Vier Millionen Deutsche leiden unter nächtlichen Atemaussetzern - einer Schlafapnoe. Peter Klein ist einer von ihnen.

Peter Klein erinnert sich genau, wie er eines Morgens aufwachte und dachte: Jetzt musst du etwas tun. Das war vor 15 Jahren. Er fühlte sich noch kaputter als sonst, aber eigentlich war er immer müde, schon direkt nach dem Aufstehen. Klein ging zu einem Arzt, der ihm Vitamine spritzte. Es war ein Anfang. "Doch es half nichts, ich war noch immer ständig müde", sagt der 68-Jährige.

Er nickte tagsüber ein, auch während der Arbeit im Hamburger Hafen, wo er als Tallyman Schiffe abfertigte. Einfach so. Einmal fiel er auf dem Heimweg am Steuer seines Autos in den Sekundenschlaf, und er rollte auf eine Bushaltestelle zu. Er wachte auf, als er sein Fahrzeug über den Kantstein setzte. Die Wartenden beschimpften ihn: "Du verdammter Alkoholiker."

Peter Klein war nie Alkoholiker. Er war übergewichtig und schnarchte, wie Millionen andere Deutsche auch. Klein wusste, dass er gesünder leben musste.

Aber er wusste nicht, dass es schon zu spät war und er unter einer Schlafapnoe litt. Dass ihn diese Krankheit anfällig für Herzinfarkt und Schlaganfall machte. Er wusste nicht, dass seine Atmung im Schlaf bis zu zwei Minuten aussetzte und dass sein Blut - ein katastrophaler Wert - nur zu 60 Prozent mit Sauerstoff gesättigt war. Dass alles erfuhr er erst, nachdem Ärzte 1996 endlich die richtige Diagnose gestellt und ihn ins Schlaflabor geschickt hatten. Dort protokollierten sie jeden einzelnen Atemaussetzer. "Ich habe in sechs Stunden Schlaf insgesamt zwei Stunden nicht geatmet", sagt Klein. Die Diagnose: hochgradige Schlafapnoe. Klein bekam Panik. Gleich am nächsten Tag schlossen sie ihn an eine Nasenmaske an, die er heute jede Nacht benutzt. "Danach war ich ausgeruht. Ich hätte zum ersten Mal seit Jahren wieder Bäume ausreißen können", sagt er.

Rund vier Millionen Deutsche, doppelt so viele Männer wie Frauen, leben und leiden nach Angaben des Bundesverbandes Gemeinnützige Selbsthilfe Schlafapnoe Deutschland (GSD) mit dem Feind im Bett. Meist sind es die Partner, die die irritierenden Atemaussetzer zuerst registrieren. So war es auch bei Klein.

Er sitzt in der Küche seines Grünendeichener Wohnhauses, ein lebenslustiger Rentner, der gern im Garten arbeitet. Doch der erste Eindruck trügt: Die typischen Begleiterkrankungen Bluthochdruck und Diabetes machen ihm zu schaffen - so wie vielen anderen in der Stader Selbsthilfegruppe Schlafapnoe auch, die er seit einigen Jahren leitet.

Die Apnoe ist wie ein Vampir. Sie stiehlt ihren Opfern Energie, zermürbt sie auf Raten. Im Schlaf, wenn der Körper Kraft sammelt, verhindern die Atemaussetzer das Erreichen der Tiefschlafphase. Deshalb sind die Betroffenen ständig abgeschlagen und stehen oft im gesellschaftlichen Abseits. Mitte 1996 legte sein Arbeitgeber Peter Klein nahe, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Auch die Verwandten wunderten sich auf Familienfeiern über den Immermüden.

Die Apnoe trifft vor allem übergewichtige Menschen. Bei ihnen erschlafft die Schlundmuskulatur im Schlaf, die Atemwege verengen sich. Nach einigen Sekunden oder Minuten schreckt der Körper durch den Sauerstoffmangel reflexartig hoch. Das wiederholt sich die ganze Nacht, ohne dass Apnoiker etwas davon mitbekommen - eine Endlosschleife außer Kontrolle geratener Körperfunktionen: Einschlafen, Aufschrecken, Atmen, Einschlafen.

Bei Berufskraftfahrern kann die Tagesmüdigkeit fatale Folgen haben. Fallen sie in den Sekundenschlaf, kann ein steuerloser Mehrtonner zum tödlichen Geschoss werden. Vor zwei Jahren wurde deshalb die Fahrerlaubnisverordnung geändert: Lkw-, Bus- und Taxifahrer müssen sich auf Schlafapnoe testen lassen.

Bei moderaten Verlaufsformen hilft es Betroffenen schon, ihr Gewicht zu reduzieren. In seltenen Fällen lindert eine Operation die Symptome. Bei schwer Erkrankten wie Peter Klein hilft nur noch ein "nCPAP"-Gerät (nasal continuous positive airway pressure).

Jede Nacht muss er deshalb eine Nasenmaske aufziehen - genauso wie seine Frau Elke (65). Vor vier Jahren war es Klein, der seiner Frau sagte: "Du atmest nachts nicht." Jetzt stehen die Geräte an beiden Seiten des Doppelbetts. Der nCPAP bläst Luft mit einem Druck von mindestens acht Hektopascal in ihre Lungen, sieht aus wie eine Schuhschachtel und klingt im Betrieb wie Meeresrauschen.

Es gab Tage, da hat Peter Klein sein Leben verflucht. Er musste funktionieren, im Job und zu Hause, obgleich sein Körper immer kurz vorm Kollaps stand. Ohne das Gerät könnte er genauso gut versuchen, neben einem startenden Düsenjet zu schlafen, das hätte den gleichen Erholungswert. Doch die Technik hält den Feind auf Distanz, und Klein schlummert selig. Der Atemschlauch und das Rauschen stören ihn nicht einmal. Was wäre die Alternative? Ein Schlaf, der dauermüde macht.