Der Wahlhamburger und begeisterter Kletterer tritt in der Reihe “Jazz 2012“ auf. Wünker gilt längst als feste Größe in der deutschen Jazz-Szene.

Wenn es um guten Jazz aus Deutschland geht, gehört Nils Wülker längst zu den großen Namen. Der 34 Jahre alte Wahlhamburger, der an der "Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin" studierte, verbindet Jazz gekonnt mit Einflüssen aus Rock, Pop und Funk. Seine Songs sind melodisch und groovig. Im Interview verrät er, wie er zum Jazz kam, warum klettern wie auf der Bühne stehen ist, und dass die Besucher in Agathenburg eine Premiere erwartet.

Hamburger Abendblatt:

Herr Wülker, Sie haben mal gesagt, die Trompete sei ein undankbares Instrument. Warum?

Nils Wülker:

Weil sie keine Fehler verzeiht. Wenn man daneben langt, hört man das sehr deutlich. Die Trompete ist ein tolles Instrument und ich kann mich sehr gut damit ausdrücken, aber sie erfordert sehr viel kontinuierliche Arbeit. Wenn man sie eine Woche nicht in die Hand nehmen würde, würde man das sofort merken.

Sie haben im Alter von sechs Jahren angefangen, Klavier zu spielen, im Alter von zehn kam die Trompete dazu.

Wülker:

Ja, aber damals war das für mich ein Hobby unter vielen. Ich habe vielleicht zweimal die Woche eine halbe Stunde geübt, aber wirklich ambitioniert war ich nicht, auch wenn mich schon damals der Klang der Trompete fasziniert hat. Ich mochte dieses Strahlende. Allerdings habe ich damals noch Klassik gespielt. Erst mit 16, als ich den Jazz für mich entdeckte, habe ich die Trompete das erste Mal in einem anderen Kontext wahrgenommen und gemerkt, wie wandelbar sie ist.

Wie kamen Sie denn zum Jazz?

Wülker:

In den Neunzigern gab es diese Acid Jazz Welle mit Bands wie US3, den Brand New Havies und Incognito. Was genau mich daran so fasziniert hat, kann ich gar nicht genau sagen. Es hat mich einfach total gefesselt. Der Klang, der Groove. Das ist ein bisschen, wie wenn man sich verliebt.

Sie selbst vereinen in Ihren Songs Jazz mit Rock und Pop.

Wülker:

Die Frage, ob das, was ich mache, Jazz ist, kommt deshalb auch oft auf. Für mich war Jazz aber schon immer der totale Schmelztiegel. Jazz hat immer ganz viel von dem aufgesogen, was es sonst noch gibt. In den Fünfzigern und Sechzigern war es kubanische Musik oder Bossa Nova, später in den Siebzigern Rock. Und da ich mit Pop und Rock groß geworden bin, spiegelt sich das eben in meiner Musik wieder.

Bei jungen Leuten hat Jazz oft ein angestaubtes Image. Dabei haben Sie sogar schon mit dem Hip-Hopper Samy Deluxe zusammengearbeitet.

Wülker:

Das Problem von Jazz ist, glaube ich, dass die Leute meistens nur eine diffuse Vorstellung davon haben und oft denken, Jazz wäre eine Richtung. So wie Reggae. Aber Jazz ist so ein breites Feld. Ich selbst habe Jazz immer als total lebendig und nicht als angestaubt empfunden. Und wie hat Duke Ellington so schön gesagt? "Es gibt nur zwei Arten Musik: gute und schlechte." Da ist schon ein bisschen was dran.

Ihr jüngstes Album ist 2010 erschienen. Wenn Sie am 9. Juni in Agathenburg auftreten, werden die Besucher dann auch neue Stücke zu hören bekommen?

Wülker:

Auf jeden Fall. Wir werden ein paar Sachen von meinem letzten Album "6" spielen, ein paar ältere Stücke, aber auch die eine oder andere Premiere. Ich war gerade im Studio und habe ein neues Album aufgenommen, das im September erscheint und den Titel "Just Here, Just Now" tragen wird. Das ist wieder etwas ruhiger und akustischer als mein letztes Album, aber trotzdem sehr songlastig.

Zuletzt sind Sie mit einer fünfköpfigen Band aufgetreten, bei den Konzert in Agathenburg sind sie aber nur zu dritt, richtig?

Wülker:

Ja, wir treten als Trio auf, mit Klavier beziehungsweise Fender-Rhodes und Bass. Ich finde es immer spannend, mal in anderer Besetzung Musik zu machen. Viele Stücke werden wir dadurch auch in ganz anderer Form spielen. Bei gutem Wetter treten wir übrigens draußen auf, und bei schlechtem im Pferdestall.

Sie wohnen mittlerweile seit acht Jahren in Hamburg. Waren Sie schon mal im Landkreis Stade?

Wülker:

Nicht wirklich. Ich glaube, ich war in der Gegend mal Rennrad fahren. Aber ich war auf jeden Fall noch nie auf dem Schloss Agathenburg.

Ansonsten sind Sie auf der Welt schon viel herumgekommen, Sie waren mit dem Rucksack in Asien, mit dem Mountainbike in den Alpen. Ist Reisen für Sie ein Ausgleich zum Tourleben?

Wülker:

Auf jeden Fall. In letzter Zeit fahre ich meistens in die Alpen zum Klettern und Bergsteigen. Auf eine Art gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen dem Klettern und dem auf der Bühne Stehen. Denn bei beidem lebt man total im Moment, im Hier und Jetzt. Ich kann gedanklich manchmal schwer abschalten, aber beim Klettern kriege ich den Kopf frei. Abgesehen davon ist es für mich eine ziemlich Inspiration, in den Bergen unterwegs zu sein.

Klettern Sie so richtig mit Karabinern, und so?

Wülker:

Ja, richtig hohe Felswände. Letzten Sommer habe ich sogar eine Ausbildung zum Alpin Fachübungsleiter gemacht, das heißt, ich bin so eine Art Bergführer und kann auch Leute führen.

Wozu braucht man mehr Puste, zum Trompetespielen oder zum Klettern?

Wülker:

Für beides braucht mal viel Puste. Ich klettere auch gerne an Bergen über 4000 Meter, da ist die Luft ziemlich dünn. Der Unterschied ist: Beim Klettern muss man sehen, dass man den Sauerstoff reinkriegt, und bei der Trompete ist das Wichtigste die Atemkontrolle. Luftmenge und Geschwindigkeit beim Ausatmen sind der Schlüssel beim Spielen eines Blasinstruments.

Seit Veröffentlichung Ihres Debütalbums sind zehn Jahre vergangen. Sie haben mittlerweile Ihr eigenes Label und haben mit so namhaften Künstlern wie Omara Portuondo vom Buena Vista Social Club zusammen gearbeitet. Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Wülker:

Ich würde gerne mal mit Pat Metheny arbeiten. Ansonsten reizt es mich einfach, meine Musik in unterschiedlichen Besetzungen auszuloten. Letzten Sommer habe ich für das Festival JazzBaltica ein elfköpfiges Ensemble geleitet. Auf lange Sicht würde ich gern was mit einem Orchester machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Konzert von Nils Wülker am 9. Juni im Schloss Agathenburg, Hauptstraße, beginnt um 20 Uhr. Karten für 15 Euro unter Telefon 04141/640 11.