Tangstedt

Albig rät Tangstedt von der Pferdesteuer ab

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Christopher Herbst
Nach Einführung der einer Pferdesteuer in Tangstedt müssen Pferdebesitzer damit rechnen, 150 Euro im Jahr pro Tier zu zahlen

Nach Einführung der einer Pferdesteuer in Tangstedt müssen Pferdebesitzer damit rechnen, 150 Euro im Jahr pro Tier zu zahlen

Foto: BGZ / Wiebke Schwirten

Ministerpräsident spricht sich drei Monate vor der Landtagswahl gegen umstrittene Abgabe aus. Kommunalpolitik kritisiert Einmischung.

Tangstedt.  Ein Ministerpräsident tätigt in der Regel keine unbedachten Aussagen. Erst recht nicht vor mehr als 5000 Zuhörern, dazu weniger als vier Monate vor einer Landtagswahl. Und deswegen haben in Tangstedt Gegner und Befürworter der Pferdesteuer genau registriert, was Schleswig-Holsteins Regierungschef Torsten Albig (SPD) kürzlich beim „Ball der Pferdefreunde“ in den Neumünsteraner Holstenhallen öffentlich sagte. „Ich glaube, es ist kein geeigneter Weg, kommunale Finanzen zu verbessern, indem man Steuern erhebt auf den Pferdesport. Es gibt sicher bessere Wege.“ Und: „Reiten ist Breitensport.“

Zwar fügte Albig anschließend an, er habe nur seine Privatmeinung geäußert; eine derartige Steuer einzuführen, das sei Sache der kommunalen Selbstverwaltung. Diese fußt auf dem Subsidiaritätsprinzip, also einem Fundament des Föderalismus, wonach Kommunen soweit wie möglich ihre Aufgaben selbst wahrnehmen sollen. Wenn eine Mehrheit der Tangstedter Politiker – in diesem Fall SPD und Bürgergemeinschaft Tangstedt (BGT) – also eine Pferdesteuer erheben möchte, geht das ohne Genehmigung aus Kiel.

Tangstedter Reiter initiierten Anti-SPD-Kampagne

Allerdings wird am 7. Mai ein neuer Landtag gewählt. Ob die Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) ihre Mehrheit behält, ist zumindest fraglich. Das wissen auch die Reiter aus Tangstedt, die Anfang des Jahres eine Kampagne initiierten, die unverhohlen zur Abwahl der SPD aufrief – eben, weil sich nach ihrer Ansicht die Sozialdemokraten auf Landesebene nicht ausdrücklich gegen die Pferdesteuer ausgesprochen hatten. Explizit genannt wurde der Landesvorsitzende und Fraktionschef Ralf Stegner, der auf Briefe nur floskelhaft geantwortet habe. Deswegen wurde folgende Drohung genannt: Es gebe rund 250.000 wahlberechtigte Reiterinnen und Reiter sowie Familien und Freunde, welche bei der Wahl ihr Kreuz an anderer Stelle machen könnten.

Als Bildungsministerin Britta Ernst am 15. Januar in Tangstedt anlässlich des SPD-Neujahrsempfangs zu Gast war, vermied sie eine öffentliche Stellungnahme bewusst und sprach nur kurz mit den Demonstranten. Ganz anders Albig, der in Neumünster sagte, das Land sei stolz auf die 100.000 Menschen, die sich größtenteils ehrenamtlich mit dem Pferdesport beschäftigten.

Jürgen Pieper, Verwalter des Gutes Tangstedt, hörte die Rede live. „Ich habe mein Handy gleich gezückt und mitgeschnitten.“ Auch wenn Torsten Albig betonte, nicht den Tangstedter Genossen ins Wort fallen zu wollen, empfinden die Reiter die Aussagen des Ministerpräsidenten als Etappensieg. Pieper: „Wir gehen weiter überall demonstrieren, wo die SPD auftaucht – bis die Steuer vom Tisch ist.“

Der Landespferdesportverband (PSH) mit Sitz in Bad Segeberg hat die Albig-Zitate auf seiner Homepage veröffentlicht – mit Genehmigung der Staatskanzlei. PSH-Geschäftsführer Matthias Karstens nennt die Positionierung des Spitzenpolitikers „sehr erfreulich“. Er verweist allerdings darauf, dass die Pferdesteuer-Frage nicht nur mit der SPD verknüpft sei. So habe Bad Sooden-Allendorf in Hessen, dessen Satzungsentwurf Tangstedt übernommen hat, einen CDU-Bürgermeister.

BGT missfallen die Worten des Ministerpräsidenten

Die Tangstedter Sozialdemokraten haben die Meinungsäußerung von Torsten Albig zur Kenntnis genommen. „Wir müssen unsere Politik nicht ändern. Torsten Albig bestimmt nicht die Politik in Tangstedt“, sagt Raymund Haesler, Mitglied des Finanzausschusses. „Albig hat gesagt, es ist Sache der Kommune – und nicht: Ihr dürft das nicht.“ Haeslers Sohn Christoph leitet den Finanzausschuss, weswegen die geplante Abgabe von Gegnern als „Haesler-Steuer“ bezeichnet wurde. Die Kehrseite: Aufgrund von Anfeindungen hat Christoph Haesler seine Kontaktdaten mittlerweile von der Gemeinde-Internetseite entfernen lassen.

Lothar Metz, Fraktionsvorsitzender der BGT, ist für die Pferdesteuer. Torsten Albigs Kommentare missfallen ihm. „Das kommt mir suspekt vor. Torsten Albig mischt sich in Gemeindeangelegenheiten ein. Und wenn er angeblich gesagt haben soll, es gibt bessere Möglichkeiten, eine Gemeinde zu finanzieren, dann soll er sie bitten nennen.“ Worauf Metz abzielt: Die Landesplanung erlaubt es Tangstedt nicht, größere Gewerbegebiete zu erschließen, da das Dorf als Naherholungsraum gilt. Aus Sicht vieler Politiker sind die Vorgaben aus Kiel unverhältnismäßig und eine Mitursache für das siebenstellige Haushaltsdefizit.

Wenn sich der Finanzausschuss an diesem Dienstag in der Amtsverwaltung (19.30 Uhr, Itzstedt, Segeberger Straße 41) trifft, steht die Pferdesteuer nicht auf der Tagesordnung, wohl aber die desolate Finanzlage. Ob sich die Fraktionen auf einen Etat einigen, ist offen. Die Pferdesteuer ist am 8. Februar (19.30 Uhr, Rathaus) auf der nächsten Gemeindevertretersitzung Thema. Denn weiterhin ist unsicher, ob die Satzung gegen den Grundsatz zur Förderung des Sports in der Landesverfassung verstößt. Deswegen soll eine juristische Prüfung in Auftrag gegeben werden – wenn diese nicht zu teuer wird.