Kiel. Mit Klimaschutz, Sozialem und gerechter Bildungspolitik wollen Schleswig-Holsteins Grüne bei den Wahlen in Bund und Land punkten.

Schleswig-Holsteins Grüne peilen angesichts guter Umfragewerte weiter Platz eins im Norden bei der Bundestagswahl im September und der Landtagswahl im Frühjahr 2022 an. Die Landesvorsitzende Ann-Kathrin Tranziska gab am Rande eines zweitägigen Parteitags in Büdelsdorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) als Ziel aus, die "Gesellschaft nach der Corona-Zeit ökologisch und solidarisch zu gestalten". Ihr Co-Vorsitzender Steffen Regis betonte, "wir wollen regieren".

Die Nord-Grünen wollen bis 2035 eine vollständig auf Ökostrom beruhende Stromerzeugung erreichen. "Konsequenter Klimaschutz ist keine Bedrohung für Arbeitsplätze, sondern er ist die Voraussetzung", sagte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) am Sonntag bei der Vorstellung des mit großer Mehrheit beschlossenen Antrags.

Rückenwind für ihre Forderung nach Klimaneutralität bis 2035 verspürt die Partei durch das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. "Die Bewältigung der Klimakrise muss unser Meisterstück werden, sagte Albrecht. "Es ist eben nicht eine Freiheit, mit Tempo 240 über die Autobahn zu brettern." Es gebe auch keinen Anspruch der Menschen, in der Nähe keine neuen Windräder dulden zu müssen.

Wie die Grünen Deutschland verändern wollen

Die Grünen fordern unter anderem einen deutlich schnelleren Ausbau von Windkraft und Photovoltaik in Deutschland. Der Klimaschützer Jakob Blasel wies darauf hin, dass dies mit den im Norden von der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP verabredeten Mindestabständen für neue Anlagen nicht zu erreichen sei. "Wir müssen die Mindestabstände in Schleswig-Holstein massiv runterfahren", sagte Blasel. Eine konkrete Zahl nannte er aber nicht.

Außerdem sprachen sich die Grünen mit dem Klimaantrag für einen massiven Ausbau des Nahverkehrs sowie der Rad- und Fußwege aus. Eine 1,5-Grad-kompatible Entwicklung der deutschen Emissionen wollen sie zudem durch den flächendeckenden Umstieg auf Elektroautos, Brennstoffzellen- oder Hybridbetrieb bei Lkw sowie den Aufbau von Oberleitungen an Autobahnen erreichen. Bis 2035 müssten zudem jährlich etwa vier Prozent der Gebäude energetisch saniert werden.

Am Sonnabend hatten die rund 130 Delegierten online über Arbeit- und Bildungspolitik beraten. Die Partei will weitreichende Reformen des Bildungssystems, um mehr Chancengleichheit zu erreichen. Sie bringt Brückenkurse für den Sommer ins Gespräch, um den Übergang von der Schule zum Studium zu erleichtern. Zudem wollen sie die verheerenden Arbeitsbedingungen in einigen Bereichen verbessern.

Grüne flirten mit der SPD

Es fielen aber auch Personalentscheidungen. Tranziska und Regis wurden für zwei weitere Jahre als Landesvorsitzende gewählt. Sie führen den Landesverband seit 2017 gemeinsam und hatten keine Gegenkandidaten. Für Regis stimmten 109 Delegierte bei 9 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Tranziska wurde mit 91 Ja-Stimmen bei 14 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen wiedergewählt.

Tranziska gab eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl und der Landtagswahl im Frühjahr als Ziel aus. "Auch hier möchten wir stärkste Fraktion werden, auch hier würden wir gerne die Regierung von vorn gestalten", sagte sie mit Blick auf Schleswig-Holstein. Regis betonte, für die Zeit nach der Landtagswahl sei die Regierungskonstellation offen. "Stand jetzt zeichnet sich natürlich ab, dass es eine gewisse Nähe zur SPD gibt."

Angesprochen auf eine denkbare Spitzenkandidatur des Bundesvorsitzenden Robert Habeck sagte Regis, Habeck wolle eine Rolle im künftigen Bundeskabinett spielen. Es sei aber nichts ausgeschlossen. Nach der Sommerpause werde der Vorstand einen Vorschlag machen.

Grüne mahnen vor Bundestagswahl

Zum neuen Landesvorstand gehören neben der neuen stellvertretenden Vorsitzenden Juliane Michel – sie folgt auf Gazi Freitag – auch Schatzmeisterin Rebecca Bräutigam, die frauen- und genderpolitische Sprecherin Selma Beck und für die Grüne Jugend Mayra Vriesema an.

Landtagsfraktionschefin Eka von Kalben mahnte bei allem Jubel über den derzeitigen Rückenwind durch Umfragen. "Wir werden uns auch bewähren müssen."