Bernhard Voß aus Jork ist der Exot unter den Obstbauern. Mitten im Apfel- und Kischanbaugebiet setzt er auf Zitrone, Orange und Weinbergpfirsich.

Stade/ Buxtehude. Vor 400 Jahren wäre Bernhard Voß wohl als ungekrönter König von Moorende in die Geschichte des Alten Landes eingegangen. Denn zu seinem Hab und Gut gehörten bis vor Kurzem noch mehr als 200 unterschiedliche Zitrussorten - und die mediterranen Pflanzen galten im Barock als Statussymbol. Wer damals etwas auf sich hielt und zudem das nötige Kleingeld besaß, importierte einen Orangen- oder Zitronenbaum aus Italien. Doch Menschen und Zeiten ändern sich. Heute geben Familien weniger für Pflanzen aus. Und Bernhard Voß verbringt mittlerweile mehr Stunden mit der Pflege von Apfel- und Kirschbäumen als in seinem geliebten Gewächshaus.

"Es ist ein Jammer. Aber ich kann es leider nicht ändern", sagt der gebürtige Hamburger, der seit mehr als 15 Jahren mediterrane und ursprünglich asiatische Zitrus-Obstgehölze in seinem privaten Garten im Alten Land kultiviert. "Aber vom Verkauf allein leben kann ich momentan nicht. Deshalb habe ich mir Alternativen gesucht."

Während seine botanischen Lieblinge also in einem gut 200 Quadratmeter großen, beheizbaren Foliengewächshaus auf Pflege und Zuwendung warten, klettert der Botaniker auf Obstbäume, entnimmt Gefahren- und Totholz, fällt, schneidet zurück, verjüngt, baut Kronensicherungen ein und erstellt in Zusammenarbeit mit Diplom-Forstwirt Lars Staegemann Baumgutachten. Darüber hinaus ist Bernhard Voß Vater dreier Kinder und kümmert sich um Haus und Hof.

Bernhard Voß' Vorliebe für alle tropischen und subtropischen Gewächse ist fast so alt wie er selbst. Seinen ersten Zuchtversuch startete der heute 51-Jährige bereits als kleiner Junge im elterlichen Garten - mit einem Avocadokern. "War zwar wenig erfolgreich, hat mich aber beflügelt, am Ball zu bleiben." So absolvierte er nach der Schulzeit eine Ausbildung an der Obstbauversuchsanstalt in Jork. Später studierte er Biologie und Gartenbau in München, gründete Mitte der 90er-Jahre eine Zitrusgärtnerei und bot Raritäten an, die er von seinen Urlaubsreisen mit nach Hause brachte und vermehrte.

Vor 15 Jahren zog Bernhard Voß dann aus familiären Gründen wieder in sein Elternhaus nach Moorende. Von dort aus wollte er seinen Unterhalt eigentlich bis an sein Lebensende mit der Züchtung und dem Verkauf mediterraner Pflanzen verdienen. Doch was mit seiner Gärtnerei mitten in Bayern zunächst wunderbar funktionierte, stellte ihn in Norddeutschland vor immer größere Schwierigkeiten. Discounter-Preise und das norddeutsche Klima machten ihm schlussendlich einen dicken Strich durch die Rechnung. "In Süddeutschland hat fast jeder ein Gewächshaus und damit einen guten Platz für eine Vielfalt an mediterranen Pflanzen. Doch solche Gebäude sind hier leider total selten", bedauert er. Hinzu komme, dass mittlerweile an jeder Straßenecke Orangen und Pomeranzen, Kumquats und Zitronen zum Schnäppchenpreis angeboten würden. "Da kann und will ich nicht mithalten", sagt Voß.

Für seine botanische Arbeit ist er über die norddeutschen Grenzen hinweg bekannt und gefragt. Mittlerweile hat er auch mehrere Bücher über das Thema geschrieben. Darüber hinaus wachsen und gedeihen einige Sorten aus seiner Gärtnerei in großen Anlagen wie beispielsweise im erst kürzlich eröffneten Botanischen Garten in Meran.

Viele Hobbygärtner suchen auch telefonischen Rat beim Experten. Denen müsse er dann erklären, dass Zitruspflanzen keine Kakteen sind und deshalb auch im Winter Wasser benötigen. Oder dass ein bisschen Dünger nicht schadet. Außerdem sage er jedem, dass Zitruspflanzen nicht ins Haus gehören. "Da herrscht ein schlechtes Klima. Die Citri sind schlechte Lichtverwerter. Bei zu wenig Licht werfen sie nach einer Weile alle Blätter ab."

Aus diesem Grund bietet Voß seit einiger Zeit beinahe ausschließlich frostharte Pflanzen an, die im Freien eine realistische Überlebenschance haben. Den besten Beweis liefern übrigens einige recht stattliche Exemplare, die im Garten vor seinem Haus zu bewundern sind. Dazu gehören beispielsweise die Laub abwerfende Bitterzitrone, die minus 25 Grad aushalten kann. Und die sogenannte "Ichang Papeda". "Das ist die frosthärteste immergrüne Zitrusart überhaupt. Sie stammt aus dem chinesischen Hochland", sagt Bernhard Voß. Vorzeigbar und durchaus frosthärter als jede herkömmliche Zitrone ist auch eine eigene Züchtung des Gärtners, in die er rund fünf Jahre Arbeit investiert hat. Hinter dem Namen "Violetta Voß" verbirgt sich eine zitronenähnliche Frucht, die Minusgrade von bis zu zehn Grad überstehen kann, ohne Schaden zu nehmen. Eine weitere Besonderheit ist ihre Farbe: Sie hat tiefviolette, innen weiße Blüten mit langen Blütenblättern. Und auch die Frucht ist in unreifem Zustand violett. "Sie ist ein richtiger Hingucker", sagt Voß. "Und es gibt noch ein paar andere interessante Exemplare. Die haben aber noch keinen Namen, weil mir bislang noch nichts Gescheites eingefallen ist."

Doch momentan bereitet dem Biologen etwas anderes Kopfzerbrechen: Bernhard Voß' Bestand an Zitrusraritäten aus der ganzen Welt ist neuerdings erheblich geschrumpft. Von den ehemals 200 Sorten sind nur noch etwa 35 übrig. Der Biologe erklärt, dass das nicht nur an der zuletzt geringen Nachfrage liege. Gut die Hälfte seines Sortiments hat im vergangenen Winter alle Blätter abgeworfen, ist verfroren oder hat keine neuen Blüten ausgebildet. Ein Großteil muss nun bis auf ein paar Zentimeter Grün radikal zurückgeschnitten werden. Und dann heißt es warten und hoffen, dass sich doch noch etwas tut.

Dafür blüht bereits seit ein paar Wochen der Weinbergpfirsich in seinem Garten. Und auch der Versuch, frosthärtere Aprikosen im Alten Land zu kultivieren, trägt bereits erste Früchte. "Die Blüten sind schon da. Und die Pflanzen machen sich gut", freut sich der Botaniker. Doch eines sei ihm schon heute klar: "Als Rentner hocke ich bestimmt wieder jeden Tag im Gewächshaus bei meinen Zitruspflanzen. Das ist einfach meine größte Leidenschaft."