Tourismus

Die Welt der Wikinger: Neue Pläne für das Museum Haithabu

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Elisabeth Jessen
Der neue Leiter des Wikinger Museum Haithabu, Dr. Matthias Toplak.

Der neue Leiter des Wikinger Museum Haithabu, Dr. Matthias Toplak.

Foto: © Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Foto: Michael Staudt

Der neue Leiter Matthias Toplack will die Welterbestätte fit für die Zukunft machen. Er war schon als Kind von dem Thema begeistert.

Haithabu. Sein Vollbart ist deutlich akkurater gestutzt als es bei einem echten Wikinger zu erwarten wäre. Auch seine Haartracht wäre damals wohl hinderlich gewesen, denn Matthias Toplak trägt einen hüftlangen geflochtenen Zopf. „Denken Sie nur an die Läuse und die Körperpflege damals“, sagt der neue Leiter des Museums Haithabu. Dermaßen lange Haare hätten Männer wohl damals nicht gehabt, mächtige Bärte dagegen schon.

Der 37-Jährige war schon in seiner Jugend fasziniert von der Welt der Wikinger und verschlang viele Bücher zum Thema. Nun hat die Wikingerstätte an der Schlei, die seit 2018 zum Weltkulturerbe zählt, mit ihm nach 34 Jahren einen neuen Chef.

Tourismus: Toplak verantwortlich für Weltkulturerbe

Das Leben sei damals ja kein Leichtes gewesen, sagt er auf dem Weg zu den Wikinger Häusern, die am Rande des Haddebyer Noors bei Schleswig einen Eindruck davon vermitteln, wie es hier zwischen der Mitte des 8. und des 10. Jahrhunderts ausgesehen haben mag. „Es muss hier ziemlich gestunken haben, Haithabu war für damalige Verhältnisse eine Großstadt“, sagt Toplak. Damals hätten etwa 1000 bis 1500 Menschen innerhalb des Ringwalles gelebt – mit Tieren und ohne Kanalisation. „Diese Häuser geben uns die Möglichkeit, dass Besucher die Wikingerzeit erfassen können.“ Das nahe gelegene heutige Schleswig sei erst im 11. Jahrhundert besiedelt worden.

Seine Vorgängerin Ute Drews hatte die Geschicke des Museums, das es seit 1985 gibt, 34 Jahre lang geleitet. Nach einem gemeinsamen Monat der Einarbeitung im September ist nun Toplak verantwortlich für die historischen Stätten. „Alles hier basiert auf den Grabungen auf diesem historischen Gelände“, sagt Toplak begeistert. Bis heute seien nur ein Prozent des Hafens, damals der größte Hafen Nordeuropas, ausgegraben und fünf Prozent der 25,5 Hektar großen Fläche innerhalb des Ringwalls.

Toplak begeisterte sich schon immer für Wikinger

Toplak, der aus Oberhausen stammt, hat schon in der 9. Klasse eine Facharbeit über die Wikinger geschrieben. „Ich bin also mit Scheuklappen auf meinen Beruf losgestürmt“, sagt der promovierte Archäologe, der in Köln und Stockholm Ur- und frühgeschichtliche Archäologie sowie Skandinavistik und Mittlere und Neue Geschichte studiert hat. Nach seiner Promotion in Tübingen arbeitete er an der dortigen Uni mehrere Jahre als Wissenschaftler und Dozent – immer mit dem Schwerpunkt Wikinger.

Die meisten hätten beim Wort Wikinger das Klischeebild von Männern mit langen Haaren und Bärten im Kopf, sagt Toplak. Eigentlich sei Wikinger aber gewissermaßen ein Beruf gewesen, es bedeute „auf Raubzug gehen“, sagt der Experte. „Diese Raubzüge gab es, aber sie waren nur ein Teil der Kultur. Die meisten damals waren Bauern, Fischer oder Handwerker.“ Haithabu sei zudem keine reine Wikingersiedlung gewesen, sondern ein „frühmittelalterlicher Meltingpot, ein Schmelztiegel, hier gab es auch Sachsen, Slawen und Franken.“

Menschen in Haithabu waren kunstfertig

Und diese Menschen waren äußert kunstfertig, wie die Exponate im Museum beweisen. Es gibt Reste kunstvoll gedrechselter Holzschalen, Musikinstrumente, filigran gearbeiteten Schmuck aus Silber und Gold, alte Kämme und eine ganze Vitrine voll unterschiedlichster Glasperlen. In der Ausstellung stehen auch vier Runensteine, deren Sinn es war, der Nachwelt die Erinnerung an bedeutende Männer zu überliefern.

Eine Rarität ist auch eine Bronzeglocke mit Klöppel aus dem 10. Jahrhundert, die im Hafen gefunden wurde – es ist die älteste vollständig erhaltene Läuteglocke Nordeuropas. Ein bedeutender Fund ist auch ein Kriegsschiff, das im Noor ausgegraben wurde und dessen originale Reste rekonstruiert wurden, so dass der Besucher eine Idee bekommt von der Größe des Schiffs. In diesen Schiffen seien die Wikinger über den Nordatlantik gesegelt und hätten beispielsweise Island besiedelt. „Wir haben alles und davon so viel, dass wir längst nicht alles ausstellen können“, sagt Toplak.

Digitale Elemente sollen entstehen

Der neue Museumschef sagt, er finde großartig, was er in Haithabu vorgefunden habe, aber er habe natürlich eigene Ideen: „Ich will die Ausstellung in den digitalen Raum erweitern. Wir arbeiten jetzt grade an einem E-Guide, damit man mit dem Smartphone durch die Ausstellung gehen kann.“ Toplak möchte Interessierten auch einen „Zugang zur Sammlung vom Sofa aus“ ermöglichen.

„Der Museumsbesuch soll auf keinen Fall ersetzt werden, die direkte Begegnung mit dem Original-Exponat ist nicht zu ersetzen, aber ich will den Besuchern die Möglichkeit geben, den Museumsbesuch vor- und nachzubereiten. Da müssen wir nacharbeiten.“ Die Pandemie sehe er als Impuls, darüber nachzudenken, was man verändern könne und müsse. Die Aufmerksamkeitsspanne etwa bei Kindern sei bei drei Minuten, darauf müsse man sich eben einstellen. Schulklassen sind ein wichtiger Teil der Besucher.

Überraschende Erkenntnisse durch Museumsbesuch

In altnordischen Quellen werde „Hithabu“ schon erwähnt, das könne man mit „Siedlung auf der Heide“ übersetzen, sagt Toplak. Haithabu sei im Grenzbereich zwischen dem Dänischen Reich, den Friesen, den Westslawen und den Sachsen.

Wer durch das Museum streift, gewinnt auch überraschende Erkenntnisse, beispielsweise wie groß der Radius der Wikinger damals war. Sie seien bis Kanada und in den Orient gekommen. „Auf dem Weg haben sie im slawischen Raum Sklaven genommen, vor allem junge Mädchen und Knaben und im Orient verkauft“, sagt Toplak.

Tourismus: Museum Haithabu bietet Mitmachangebote

Die Häuser sind von April bis Oktober geöffnet, nach diesem Wochenende ist erst einmal Winterpause. Dann ziehen auch die Hühner ins Winterquartier, die sonst durch eine Luke in eines der Gebäude schlüpfen. Üblicherweise wird hier gebacken und gekocht und man kann Menschen zugucken, die hier für eine Weile wie die Wikinger damals leben. „Die Leute gehen natürlich duschen und Zähne putzen“, sagt Toplak, aber die Lebensweise gebe sonst einen guten Einblick.

2019 kamen 180.000 Besucher, coronabedingt waren die Besucherzahlen im vergangenen und in diesem Jahr deutlich geringer, Das Museum bietet viele Mitmachangebote und Führungen für Schulklassen in unterschiedlichen Altersstufen an, aber auch Führungen für Erwachsene. Dieses Programm will Toplak noch weiter ausbauen. An diesem Wochenende wird im Museum Haithabu erwartungsgemäß mächtig was los sein. Beim Herbstmarkt werden pro Tag bis zu 2000 Besucher erwartet.