Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie weit es unsere Zivilgesellschaft gebracht hat. Unsere Errungenschaften auf allen Gebieten haben uns weit entfernt von dem, was einst als barbarisch galt. In den höchsten Tönen werden wir von Menschen in allen Teilen der Welt ob unserer moralischen und ethischen Fortschritte gepriesen, dass wir ein Justizsystem haben, das allen Bürgern die selben Rechte gewährt und dass die barbarische Todesstrafe in Erkenntnis ihrer Absurdität abgeschafft wurde.

Doch diese Errungenschaften haben scheinbar nur Bestand, solange die Bürger nicht zu Mittelalter- und Wikingerfesten eilen. Denn dort zeigt sich, dass der Fortschritt der Menschheit wohl doch nichts anderes als schöner Schein ist.

In Jork schlagen als Wikinger verkleidete Erwachsene mit Äxten und Schwertern aufeinander ein, die Kunst der verbalen Streitschlichtung suchen sie gar nicht erst. Und als der Häuptling eines Wikingerstammes gefangen genommen wird und die Menge gefragt wird, was mit dem Manne geschehen soll, da sind die Antworten so, dass selbst hartgesottenen Barbaren das Blut in den Adern gefriert. "Hängt ihn auf!", "Auspeitschen!", "Foltern!", "Abstechen!", ertönt es da aus den Kehlen der Meute. Und alle lachen.

Was für einen Eindruck hätte Immanuel Kant von den Bürgern des 20. Jahrhunderts gehabt, wäre er Zeuge dieses Spektakels geworden? Er hätte wohl seine aufklärerischen Fortschrittsgedanken prompt ad acta gelegt. Es bringt ja eh nichts.