Auf dem Areal müssen 50 Bäume gefällt werden. Dort leben rund 200 teils seltene Tiere. Mit Nistkästen will Buxtehude den Bestand schützen.

Buxtehude. Für gewöhnlich sind sie erst ab den späten Abendstunden zu sehen. Und nur wenige Buxtehuder wissen überhaupt, dass nachts, wenn alle Menschen schlafen, etliche Fledermäuse im städtischen Gebiet herumschwirren. Bei Ovelgönne leben mindestens 204 der nachtaktiven Flugakrobaten. Jetzt aber gibt es ein Problem mit den Fledermäusen - denn sie wohnen dort, wo Buxtehude ein neues Gewerbegebiet ausgeschrieben hat.

Seit mehr als 50 Millionen Jahren gibt es Fledermäuse in Deutschland, weltweit sind etwa 950 Fledertierarten vertreten. In Deutschland sind laut dem Umweltverband Nabu 24 Arten heimisch. Fast alle Fledermausarten stehen auf den Roten Listen, einige sind vom Aussterben bedroht. Nahrungsmangel und Quartierverluste gelten als wichtigste Ursachen für einen dramatischen Rückgang der Fledermauspopulationen in Deutschland. Dieses Schicksal hätte auch die Fledermäuse bei Ovelgönne ereilen können.

"Wir mussten 50 größere Bäume für das neue Gewerbegebiet, das wir erschließen wollen, fällen. Diese Bäume dienten bisher zum Teil als Wohnraum für die Fledermäuse", sagt Jörg Rönner, verantwortlich für Straßen und Grünanlagen bei der Stadtverwaltung. Da sich Buxtehude aber an die Naturschutzgesetze halte und auch sonst ein Interesse an dem Erhalt der Fledermauspopulation besitze, habe man eine Lösung gesucht und gefunden. "Wir haben uns für einen sozialen Wohnungsbau für Fledermäuse entschlossen", sagt Rönner amüsiert.

Die Stadt hat daher 20 Fledermausnistkästen gekauft, diese wurden in unterschiedlichen Höhen an anderen großen Bäumen rund um das geplante Gewerbegebiet gegenüber der Straße Hogenbarg montiert.

In diesen Nistkästen sollen die Nachtschwärmer künftig wohnen, kleine Wohngemeinschaften mit je drei Fledermäusen seien so möglich. "Die Erfahrungen in anderen Regionen mit solchen Fledermaushäusern sind gut, sie werden für gewöhnlich schnell und dauerhaft von den Tieren angenommen", sagt Rönner.

Von den 204 Fledermäusen, die in dem Moorgebiet bei Ovelgönne gezählt wurden, leben 47 in der Eingriffsfläche und 157 in den angrenzenden Biotopen. Auf der Eingriffsfläche, auf der das Gewerbegebiet entstehen soll, wurden winzig kleine Zwergfledermäuse sowie Rauhautfledermäuse, Breitflügelfledermäuse und der große Abendsegler beobachtet, in den angrenzenden Biotopen Wasserfledermäuse, das Braune Langohr und die in Deutschland seltene Teichfledermaus.

Diese Zahl ist das Ergebnis von drei Ortsbegehungen, die für die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bebauungsplan Ovelgönne Nr. 1 von der Stadt anberaumt wurden. Für die Erforschung der Lebensräume der Fledermäuse sowie die Kartierung der Flugrouten holte sich die Stadt auch Hilfe von Fledermausexperten.

Die in der Eingriffsfläche vorgefundenen Arten seien, so Rönner, in unterschiedlicher Weise von ihrer Umgebung und den Landschaftsstrukturen abhängig. Der Große Abendsegler fliegt zum Beispiel relativ hoch. Er ist daher eher strukturunabhängig. Auch die Breitflügelfledermaus gilt als nur gering strukturgebunden. Die nur wenige Zentimeter große Zwergfledermaus und die Rauhautfledermaus hingegen benötigen Landschaftselemente, um sich bei der nächtlichen Jagd orientieren zu können. Sie gelten daher als mittelstark bis stark strukturgebunden.

"Wir planen nun so, dass wir nicht nur die Population der Fledermäuse erhalten können, wir wollen sie auch steigern", sagt Rönner. Daher wird direkt angrenzend an das 26 Hektar große Gewerbegebiet, das 40 jeweils 3000 bis 5000 Hektar große Parzellen fasst, ein Wasserrückhaltebecken gebaut. Dieses werde, so erklärt Rönner, sicherlich zu einer raschen Zunahme der Fledermauspopulation führen.

"Die etwa 30 Meter breite Wasserfläche wird dazu beitragen, dass hier mehr Insekten leben werden, wie etwa Wasserläufer oder Mücken. Diese sind Nahrung für die Fledermäuse", erläutert der Amtsleiter. Der Tisch sei für die fliegenden Säugetiere damit reich gedeckt.

Da Fledermäuse generell einen Lebensraumkomplex benötigen, in dem einerseits Höhlen als Nist- und Ruheplätze - sogenannte Quartiere - vorhanden sind und andererseits genug Nahrungshabitate im Umfeld zur Verfügung stehen, bietet nach Ansicht der Stadt das neu geschaffene Quartier gute Voraussetzungen für eine dauerhafte Ansiedlung. Dies auch deshalb, weil Fledermäuse generell eine sehr hohe Quartiertreue zeigen, das heißt, sie nutzen die ihnen bekannten Quartiere über viele Jahre immer wieder.

"Wir haben die neuen Domizile auch noch rechtzeitig errichten können, denn die Hauptaktivität der Fledermäuse ist zwischen April und November. In den Wintermonaten halten Fledermäuse Winterschlaf", sagt Jörg Rönner. Teuer seien die neuen Fledermausvillen übrigens nicht gewesen. Jedes dieser Häuschen koste nur 38 Euro. "Das ist ein sehr überschaubarer Kostenfaktor. Doch der Nutzen dieser Investition ist hoch. Sie hilft den Fledermäusen ungemein."