Die Künstler Martin Städeli und Oliver Flössel zeigen gemeinsam mehr als 120 Werke - obwohl sie sich vor ihrer Ausstellung nicht kannten.

Stade. Sie sind so ungleich, wie man sich es nur denken kann: Martin Städeli und Oliver Flössel. Der eine ein eher ruhigerer Geselle, der andere redet wie ein Wasserfall. Der eine mit Jeansjacke und Kurzhaarschnitt, der andere mit Sakko und wildem Wellenhaar. Der eine malt, der andere arbeitet mit Pappmaché. Der eine spricht Hochdeutsch, der andere hat - seiner Geburt in der Schweiz ist es geschuldet - einen deutlichen Akzent. Dennoch gehören die beiden Künstler zusammen. Wieso, das verrät ein Blick in das Kunsthaus Stade. Dort stellen beide Künstler erstmals gemeinsam aus.

Der 1977 in Bad Kreuznach geborene Flössel lebt, ebenso wie der 1962 in Basel geborene Städeli, in Berlin. Und beide wurden dem Kunsthaus Stade von der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) empfohlen. "Es war ein wenig ein Zufall, dass wir gerade auf die beiden gestoßen sind", erzählt Andreas Schäfer, Fachbereichsleiter bei der Stadt Stade. Gemeinsam mit Museumsdirektor Sebastian Möllers war er in Berlin unterwegs, um zu sehen, was der derzeitige Kunstmarkt zu bieten hat und welche Künstler ganz gut in das Ausstellungskonzept des Stader Kunsthauses passen.

"Uns wurde von der CFA zuerst Martin Städeli empfohlen. Also stiegen wir in ein Taxi und fuhren unter Zeitdruck in die Galerie, bevor sie zumachte. Dort sahen wir dann Städelis Werke. Sie passten sehr gut", erzählt Schäfer. Der Schweizer war so gut wie gebucht. "Aber wir spürten, wir brauchen noch einen Gegenpol", erzählt Schäfer. Also fuhren Schäfer und Möllers nochmals nach Berlin, ließen sich erneut beraten. Die CFA schlug diesmal den beiden Kunstkennern den deutlich jüngeren Künstler Oliver Flössel vor - die beiden Stader waren überzeugt, dass das passen könnte.

Flössel und Städeli kannten sich bisher nicht. Möllers und Schäfer brachten die beiden aber zusammen, gemeinsam wurde besprochen, was in Stade gemacht werden konnte. "Sie sagten uns recht bald, dass eine Kooperation der beiden gut funktionieren könnte", sagt Möllers. "Daraufhin ließen wir dem Künstler-Duo freie Hand, um die Ausstellung zu erarbeiten."

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Arbeiten der beiden Künstler ergänzen sich gut. Sie wirken frisch, beschwingt und machen einfach neugierig. Und sie passen wie ein Ei zum anderen, obgleich sie aus völlig anderen Materialien und mit anderen Intentionen entstanden sind.

"Meine Malereien sind ein stetiger Prozess, der irgendwann instinktiv fertig ist", sagt Flössel. Ein konkretes Thema erarbeitet er nicht, das er dem Betrachter präsentiert. Stattdessen liefert er einen Startpunkt für die Betrachter seiner Werke, von dem aus sie die Bilder in einer Eigenreflexion für sich erarbeiten und erfahren können. "Ich will die Menschen zu einem inneren Dialog anregen", sagt der Berliner Künstler.

Bei Kollege Städeli ist es anders und doch ähnlich. Auch er will die Betrachter zu einem ständigen Dialog mit sich und der Kunst bringen. Dafür sind seine lebensgroßen Figuren von Menschen und Tieren im Raum ausgestellt, wo sie aus jedem Blickwinkel schrittweise entdeckt und erschlossen werden können. Viele seiner Werke werden erst dann richtig interessant, wenn sie in ständiger Bewegung und mal von oben, mal von unten betrachtet werden.

"Es gibt natürlich bestimmte Themen, die ich aufgreife, etwa, indem ich Vögel gestalte", sagt Städeli. Dieses Thema in einen Kontext mit dem Gesamtwerk zu setzen und mit dem Kunsthaus an sich, das ist die Aufgabe der Betrachter. "Sicher, einiges wird nicht jedem gefallen, aber man sollte nach einer ersten Betrachtung nicht von vornherein sagen, das ist jetzt super oder das ist superdoof. Denn es gibt immer die Chance einer zweiten Begegnung und dann kann etwas ganz anders wirken", sagt Städeli. Das gehe ihm auch so. Viele seiner Skulpturen betrachtet er wieder und wieder und verändert sie, weil irgendetwas plötzlich doch noch anders sein muss.

Und da sind Flössel und Städeli wieder gleich. Auch Flössel sieht seine Werke immer wieder an und unterzieht sie einer kritischen Betrachtung. "Manche Werke wandern erst einmal für ein paar Jahre ins Regal, dann überarbeite ich sie, bis alles passt", sagt er. Und wenn er seine Bilder, die bereits verkauft sind, einmal wiedersieht, dann muss er, so erzählt er, ihnen allen Hallo sagen. "Ich habe sie ja so lange nicht gesehen, da muss ich wieder einen Eindruck von den Bildern gewinnen."

Und noch etwas verbindet die beiden ungleichen Berliner Künstler: Form und Farbe. Beide arbeiten mit konkreten Elementen, werden dann aber abstrakt. Bei der Farbsprache sind sie artverwandt. Kräftige Farben wie Blau, Gelb, Orange oder Pink lassen sich hier und dort finden. Warum vor allem Flössel gerade diese starken Kontraste nutzt, ist Ergebnis persönlichen Angeödetseins. "Ich habe lange Zeit viel reduzierter gemalt. Irgendwann hatte ich dieses 50er-Jahre-Grautongedöns dann satt. Also habe ich kontrastreiche Farben genommen", sagt Flössel.

Diese Farben würden auch gut in die aktuelle Zeit passen, denn sie greifen die Farbintensität der Streetart und Graffitis, der bunten Werbung und leuchtenden Maschinen auf, die ein Gegenpol zur formellen Welt der modernen Architektur, wie sie in Berlin sichtbar ist, darstellen. "Außerdem mag ich es, wenn es knallt", sagt er und grinst.

Ziemlich amüsant findet Flössel, wie unterschiedlich seine Malereien von den Menschen interpretiert werden. Beim Aufbau einer Ausstellung werden die abstrakten Bilder daher auch mal verkehrt herum aufgehängt, weil jemand meine, das gehöre so und nicht anders an die Wand. "Das passiert, ist für mich aber verständlich, denn jeder sieht ein Bild anders. Ich weiß ja vorher auch nicht, wie das Bild nachher hängen wird. Ich entscheide immer erst ganz am Ende, wie herum das Bild später an der Wand hängen soll", sagt er. Das stellt die Kunstgalerien aber zuweilen vor gewisse Probleme. Mehrfach, so erzählt Flössel amüsiert, sei er in Galerien gekommen und habe dann erst einmal seine Bilder "richtig herum" aufhängen müssen.

Zu der Ausstellung, die am Sonnabend, 16. Juni, um 18 Uhr eröffnet wird und bis zum 2. September im Kunsthaus Stade, Wasser West 7, zu sehen ist, sind zwei Kataloge erschienen. Die jeweils 48-seitigen Kataloge zu den Künstlern Martin Städeli und Oliver Flössel sind im Verlag Revolver Publishing erschienen und kosten jeweils 12 Euro.