1912 legte Johannes Lindemann den Grundstein für die Erfolgsgeschichte des Bauunternehmens. Heute gehört es zu den Großen der Region.

Stade. Als Johannes Lindemann am 4. Juni 1912 das Stader Baugeschäft Ringssdorff in der Freiburger Straße 8 erwirbt, hat er gerade die Baugewerkschule Buxtehude nach drei Jahren Studium erfolgreich absolviert. Seinen Posten als "Hilfsarbeiter" im städtischen Bauamt Stade kündigt er, um sich selbstständig zu machen. Mit zwei Mitarbeitern legt Lindemann damit in Stade den Grundstein für ein Bauunternehmen, das nicht nur zwei Weltkriege, mehrere Finanzkrisen und Baukrisen überleben sollte, sondern heute zu den Großen in der Region gehört und seinen Firmensitz nach wie vor in Stade hat, die Lindemann Gruppe.

Lindemanns Betrieb wächst vor dem Ersten Weltkrieg schnell, der Platz wird eng. Der Bauunternehmer zieht mit seiner Firma in die Teichstraße. In diesen Jahren regiert Bürgermeister Ado Jürgens, der mit seinem Amtsantritt eine neue Phase der Baugestaltung und Stadtplanung in Stade einläutet. Lindemann ist mit seinem jungen Unternehmen dabei. In den 30er-Jahren baut er mehrere Fabriken. Wenige Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges arbeiten 200 Menschen in Lindemanns Unternehmen. Schon in dieser Zeit ist der Maurer- und Betonbetrieb das bedeutendste Unternehmen in der Stadt.

Während des Krieges schafft es der ambitionierte Unternehmer, viele seiner Mitarbeiter vor dem Weg an die Front zu schützen, indem er in der Region wichtige Projekte baut. Dazu gehört ein Bunker in Buxtehude.

Kriegsende 1945, Deutschland liegt in Schutt und Asche. Der Stader Bauunternehmer nimmt seinen Betrieb wieder auf. Mit 66 Mitarbeitern beteiligt sich Lindemann am Wiederaufbau. Bis heute finden sich in Stade viele das Stadtbild prägende Gebäude wie mehrere Schulen oder die Stader Johanniskirche, die der Baumeister gebaut hat.

Lindemann starb 1967 im Alter von 79 Jahren. Sechs Jahre später verkauften die Erbengemeinschaften ihre Anteile an die neuen Kommanditisten Kurt Eichstaedt und Rudolf Witt, Vater des heutigen Hauptgesellschafters und Geschäftsführers Peter Witt. Heute hat das Unternehmen seinen Sitz am Klarenstrecker Damm 23. Mit einem Jahresumsatz von rund 35 Millionen Euro gehört die Lindemann Gruppe nach eigenen Angaben zu den größten Bauunternehmen der Region. Aber das Kerngeschäft ist unverändert: Bauen.

Geschäftsführer Peter Witt, seit nunmehr 39 Jahren an der Spitze der Lindemann Gruppe tätig, ist mit seinen Mitgesellschaftern für 175 Mitarbeiter verantwortlich. In den 100 Jahren des Bestehens der Firma wurden etwa 500 junge Menschen in dem Unternehmen in Bauberufen ausgebildet. Eine enge Vernetzung mit der Hochschule 21 sorgt für den Fachkräftenachwuchs. Die Lindemann Gruppe ist inzwischen breiter aufgestellt, als zu Zeiten des Gründers. "Zwischen den Jahren 1980 und 1983 musste ich zwei Geschäftsführer entlassen", sagt Witt, "einen wegen Unterschlagung und einen wegen Unfähigkeit. Daraus habe ich zwei Dinge gelernt. Jeder ist ersetzbar, und Umsatz ist nicht gleich Gewinn."

Mit der jetzigen Mannschaft, vor drei Jahren stieg Sohn Friedrich Witt als Prokurist ins Geschäft ein, blicken die Geschäftsführer der Lindemann Gruppe Peter Witt, Hans-Heinrich Stechmann, technischer Geschäftsführer, Niels Schütte, Prokurist und Bauleiter und Friedrich Witt optimistisch in die Zukunft. "Vor vier Jahren haben wir es geschafft, bankenunabhängig zu werden. Unser Eigenkapital von etwa 39 Prozent erlaubt es uns, auch dann auf soliden Füßen zu stehen, wenn es Probleme mit Aufträgen gibt." Qualität, nicht Quantität sei der Sockel des Erfolgs, so Witt. Im Jahr 1983 erweiterte das Unternehmen Lindemann sein Portfolio auf das schlüsselfertige Bauen von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Die beiden Airbus-Hallen in Stade-Ottenbeck stammen ebenso aus der Feder der Lindemann-Architekten wie die energetische Altbausanierung, laut Witte ein Geschäftszweig, der in den nächsten Jahren große Zukunft habe. Die Zeiten, als das Unternehmen ein reiner Maurer- und Betonbetrieb war, sind längst vorbei. Eine breite Aufstellung, so Witt, sei unerlässlich, um am heutigen Markt so erfolgreich bestehen zu können.

Im Jahr 2003 hat die Stader Lindemann Gruppe ihr erstes Projekt in der Form Public Private Partnership gebaut, die Erweiterung der Stader Berufsbildenden Schulen mit einem Investitionsvolumen von rund 18 Millionen Euro. Inzwischen ist es Peter Witt und seinem Team auch gelungen, in der benachbarten Hansestadt Hamburg auf dem Baumarkt Fuß zu fassen, was nicht ganz einfach sei, so Witt. Und für Stade hat die Lindemann Gruppe vor allem im Wohnungsbau einige Pläne in der Schublade. Spruchreif ist derzeit schon eine exklusive Anlage mit Mietwohnungen am Kehdingertorswall. Auf dem ehemaligen Grundstück der Stadtwerke entstehen ab Anfang kommenden Jahres 14 moderne Wohnungen mit Tiefgarage. Anfang Juli beginnen die Bauarbeiten für eine Wohnanlage in der Bremervörder Straße in Stade mit elf Eigentumswohnungen.

Im Klarenstrecker Damm, gegenüber der Geschäftszentrale entsteht zudem gerade eine Bauerlebniswelt. "Auf mehr als 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche wollen wir zum einen unsere Kunden mit verschiedenen und wechselnden Ausstellungen rund um das Thema Bauen auf dem Laufenden halten. Zum anderen planen wir hier auch Seminare für Fachpublikum", sagt Peter Witt

Gefeiert wird der 100. Geburtstag der Gruppe natürlich auch. Am Sonnabend, 9. Juni, soll es eine große Party mit derzeitigen und ehemaligen Mitarbeitern im Stadeum geben. Rund 300 Gäste werden erwartet. Und am 15. September, mit Eröffnung des Lindemann-Hauses, in dem die Bauerlebniswelten untergebracht sind, wird es eine offizielle Feier geben.