Beim Speed-Shopping werden Frauen mit Schuhen, Kleidern und Taschen verkuppelt. Ein Date dauert drei Minuten. Da zählt der erste Eindruck.

Lüneburg/Harburg/Stade. Alle drei Minuten begegnet Janina Behr einer neuen Leidenschaft. Doch bei diesem Speed-Dating trifft die 23-Jährige keine paarungswilligen Single-Männer, sondern etwas, dem Frauen noch schwerer widerstehen können: entzückende Handtaschen, verlockende Damenschuhe und betörende Abendkleider. Designermode im Drei-Minuten-Takt - so shoppen Frauen heute.

Turbo-Kontaktbörsen sind ein Zeitgeist-Phänomen und beschränken sich längst nicht mehr auf die Ursprungsidee, Singles zu verkuppeln. Die Frankfurter Buchmesse hat das Speed-Dating eingeführt, bringt Rechtehändler und Agenten zu Fünf-Minuten-Gesprächen zusammen. Bei Job-Speed-Datings grasen Jugendliche im Turboschritt Ausbildungsbetriebe ab.

Drei Frauen aus dem Landkreis Harburg haben jetzt das Speed-Dating als Einkaufserlebnis erfunden. Ramona Scharfenberg, 25, entwirft und vertreibt Abend- und Brautkleider ihres eigenen Labels "Mona Berg". Angela Mathea, 43, betreibt den Internethandel "Frauen-lieben-Taschen", Juana Reuschell, 36, die "Schuhwelt Hanstedt".

Sieben Frauen haben sich zur Anbahnung von leidenschaftlichen Kaufverhältnissen in dem Atelier Ramona Scharfenbergs in Ramelsloh versammelt. Standesgemäß hatten die Veranstalterinnen das Mode-Speed-Dating nur für Frauen im Internet bei den Netzwerken Facebook und Xing gepostet. Zur Begrüßung gibt es Prosecco - aus der kleinen, stylischen Dose mit Strohhalm. Die Wirkung des italienischen Perlweins auf den Kaufrausch hält Ramona Scharfenberg für vernachlässigenswert: "Die Mode ist die Droge", erklärt sie, wie Frauen ticken.

Hier, 20 Kilometer vor der Hamburger Stadtgrenze, trägt frau Jeans, zeigt sich bodenständig. Opulenter sind die Leidenschaften, mit denen die Veranstalterinnen verführen wollen. Angela Mathea und Juana Reuschell haben Handtaschen und Schuhe des römischen Modelabels "La Borga" mitgebracht. Die deutsche Designerin Ute Matthiesen lässt sie in der italienischen Hauptstadt in Handarbeit fertigen. Was Frauen entzückt: Aus dem Leder der Taschen sind auch die Pumps, Ballerinas und Sandalen produziert - mehr farbliche Kongruenz geht nicht. 175 bis 250 Euro kostet ein Paar römische Schuhträume. "Ich habe mir kein Limit gesetzt", zeigt sich Janina Behr davon unbeeindruckt.

+++ Wie man einander trifft +++

Statt ziellos von Boutique zu Boutique zu schlendern, sollen die Frauen beim Mode-Speed-Dating mit Schuhen, Handtaschen und Kleidern verkuppelt werden. Die Spielregeln sind einfach: In jeweils drei Minuten bekommt die Frau ein Modestück präsentiert - dann klingelt Juana Reuschell mit der stilvollen Messing-Glocke, und es geht weiter zur nächsten Leidenschaft. Schuhe, Taschen und Abendkleider im Drei-Minuten-Takt. Fünf Durchgänge sind es insgesamt. Gekauft wird, wenn überhaupt, hinterher. Niemandem wird zugemutet, die Entscheidung für ein 1600 Euro teures Abendkleid innerhalb von drei Minuten zu treffen. Beim Mode-Speed-Dating geht es um sinnliche Begegnung.

In drei Minuten geht es um die wirklich wichtigen Dinge: Keilabsätze, verkündet Juana Reuschell im Wettkampf mit der Uhr, seien in diesem Sommer ganz angesagt. Ob das nicht schon im vergangenen Jahr so war, zeigt sich ihr Gegenüber skeptisch. "Keil bleibt auf jeden Fall", versichert die Expertin und nennt den Vorteil: Keilabsätze ließen den Damenfuß klein und süß erscheinen, würden den großen Fuß schön wegmogeln. Offenbar ist das wichtig, denn die Frauen nicken zustimmend, als ob eine große Weisheit ausgesprochen sei.

Die größten Leidenschaften dieser Welt, Liebe und Hass, erweckt eine Damenhandtasche im bunten Mosaikmuster. Das Material ist recyceltes Bonbonpapier. "Hergestellt in einem kleinen mexikanischen Dorf", erklärt Angela Mathea, "gewebt in einer alten Maya-Technik." Zumindest politisch korrekter könnte der Blickfang kaum sein, der die Frauenmeinungen spaltet.

Held aller Frauen dürfte ein unscheinbarer schwarzer Beutel sein: ein Taschenorganizer. Mithilfe dieser Tasche in der Tasche finden Frauen all das wieder, was sonst in dem schwarzen Loch mit Schulterriemen verloren geht: Handy, Lippenstift, Labello und 50 andere Dinge, die Frauen so mit sich tragen. Laut einer Studie, sagt Angela Mathea, verbringen Frauen insgesamt 76 Stunden ihres Lebens damit, in ihrer Handtasche zu suchen. Ein Taschenlicht für 34,99 Euro, das beim Antippen leuchtet und von selbst erlischt, hilft, die Suchzeit zu verkürzen.

Drei Minuten sind kurz. Die Glocke bimmelt gnadenlos. "Gerade kommt man ins Thema rein und schon muss man weiter", sagt Cornelia Hane erstaunt. Im Turbotempo durch die Modewelt zu rasen findet die 51-Jährige trotzdem "hoch spannend": "So verzettelt man sich nicht. Ich würde sonst hier stundenlang stehen."