Karl Jobigs Partei “Politik für Deutschland in Europa“ fordert 1500 Euro Grundeinkommen für alle

Harburg. Revolutionär, sagt Karl Jobig, und dieses Urteil gilt dem Parteiprogramm, das er in Händen hält. Seine Begeisterung ist durchaus nachvollziehbar - er hat's selbst geschrieben. Einst ist Jobig CDU-Kommunalpolitiker in Harburg gewesen, jemand, der überall mitgeredet hat, und 1984 Gildekönig. Jetzt will er vielleicht Bundeskanzler werden. "Adenauer war 73, als er's wurde", sagt Jobig. 73 ist auch er.

An seiner Seite weiß der ehemalige Filmproduzent, der seit 1992 ein Stück elbaufwärts in Dresden lebt, einen mehr oder weniger prominenten Hamburger: Broder Drees, 66, mittlerweile ins Bestattungsgewerbe gewechselter Kult-Kneipier vom Großneumarkt. Der sagt im Abendblatt-Gespräch: "Karlchen war immer ein heißer Typ. Aber ein Guter. Ein Stehaufmännchen. Wenn der was macht, hat es gute Chancen." Diese Einschätzung teilt der renommierte Politologe Prof. Michael Greven von der Universität Hamburg auf den konkreten Fall bezogen nicht.

Nun hat "Karlchen" Jobig also wieder was gemacht, hat gemeinsam mit dem Dresdener Unternehmer Michael Romeiser eine Partei gegründet. Beide fungieren als Vorsitzende. Sie haben ihrem Kind den Namen "Politik für Deutschland in Europa" verpasst, kurz PFDE, den Jobig in seinen E-Mails mitunter mit dem Computerdatei-Format "PDF" zu verwechseln pflegt. "Und ich", sagt Broder Drees, "ich bin das erste zahlende Mitglied gewesen."

In der Präambel der PFDE heißt es: "Die PFDE ist die Antwort auf die Fragen: Wie sichern wir die Demokratie? Wie entschulden wir unser Land? Wie können alle Menschen in Würde leben und alt werden? Wie erhalten und stärken wir die soziale Marktwirtschaft?" Karl Jobig ist der Meinung, dass die Demokratie in Gefahr sei. Er bemängelt, dass im Bundestag Vertreter des öffentlichen Dienstes überrepräsentiert seien, sodass das Parlament kein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Der Mittelstand müsse ins Parlament einziehen.

Weitere Ideen: eine Wahlpflicht für alle Bürger, alternativ eine Erhöhung der Fünf-Prozent-Hürde auf bis zu 15 Prozent bei geringer Wahlbeteiligung (damit kleine Parteien nicht überproportional von einer geringen Wahlbeteiligung profitieren). Außerdem plädiert Jobig dafür, die Bundesländer abzuschaffen. Hartz IV und "Altersarmut" will er ebenfalls abschaffen, stattdessen soll es ein sogenanntes "Haushaltseinkommen" geben, ein Grundeinkommen für alle in Höhe von bis zu 1500 Euro im Monat. Wie Letzteres finanziert werden könnte, bleibt offen.

Am meisten angetan ist er von seiner "spektakulären Benzinpreis-Idee": "Da ist sogar der ADAC schwer am Nachdenken", sagt Jobig und erklärt: "Der Benzinpreis wird virtuell bei 1,20 Euro eingefroren. Das heißt, wir versteuern 1,20 Euro, egal was die Scheiße wirklich kostet." Vorteil nach seiner Einschätzung: Verteuerte sich Treibstoff über diese Marke hinaus, dann nur um den tatsächlichen Materialwert. Der Staat kassiere nicht mit. Insgesamt umfasst das Programm der PFDE 24 Punkte, die fünf DIN-A4-Seiten füllen. Mit seinem Lebenslauf hat Jobig 13 Blatt Papier gefüllt.

Was hat Broder Drees überzeugt? Beide Männer haben sich lange nicht gesehen. Drees wanderte Ende der Achtziger in die "soviet union" aus, was er stets englisch ausspricht, und eröffnete im damaligen Leningrad eine Gastwirtschaft; Jobig machte Anfang der Neunziger pleite und fand im Elbflorenz wieder auf die Beine. Drees verrät: "Ich habe niemals FDP gewählt, ich war immer SPD- und manchmal auch CDU-Wähler. Aber die liberalen Ansätze in Jobigs Programm haben mir gefallen." Er bemängelt: "Jedesmal, wenn es zur Wahl geht, heißt es: Die einen reden so, die anderen reden so, da geh' ich nicht mehr hin." Das höre man sich eine Zeit an, dann wisse man, dass es Zeit sei, eine Partei zu gründen. Drees: "Nicht rumreden, nicht rummeckern, sondern sich auch mal zu etwas bekennen."

Karl Jobig möchte am liebsten zur nächsten Bundestagswahl antreten. Broder Drees hält es für ratsam, erst mal abzuwarten, Mitglieder zu akquirieren - und bekannter zu werden.

Das hält der Parteienforscher Prof. Greven indes für überhaupt nicht liberal. Für ihn ist der Fall nach einem Blick ins Parteiprogramm "ziemlich klar": "Eine nationalistische Anti-Europa- und Protestpartei" - bei der er allerdings keine migrationsfeindlichen Tendenzen entdecken könne. Das PFDE-Programm offenbare den typischen Widerspruch populistischer Parteien, die gegen den mit Bürokratie assoziierten Sozialstaat wetterten, aber Versprechungen machten, die über die Leistungen dieses Sozialstaates hinausgingen. Allein schon der Internetauftritt der PFDE in seiner "mit Adler versehenen Deutschlandfarbigkeit" sende ein rechtes Signal aus, so Prof. Greven.