Seit Kurzem ist das Agrarium die neue Attraktion im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Neben der Landwirtschaft ist auch der Ernährung ein wichtiger Ausstellungsteil gewidmet. Wir haben uns mit Direktor Prof. Dr. Rolf Wiese über die Bedeutung von Fleisch gestern und heute unterhalten.

Hamburger Abendblatt:

Wie präsentieren Sie das Thema Fleisch im Agrarium?

Professor Rolf Wiese:

Wir zeigen die gesamte Entwicklung der Tiere über die Tierzucht, Tierhaltung und die Verarbeitung von Fleisch. Zum Beispiel geht es um die Zucht von Rindern, die besonders viel Fleisch liefern und die es vor 40 Jahren noch nicht gegeben hat. Insgesamt stellen wir das Thema realistisch-offen dar. Wir beschönigen nicht, setzen aber auch nicht auf den Schock-Effekt.

Welche Rolle spielt Fleisch bei unserer heutigen Ernährung im Vergleich zu der unserer Vorfahren vor 100 oder 200 Jahren?

Wiese:

Beim Fleischkonsum hat es Zyklen gegeben. Das hängt mit der wirtschaftlichen Situation und mit Ernährungsgewohnheiten zusammen. Im Mittelalter zum Beispiel wurde sehr viel Fleisch gegessen, ab 1500 ging der Verbrauch dann zurück und erreichte seinen Tiefpunkt um 1800. Seitdem hat der Fleischkonsum bis vor einigen Jahren kontinuierlich zugenommen. Unterbrochen wurde das natürlich durch die beiden Weltkriege, insbesondere in der direkten Nachkriegszeit wurde in Deutschland sehr wenig Fleisch gegessen. Heute ist Fleisch immer und überall zu haben und sehr billig. Durch den Überfluss sind wir sehr wählerisch geworden, Innereien wie Leber werden in Deutschland kaum noch gegessen. Neu ist aber auch, dass Fleisch heute Gegenstand von ethischen Diskussionen ist, etwa über Tierschutz oder die weltweite Ernährungssituation.

Wie hat sich das Thema Fleisch in der Landwirtschaft gewandelt?

Wiese:

Die gravierende Veränderung der letzten Jahrzehnte ist sicher der Trend, Fleisch immer günstiger im Handel anzubieten und möglichst einheitliche Produkte herzustellen. Das hat Folgen für die Landwirtschaft: Die Landwirte müssen nachziehen und möglichst effizient und kostengünstig produzieren. Das führt zu industrieähnlichen Produktionsformen und Massentierhaltung. Bis vor wenigen Jahrzehnten hat es das in der heutigen Form nicht gegeben. Es gab zwar auch um 1900 schon Ställe mit 100 oder 150 Schweinen, das war damals aber die große Ausnahme.

Wo essen Sie am liebsten Fleisch?

Wiese:

Meine Frau und ich kochen gerne, deshalb essen wir am liebsten zu Hause. Beim Einkaufen versuchen wir, auf regionale Lebensmittel zu achten, auch beim Fleisch. So kommt auch Heidschnucke oder regionales Rindfleisch auf den Teller.