten, um mehr Frauen als Mitglieder zu gewinnen.

Stade/Buxtehude. Den Feuerwehren im Kreis Stade gehen immer mehr Mitglieder von der Fahne. Schon jetzt ist es um die Tagesverfügbarkeit der Aktiven in einigen Gemeinden schlecht bestellt. Die Zeiten, in denen die Feuerwehr aus einem üppigen Personal-Reservoir schöpfen konnte, scheinen endgültig Geschichte zu sein. "Wenn wir weiter in so einem Umfang Mitglieder verlieren, steht die Existenz kleinerer Ortswehren auf dem Spiel", sagt Kreisbrandmeister Gerhard Moldenhauer.

In einigen Jahren könnte der Mitgliedermangel voll durchschlagen. Moldenhauer prognostiziert für die kommenden zehn Jahre einen 30-prozentigen Schwund bei den Aktiven, vor allem im Nachwuchs-Bereich. Schon seit zwei Jahren würden keine Jugendfeuerwehren mehr gegründet - davor waren es zwei bis drei pro Jahr. "Das liegt am Geburtenknick vor gut zehn Jahren", sagt Moldenhauer. "Deshalb rücken immer weniger junge Leute nach. Ich sehe erhebliche Probleme auf die Wehren im Landkreis zukommen."

Da scheint es wenig tröstlich, dass die Stader mit ihren Nachwuchsproblemen keinesfalls allein da stehen. Durchschnittlich 20 Prozent ihrer Mitglieder verloren die deutschen Wehren in den vergangenen Jahren. Kreisweit sank die Zahl der Aktiven in den Jugendfeuerwehren um 47 auf nur noch 569 - allein von 2007 auf 2008. Nur 1600 Kameraden sind unter 35 Jahre alt. Demgegenüber stehen 2125 Aktive zwischen 35 und 62 Jahren. Und von den 700 Feuerwehrleute, die über 50 Jahre alt sind, treten in absehbarer Zeit viele in den Ruhestand. Ein Versuch der Stader Wehren, die Personallücke durch die Heraufsetzung der Altersgrenze für Feuerwehrleute von 62 auf 67 Jahre zu stopfen, scheiterte am Veto des Landesfeuerwehrverbandes. Doch Moldenhauer will nicht locker lassen. "Die Älteren müssten ja nicht mehr mit Atemschutz einen Brand bekämpfen, könnten aber zum Beispiel die Schlauch- oder Funkaufsicht übernehmen."

Schließlich können man es sich nicht leisten, auf Kollegen zu verzichten. Schon jetzt arbeiten einige Ortswehren wie Estebrügge am untersten personellen Limit, obgleich bereits vor fünf Jahren die Mindeststärke der Ortsfeuerwehren von 23 auf 18 Personen heruntergesetzt wurde. Nach unten sei nun keine Luft mehr, sagt Moldenhauer. In einigen kleinen Wachen seien an Werktagen nur zwei oder drei Aktive tagsüber verfügbar, die anderen seien berufstätig. Damit trotzdem genug Kameraden mit anpacken, würden bei einem Einsatz die Nachbarwehren gleich mit alarmiert. "Das System funktioniert", sagt Moldenhauer. "Noch. Doch wenn die Bevölkerung steigt und sich mehr Gewerbe ansiedelt, benötigen wir mehr Geräte und Aktive."

Um frisches Blut in den maladen Personal-Kreislauf zu pumpen, will die Feuerwehr nun neue Wege beschreiten. Im Fokus: Frauen, Neubürger, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Vorstellbar sei etwa, dass Frauen bei Einsätzen ihre Kinder mit zum Gerätehaus bringen. "Eine Frau könnte dann die Aufsicht übernehmen, der Rest fährt mit zum Einsatz." Viel verspricht sich die Feuerwehr auch von der geplanten Kinderfeuerwehr. In Niedersachsen gibt es bereits 162 mit rund 2500 Mitgliedern. Kreisjugendwart Jürgen Froböse steht bei den Verhandlungen mit den Gemeinden vor einem Durchbruch. "Ich hoffe, dass wir im Herbst starten können."

Doch die Konkurrenz ist hart. Etliche Vereine buhlen um Mitglieder - wer für Qualität bürgt, hat die besseren Karten. "Ein neues Mitglied ist schwer zu motivieren, wenn es sich einer mehr als 30 Jahre alten Technik und unzumutbaren sanitären Einrichtungen gegenübersieht", so Moldenhauer. Zustände wie in Beckdorf, wo im Aufenthaltsraum Schimmel-Flecken die Wände sprenkeln, taugten kaum zur Mitgliedswerbung. Ganz anders in Lüneburg: Dort wohnen Feuerwehrleute in einer Wohnanlage neben der Wache zu vergünstigten Mieten. Das schlimmste Szenario wäre die Gründung einer Pflichtfeuerwehr, bei der Männer und Frauen durch die Gemeinden zum Brandschutz herangezogen werden könnten. Moldenhauer: "Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt."