Schleswig-Holstein

Aminata Touré: "Kann mir vorstellen, Ministerin zu werden"

| Lesedauer: 14 Minuten
Aminata Touré hat den Wahlkampf der Grünen in Schleswig-Holstein zusammen mit Monika Heinold geführt. Nun könnte die 29-Jährige Ministerin im ersten schwarz-grünen Kabinett im Norden werden.

Aminata Touré hat den Wahlkampf der Grünen in Schleswig-Holstein zusammen mit Monika Heinold geführt. Nun könnte die 29-Jährige Ministerin im ersten schwarz-grünen Kabinett im Norden werden.

Foto: imago images/Penofoto

Mit nur 29 Jahren ist Touré schon Landtags-Vizepräsidentin, Teil der grünen Doppelspitze – und nun auch noch Ministerin?

Hamburg. 
  • Aminata Touré war eine Hälfte der Doppelspitze im Landtagswahlkampf der Grünen in Schleswig-Holstein
  • Zusammen mit Monika Heinold verhandelte sie auch die erste schwarz-grüne Koalition im Norden
  • Wird die 29-Jährige nun Ministerin? Sie kann es sich vorstellen

Sie ist erst seit zehn Jahren in der Politik aktiv, gerade 29 Jahre alt und trotzdem neben Monika Heinold Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl im Mai in Schleswig-Holstein. Aminata Touré wurde in ihrem Leben oft unterschätzt, dabei gehört sie zu den Politikerinnen einer neuen Generation, die genau wissen, was sie können und wollen – und was nicht.

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht die Vizepräsidentin des Landtags über ihre früheren Vorbehalte gegen Parteien, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und warum sie 200 Prozent geben musste, wo andere nur 70 gegeben haben.

Das sagt Aminata Touré über …

… zwei grüne Spitzenkandidatinnen für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein:

„Wir wollen uns ein Stück weit von dem Bild entfernen, dass Politik nur von einzelnen Menschen gemacht wird. Natürlich ist die Position der Ministerpräsidentin eine herausgehobene, aber Politik funktioniert mit wesentlich mehr Akteurinnen. Deshalb bin ich auf Monika Heinold zugegangen und habe ihr gesagt, dass ich gern Teil dieses Spitzenkandidaten-Duos werden möchte und bereit bin, noch mehr Verantwortung zu übernehmen, als ich es jetzt schon tue. Das war ein sehr cooles Gespräch zwischen Monika und mir, es läuft bei uns gern etwas unorthodox, und bei mir erst recht. Ich kann mir vorstellen, Fraktionsvorsitzende oder Ministerin zu werden. Das Amt der Ministerpräsidentin ist dagegen nichts, wovon ich nachts träume. Ich orientiere meine politische Verantwortung an den Themen, in denen ich mich auskenne, und an der Rolle, die ich mir zutraue.“

… die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen:

„Es ist nicht so, dass es übermäßig viele Leute gibt, die Lust haben, sich in das Feuer eines Wahlkampfes zu begeben und ihr Gesicht nach draußen zu hängen. Verantwortung macht vielen Menschen Angst, auch ich habe mir im Lichte der Bundestagswahl lange Gedanken gemacht, ob ich bereit bin, diese Verantwortung zu übernehmen. Es war schon hart zu beobachten, wie Annalena Baerbock sich als Kanzlerkandidatin damit auseinandersetzen musste, was sie vermeintlich alles nicht kann. Dafür braucht man ein dickes Fell. Die Erfahrungen in der Politik sind unmittelbar, ich habe in den vergangenen Jahren selbst viele Attacken erfahren.“

… die Frage, warum sie sich lange schwergetan hat, in eine Partei einzutreten:

„Parteien haben auf mich einen altbackenen Eindruck gemacht, es wirkte von außen nicht so, als ob es Spaß bringen würde, sich dort einzubringen. Ich war 19, als ich bei den Grünen eingetreten bin, und hatte ein nicht so attraktives Bild von Parteien. Ich fand es aber schwierig von mir selbst, einerseits Dinge ändern zu wollen, andererseits nicht bereit zu sein, in eine Partei zu gehen. Deshalb habe ich es einfach probiert. Es braucht gerade jungen Menschen, die bereit sind, in die politischen Systeme zu gehen und für Veränderungen zu sorgen.“

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… eine besondere politische Kultur in Schleswig-Holstein:

„Wir in Schleswig-Holstein haben eine andere politische Kultur als etwa im Bundestag. Wir streiten uns viel und gern, als regierungstragende Fraktion haben wir aber durchaus ein Interesse, mit der Opposition zusammenzuarbeiten oder wenigstens auf deren Themen einzugehen.“

… die Frage, wie es ist, als junge Frau in der Politik unterschätzt zu werden:

„Es ist so, dass ich 200 Prozent geben muss, wo andere nur 70 Prozent geben müssen, um das gleiche Ziel zu erreichen. Das ist etwas, was ich mit vielen Menschen teile, die zu Minderheiten gehören oder die nicht männlich sind.“

… Frauen, die nicht unbedingt die besseren Politiker sein müssen:

„Frauen können genauso machtgierig sein wie Männer, sie können genauso beteiligt sein an Menschenrechtsverletzungen. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir glauben, dass alles gut würde im politischen Betrieb, wenn möglichst viele Frauen daran beteiligt sind. Es gibt auch problematische Frauen. Trotzdem spreche ich mich dafür aus, dass mindestens 50 Prozent Frauen in der Politik vertreten sein sollten.“

… ihr Ziel für die Wahl in Schleswig-Holstein:

„Wir haben schon den Anspruch, die stärkste Kraft zu werden. Politik ist so unberechenbar geworden, dass alles drin ist. Wir trauen uns zu, die Verantwortung, die CDU und SPD in den vergangenen Jahrzehnten übernommen haben, selbst zu übernehmen. Und mit genau dieser Ansage gehen wir auch in den Wahlkampf.

Grundsätzlich finde ich, dass nach der Wahl die Partei als erste Gespräche über eine Koalition aufnehmen sollte, die das beste Ergebnis erzielt hat. Wenn das scheitert, muss man über andere Konstellationen reden. Aber es gehört sich nicht, als zweite oder dritte Kraft darüber zu entscheiden, wie es läuft.“

… die FDP, Wolfgang Kubicki und eine mögliche Ampelkoalition in Schleswig-Holstein:

„Das politische Machtverhältnis innerhalb der FDP hat sich verändert. Natürlich hat Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein noch etwas zu sagen, aber für den Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt, Heiner Garg als Gesundheitsminister und Wirtschaftsminister Bernd Buchholz ist es nicht mehr ausgeschlossen, eine Ampel zu machen. Das war für Kubicki so, aber da haben sich die Zeiten zum Glück etwas geändert.“

… Ministerpräsident Daniel Günther:

„Daniel Günther hat seinen Job in den vergangenen fünf Jahren gut gemacht. Ich bin sehr froh, dass er seiner Verantwortung gerecht geworden ist. Da waren wir bei den Grünen am Anfang schon skeptisch, weil wir ihn aus seiner Zeit als Oppositionsführer anders kannten und ganz andere Töne von ihm gewohnt waren. Er hat mit uns viele, viele Kompromisse getroffen, die für ihn und seine Partei nicht immer leicht waren.“

Der Fragebogen:

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Botschafterin. Ich fand die Vorstellung gut, für Frieden zu sorgen und zwischen Ländern zu verhandeln.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Immer an meine Fähigkeiten zu glauben.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Das wechselt ständig, aber unter anderem Barack Obama.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Hängt wahrscheinlich davon ab, wen man fragt. Aber im Abibuch schrieb mein ehemaliger Klassenlehrer, dass ich wahrscheinlich Botschafterin werde.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Politik ist etwas, was man auf Zeit tun sollte und nicht wirklich ein Beruf im klassischen Sinne ist. Ich habe mich dafür entschieden, Politikwissenschaft und Französische Philologie zu studieren, weil ich ein politischer Mensch bin und wahrscheinlich immer in dem Bereich arbeiten werde, sei es aktive Politik oder eine Organisation oder Ähnliches. Sprachen ermöglichen es, in vielen Teilen der Welt zu arbeiten, und ich spreche vier.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Vor allem meine Mutter und mein ehemaliger Lehrer Herr Rohkohl. Im politischen Raum meine ehemalige Chefin und Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg. Und Robert Habeck frage ich nach wie vor gern um einen Rat.

Auf wen hören Sie?

Auf Menschen, die kluge Analysen machen. Menschen, die von den Bereichen betroffen sind, für die ich politisch zuständig bin und darüber hinaus.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Ich habe vorher als wissenschaftliche Mitarbeiterin und persönliche Referentin bei Luise Amtsberg gearbeitet. Ich fand es immer toll, dass sie mit vollem Einsatz dabei war. An zwei Chef/-innen, die ich im Nebenjob als Kellnerin während meines Studiums hatte, habe ich bewundert, dass sie uns gegenüber re­spektvoll waren und uns vernünftig behandelt haben als Mitarbeiter/-innen.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Seine Mitarbeiter nicht respektieren.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Mein Prinzip ist vor allem, meinen Mitarbeiter/-innen etwas zuzutrauen, weil ich davon überzeugt bin, dass die Arbeit einem dann auch wichtig ist und man sie gern erledigt. Und ich habe wirklich tolle Mitarbeiter/-innen. Ohne sie würde gar nichts laufen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Ich finde es immer albern, wenn Menschen sagen, dass ihnen Geld nicht wichtig ist. Das sagen vor allem Menschen, die genug Geld haben. Geld ist wichtig, um Grundbedürfnissen nachzukommen und auch darüber hinaus sich ein schönes Leben zu machen. Das sollte allen Menschen möglich sein. Daran müssen wir als Politik arbeiten mit zum Beispiel einem höheren Mindestlohn.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Dass sie ihren Job ernst nehmen, politisch mitdenken und kreativ mitgestalten, was meine Mitarbeiter/-innen tun.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Dass die Menschen in das Arbeitsumfeld passen, in das sie dann kommen. Dass sie einen zwischenmenschlich vernünftigen Umgang pflegen, dass sie flexibel sind in der Einarbeitung in den politischen Alltag – damit meine ich keine Überstunden, sondern das hohe Tempo und die Vielfältigkeit an Aufgaben und Themen.

Duzen oder siezen Sie?

Duzen. Siezen nervt. Aber oft muss man siezen.

Was sind Ihre größten Stärken?

Keine Angst vor Konflikten zu haben. Das ist wichtig in der Politik.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ich lasse sehr vieles zu nah an mich ran.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Ich wollte gern Barack Obama kennenlernen. Und den durfte ich dann 2019 auch kennenlernen. Das hat mich sehr gefreut.

Was würden Sie ihn fragen?

Wie man den Glauben an Veränderung nicht verliert, habe ich ihn gefragt.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Es ist absolut notwendig und wichtig, dass es sie gibt, um die Interessen der Mitarbeiter/-innen vertreten zu wissen gegenüber den Chef/-innen.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich mache oft Fehler. So wie jeder Mensch.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Mich zu trauen.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Sehr unterschiedlich. Ich zähle meine Arbeitsstunden nicht. Es hängt davon ab, ob es Wochenendtermine und Abendtermine zu den regulären Arbeitsstunden gibt. Der Tag fängt in der Regel früh an und endet oft spät.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Das hängt davon ab. Ich schlafe relativ unregelmäßig und nicht so ruhig und wache nachts auf. Deshalb würde ich sagen: etwa sechs Stunden.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Mal gut und mal schlecht. Ich versuche, dann auch Pausen zu machen und mir Zeit für Freund/-innen und Familie zu nehmen.

Wie kommunizieren Sie?

Kommt auf die Situation an und mit wem. Aber im Arbeitskontext kurz und ohne Smileys. Ich glaube, viele denken immer, ich bin sauer oder genervt. Aber ich bekomme so viele Nachrichten, dass ich möglichst schnell und effizient antworten möchte.

Und ansonsten versuche ich, meinen politischen Alltag nach draußen zu kommunizieren. Über Instagram am meisten und sonst über Facebook, Newsletter und Homepage. Und bei Twitter beteilige ich mich an politischen Debatten. Außerdem habe ich einen Podcast mit Lasse Petersdotter – ein grüner Kollege, mit dem ich über den politischen Alltag im Landtag berichte.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Ganz unterschiedlich. Ich freue mich sehr über Schreibtischzeit, weil ich die meiste Zeit in Sitzungen bin oder unterwegs, und dann regelt man die Schreibtischarbeit so nebenbei und zwischen den Terminen. Aber jeder Tag fängt an und endet mit Schreibtischarbeit. Außerdem blocken meine Mitarbeiter/-innen auch bewusste Stunden in der Woche, damit ich konzentriert Dinge abarbeiten kann.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Auf jeden Fall zu schauen, was einen am meisten begeistert und worin man gut ist. Nicht jede Person hat das Privileg, sich nach diesen Kategorien einen Werdegang auszusuchen. Aber wenn es möglich ist, dann auf jeden Fall das, worin man einen Sinn sieht. Man sollte sich nichts einreden lassen von Menschen, die im Zweifel gar nicht verstehen, was man machen möchte.

Was unterscheidet den Menschen Aminata Touré von der Managerin?

Ich glaube, dass auch Manager/-innen Menschen sind ...

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Ich verstehe nicht, warum Menschen sich das Leben gegenseitig schwer machen. Es wäre vieles leichter für alle Menschen, wenn wir unsere Energie und Kraft darauf verwenden würden, dass wir ein friedliches und solidarisches Miteinander haben. Im Kleinen wie im Großen.

( HA )