Am Freitag sagten zwei Polizisten als Zeugen aus. Ein Beamter gab zu Protokoll, der Angeklagte habe die Tat gestanden.

Stade

Der entscheidende Hinweis zur Ergreifung des mutmaßlichen Discomörders Timmi L. kam von seinem Halbbruder. Das sagte der als Zeuge geladene Polizeibeamte Heiko M. gestern vor dem Landgericht Stade aus. Er und sein Kollege Helmut K. berichteten am zweiten Verhandlungstag des Discomord-Prozesses, wie sie Timmi L. am 19. November 2008 gefasst und vernommen haben. "Sein Halbbruder rief an, sagte, dass die Personenbeschreibung auf ihn passen würde", so Heiko M.

Wie berichtet, wirft die Anklage dem 27-jährigen Mann aus Hamelwörden vor, er habe die 21-jährige Studentin Kristin K. am frühen Morgen des 16. November 2008 nahe der Buxtehuder Diskothek "Garage" vergewaltigt und ermordet. Unter anderem soll er ihr zwei Rippen, ein Schulterblatt und das Jochbein gebrochen haben, bevor er sie mit dem Riemen einer Handtasche erdrosselte.

Am 19. November, dem 27. Geburtstag von Timmi L., treffen Heiko M. und Helmut K. den mutmaßlichen Mörder vor dem Wohnhaus seiner Eltern in Hamelwörden an. Nach Angaben der Beamten ist Timmi L. nicht im mindesten geschockt, als sie ihm mitteilen, dass er unter Mordverdacht steht. Sofort fallen ihnen Kratzspuren an seinen Händen und im Gesicht auf. "Das sah für uns aus wie Abwehrverletzungen", sagt Helmut K.

In der Tasche haben sie einen Durchsuchungsbeschluss. Weitere Polizisten warten wenige Meter vom Haus entfernt, um im Notfall eingreifen zu können. Timmi L. ist dringend tatverdächtig. Eine Zeugin habe den Ermittlern zudem von L.s Vorliebe für Analsex erzählt, den er auch bei Kristin K. vollzogen haben soll. Die Beamten wollen ihn zunächst zu zweit aufsuchen - "um zu verhindern, dass er bei einem nahenden Großaufgebot abhaut", sagt Helmut K.

Sie begleiten Timmi L. in ein neun Quadratmeter großes Zimmer, das er sich mit seinem Bruder teilt. Seine Matratze liegt unter dem Bett - erst im Sommer war er wieder zu seinen Eltern gezogen, nachdem seine Hundeschule in Neu Wulmstorf pleite gegangen war. "Wir fragten ihn, wo die Tatbekleidung ist. Da öffnete er seinen Kleiderschrank", sagt Heiko M.

Immer wieder fragt der Vorsitzende Richter nach dem Gemütszustand des Angeklagten. "Unauffällig, normal", sagen die Beamten. Ruhig während der Fahrt von Hamelwörden zur Stader Polizeiinspektion, "gefasst-sachlich" während der Vernehmung, "ausgeschlafen", nachdem er die Nacht in Polizeigewahrsam verbracht hatte. "Er zeigte überhaupt keine Ausfallerscheinungen, weinte nicht", so Heiko M. Schon während der Fahrt nach Stade soll Timmi L. "bis zu einem bestimmten Punkt" über die grausige Tat gesprochen haben. "Es schien ihn zu erleichtern", sagt Helmut K. "Er plauderte frei von der Leber weg."

Von 17.28 Uhr bis 20 Uhr dauert die erste Vernehmung im Raum des Erkennungsdienstes. Der 27-Jährige habe weiter "völlig normal" gewirkt, sagt Heiko M. Um 22.40 Uhr vernehmen sie Timmi L. ein zweites Mal - da soll der entscheidende Satz gefallen sein. "Er gestand die Tat ein", sagt Heiko M.

Doch einige Ungereimtheiten bleiben. Während der Vernehmung, das sagte Gerichtssprecher Björn Kaufert bereits beim Prozessauftakt am Dienstag, soll Timmi L. auch angegeben haben, dass er zunächst "einvernehmlich Sex" mit der Studentin, dann aber einen "Filmriss" gehabt habe. Hat Timmi L. also lediglich zugegeben, für den Tod von Kristin K. verantwortlich zu sein? Oder hat er darüber hinaus eingestanden, die Vergewaltigung erst durch ihren Tod ermöglicht zu haben? Das wäre dann ein Mordmerkmal.

Den Mordvorwurf der Staatsanwalt zu entkräften - das ist das Ziel der Verteidigung von Timmi L. sein. Kein Wunder also, dass sein Anwalt Rainer Kattau gestern beantragte, die seinen Mandanten möglicherweise schwer belastenden Vernehmungsprotokolle als nicht verwertbar zu disqualifizieren - um so die Chance auf eine Verurteilung wegen Totschlags zu erhöhen. Kattau argumentiert, die Polizisten hätten unter anderem ihre Belehrungspflicht verletzt und es Timmi L. nicht ermöglicht, sofort einen Anwalt zu konsultieren. Jedoch gaben die beiden Beamten vor Gericht an, sie hätten ihn mehrfach ordentlich über seine Rechte aufgeklärt. Nach der zweiten Vernehmung, die um 22.50 Uhr endete, hätten sie in Übereinkunft mit dem Angeklagten beschlossen, dass sein Anwalt erst am Morgen des nächsten Tages verständigt wird, da es für einen Anruf ohnehin zu spät sei.

Zum Inhalt der Vernehmung werden sich die Beamten am Donnerstag äußern. Bereits am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.