Verhaltenes Interesse an Buxtehuder Gesamtschule. Was an der Schwinge anders ist

Buxtehude/Stade. Ein Jahr ist es her, dass die Integrierte Gesamtschule (IGS) Stade in den Planungen dort stand, wo jetzt die IGS Buxtehude steht. Die Lehrer feilten am Konzept und hofften, möglichst viele Eltern der Viertklässler von der neuen Schulform zu überzeugen. Auch die Buxtehuder Planungsgruppe ist derzeit dabei, alles für den Start im kommenden Schuljahr vorzubereiten. Der Großteil der Informationsveranstaltungen ist bereits über die Bühne gegangen, viele Eltern wissen jetzt, was ihre Kinder an einer IGS erwartet.

Trotzdem ist die Unsicherheit nicht ganz gewichen. Vor allem bei den Eltern von Kindern, die nach der vierten Klasse von ihren Leistungen her ein Gymnasium besuchen könnten, gibt es viele Fragezeichen. Sie sind sich nicht sicher, ob eine IGS wirklich das Richtige für ihren Nachwuchs ist oder ob die Schüler dort vielleicht unterfordert werden. Fast alle Buxtehuder Grundschulleiter haben im Februar, bei der ersten Trendabfrage zu den Halbjahreszeugnissen, festgestellt, dass das Interesse an der IGS noch relativ verhalten ist. Und wenn doch Interesse bestand, kam es hauptsächlich von Eltern, deren Kinder eine Hauptschulempfehlung haben.

In Stade gab es bei der Abfrage keine Aufteilung in die Schulformen

Ein Buxtehuder Einzelfall - oder kennt auch die IGS Stade diese anfänglichen Probleme? Jörg Moser-Kollenda, kommissarischer Leiter der IGS, muss nicht lange überlegen. "So, wie es jetzt in Buxtehude läuft, lief es bei uns nicht", sagt er. Das habe vielleicht auch damit zu tun, dass die Stader bei der ersten Trendabfrage an den Grundschulen zwar das Interesse an der IGS ermittelt hatten, nicht aber die Aufteilung in die jeweiligen Schulformen.

Letztlich habe es in Stade 267 Anmeldungen auf 148 Plätze gegeben, was 121 Ablehnungen bedeutete, sagt Moser-Kollenda. Bei der Trendabfrage waren es noch 170 Interessierte. Am größten war das Interesse bei den Kindern mit Realschulempfehlung, dem sogenannten Topf B einer IGS, der sich auf eine Notensumme von 8 bis 10 in Deutsch, Mathe und Sachkunde stützt. Hier gab es 58 Aufnahmen und 58 Ablehnungen.

Im Topf A, der in etwa der Gymnasialempfehlung entspricht und eine Notensumme von 3 bis 7 bedeutet, gab es 51 Aufnahmen und 16 Ablehnungen. Und im Topf C, der ungefähr der Hauptschule gleichkommt, wurden in Stade 37 Kinder aufgenommen und 47 abgelehnt. Der Anteil von Schülern der jeweiligen Töpfe sah so aus: 35 Prozent für A, 40 Prozent für B und 25 Prozent für C.

In Buxtehude sieht der prozentuale Anteil der jeweiligen Töpfe vollkommen anders aus. Hier sollen mehr als die Hälfte der neuen IGS-Schüler, nämlich 52 Prozent, aus der leistungsstärksten Gruppe A kommen. 31 Prozent macht das Mittelfeld aus und lediglich 17 Prozent sind aus der leistungsschwächsten Gruppe C. Berechnungsgrundlage für diese Leistungsgruppen bildete eine Abfrage an allen Grundschulen, die den repräsentativen Leistungsquerschnitt des vierten Jahrgangs widerspiegelt.

Wenn nun die leistungsstärkste Gruppe, also die Kinder mit Gymnasialempfehlung, tatsächlich vor der IGS zurückschrecken sollte, wäre es vor dem Hintergrund, dass sie den größten Anteil an der IGS ausmachen sollen, besonders unglücklich. Andererseits wäre es wiederum eine große Chance für Kinder aus dem Umland, die erst nach den Buxtehudern zum Zuge kommen.

Dass die IGS in Buxtehude tatsächlich Startschwierigkeiten haben wird, kann sich Moser-Kollenda aber gar nicht vorstellen. "Man muss sich nur die Erfolge der IGS in Niedersachsen ansehen." Gewinner von Schulpreisen seien in den vergangenen Jahren hauptsächlich Gesamtschulen gewesen. Sie fördern die Schüler optimal und setzen vor allem im handlungsorientierten Unterricht auf Selbstständigkeit.

In ganz Niedersachsen gebe es einen regelrechten Ansturm auf diese Schulform. Deshalb könne er sich auch nicht denken, dass Buxtehude die einzige Enklave sein solle, in der das anders sei. Vielmehr halte er es durchaus für möglich, dass viele Eltern die IGS etwa mit einer Waldorfschule verwechseln. "Da gibt es immer noch ein Informationsdefizit", vermutet er.

In Stade zumindest dürfte das kein Thema mehr sein. "Bei uns läuft es gut, auch wenn wir noch einiges an unserem Konzept verfeinern können." Ein Dreivierteljahr nach dem Start der IGS steht für den kommissarischen Schulleiter fest, dass nichts mehr so ist, wie es für ihn zuvor als Oberstufenkoordinator am Gymnasium Athenaeum war. "Wenn ich mir den jetzigen Unterricht im Vergleich zum Gymnasium ansehe, denke ich, ich habe einen anderen Beruf."

Kinder arbeiten an der Gesamtschule häufiger in Gruppen

Jetzt sei er viel weniger "Vorturner", sondern führe verstärkt individuelle Gespräche mit den Schülern. Zu den Lehrern kommen die Kinder fast nur, wenn sie Hilfe brauchen. Ansonsten erklärt der Leistungsstärkere den Schwächeren das jeweilige Thema, weshalb auch die Tischgruppen mit jeweils vier Kindern bunt gemischt sind.

Unter dem Schlagwort "kooperatives Lernen" müssen die Mädchen und Jungen zudem selbstständig organisieren, wie sie ein bestimmtes Thema angehen wollen. Im Englischunterricht bedeutet das, dass sie viel sprechen, und in den Naturwissenschaften gibt es viele Experimente. "Für Kinder aus klassischen Grundschulen ist die IGS vielleicht eine Umstellung", sagt er. Die Selbstständigkeit ist für einige etwas ungewohnt. Doch schon nach kurzer Zeit gehört sie für alle zum Schulalltag.