"Vogel-Strauß-Preis"

Piraten sorgen mit Plüschtier für Skandal im Kieler Landtag

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Mit dem „Vogel-Strauß-Preis für außerordentliche Leistungen bei der Verschleppung wichtiger Reformen in unserem Land“ wollten die Piraten das Verhalten der Regierungsfraktionen, der sie ständiges Vertagen von Piraten-Parlamentsinitiatven vorhalten, aufspießen

Mit dem „Vogel-Strauß-Preis für außerordentliche Leistungen bei der Verschleppung wichtiger Reformen in unserem Land“ wollten die Piraten das Verhalten der Regierungsfraktionen, der sie ständiges Vertagen von Piraten-Parlamentsinitiatven vorhalten, aufspießen

Foto: Matthias Hoenig / dpa

Der Piratenabgeordnete Breyer will SPD-Fraktionschef Stegner eine Stoff-Puppe überreichen und erregt damit die Gemüter der Politiker.

Kiel. Mit einem schwarzen Rucksack in der Hand geht der Piratenabgeordnete Patrick Breyer am Mittwoch zwei Mal ans Rednerpult des schleswig-holsteinischen Landtags. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki steht auf und interveniert bei Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) beim zweiten Mal: Er fühle sich „etwas unwohl“ dabei und bitte darum, dass Breyer darauf verzichte, sagt Kubicki - was Breyer auch macht und den Rucksack zunächst einem anderen Piraten gibt.

Doch nach einer „ persönlichen Erklärung“ mit massiver Kritik am Verhalten der Regierungsfraktionen lüftet Breyer das Geheimnis um den Rucksack - vordergründig geht es um ein Plüschtier, politisch aber um handfeste Vorwürfe. Breyer holt eine Handpuppe aus Stoff heraus, einen Vogel Strauß, und geht zu SPD-Fraktionschef Ralf Stegner, um ihm das Stofftier zu überreichen, was dieser aber ignoriert.

"Das ist kein Kasperletheater hier"

Breyer legt das Plüschtier auf Stegners Pult. „Das ist kein Kasperletheater hier“, ruft Kubicki dazwischen. Schlie fordert Breyer mehrfach auf: „Ich bitte Sie sehr eindringlich, Herr Dr. Breyer, bitte nehmen Sie dieses Stofftier und legen es auf Ihren Platz, und zwar so, dass wir es nicht sehen. Die Würde des Hauses erfordert das. Ich bitte Sie, diese zu wahren.“ Und Schlie fährt fort: „Ich erteile Ihnen wegen Ihres Verhaltens einen Ordnungsruf!“

Später wird der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat twittern: „Piraten behalten mitgebrachtes Stofftier selbst. Vielleicht tröstet es sie über wachsenden Bedeutungsverlust hinweg...“ Und Lars Harms vom SSW erklärt launig: „Der Abgeordnete Breyer beweist: Die Piraten haben echt einen Vogel.“

Doch worum geht es den Piraten politisch?

Mit der Stoffpuppe wollen sie der Koalition einen „Vogel-Strauß-Preis für außerordentliche Leistungen bei der Verschleppung wichtiger Reformen in unserem Land“ verleihen. Der Kernvorwurf: SPD, Grüne und SSW würden Entscheidungen des Landtags über unbequeme Reforminitiativen durch Vertagung und Verschleppung verhindern. „ Seit über einem Jahr blockiert die Koalition Abstimmungen zur Einführung von Karenzzeiten für Minister, zu Zweckentfremdung und Leerstehenlassen von Wohnungen, zum „Section Control"-Massenscanning, zur Förderung des Radverkehrs und gegen die fortschreitende Privatisierung von Schleswig-Holsteins Küsten und Ufern“, kritisiert Breyer.

Das Fass zum überlaufen bringt für Breyer am Mittwoch eine erneutes Absetzen eines Gesetzesentwurfs der Piraten von der Parlaments-Tagesordnung für Donnerstag. In dem Entwurf fordern die Piraten eine dreijährige Karenzzeit von Ministern, wenn sie aus der Politik aussteigen und in die Wirtschaft wechseln. Die Piraten hatten den Gesetzentwurf im Oktober 2014 in erster Lesung eingebracht, im zuständigen Ausschuss wurde der Entwurf noch nicht abschließend behandelt. Nun wollten die Piraten ohne Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses über ihren Entwurf sofort in Zweiter Lesung abstimmen lassen.

Aber auch das verhinderten die anderen Fraktionen, indem sie die Tagesordnung änderten. Breyer reagiert ironisch: „Meine Damen und Herren von SPD, Grünen und SSW: Ihre Vogel-Strauß-Politik des jahrelangen Kopf-in-den-Sand-Steckens vor unbequemen Reformen ist nicht nur rekordverdächtig, sie ist sogar preiswürdig.“ Er erinnert an den Wechsel des früheren Innenministers Andreas Breitner (SPD) in die Wirtschaft: Über ein Jahr nach dessen „unsäglichen Seitenwechsel“ in die Wohnungswirtschaft habe die Koalition noch immer kein Gesetz gegen „ solche schmutzigen Deals“ zustande gebracht, sagt Breyer.