Die vor einer Woche als Kieler Oberbürgermeisterin zurückgetretene Susanne Gaschke erklärt ausführlich in der Öffentlichkeit ihr Scheitern. Jetzt will die frühere Journalistin ein Buch schreiben.

Hamburg/Kiel. Ihr Rücktritt ist gerade mal eine Woche her, jetzt erklärt die Kurzzeitoberbürgermeisterin und frühere Journalistin Susanne Gaschke ihr Scheitern noch mal ausführlich in der Öffentlichkeit – und zeigt sich dabei überraschend gelöst und auch ein bisschen zerknirscht. Sie fühle sich „wie nach einem schweren Autounfall, alles tut weh“, gab sie in der aktuellen Ausgabe des „Spiegels“ zu Protokoll. Trotzdem habe auch Erleichterung eingesetzt nach der Entscheidung aufzuhören. „Ein gutes Gefühl, das immerhin.“

Am vergangenen Montag war Susanne Gaschke nach wochenlangem Streit über einen inzwischen als rechtswidrig erklärten Steuerdeal zugunsten eines Kieler Augenarztes zurückgetreten. „Wenn es nur nach mir gegangen wäre, hätte ich früher Schluss gemacht“, sagte sie dem „Spiegel“. Aber sie habe auch an die Menschen gedacht, die mit ihr eine neue Politik machen wollten und an die, die sie gewählt hätten. Das hatte bei ihrer Abschiedsrede im Rathaus noch ganz anders geklungen, als die 46-Jährige ihren Gegnern eine „testosterongesteuerte“ Politik attestiert hatte. Das habe einen Politikstil auf den Punkt bringen sollen, gegen den sie angetreten sei, erklärte Gaschke nun. Bei der Rede sei ihre Stimme gekippt, „verhängnisvoll für eine Frau. Der größte Mist, der passieren kann, weil das gleich so hysterisch wirkt.“

In der Sache räumte Gaschke Fehler ein. Im Nachhinein müsse sie sagen, der ganze Ärger hätte vermieden werden können, wenn sie die Fraktionsvorsitzenden im Rat eingebunden hätte. Allerdings machte die Ex-Stadtchefin erneut deutlich, dass sie ihre Amtsvorgänger, darunter auch den jetzigen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD), in der Mitverantwortung sieht. Das Hickhack der vergangenen Wochen bis zum offenen Zerwürfnis mit dem schleswig-holsteinischen Regierungschef sieht sie in einem größeren Zusammenhang. Schon bei ihrer Kandidatur hätten sowohl Albig als auch Landeschef Ralf Stegner und die Leiterin der Kommunalaufsicht, die ihre innerparteiliche Gegenkandidatin gewesen war, gegen sie gestanden. „Die wollten mich nie.“ Diese Vorgeschichte könnte man nicht ausblenden. „Das war jetzt irgendwie ein Rückspiel.“

Ein bisschen wirkt es so, als wolle die Journalistin, die mit ihrem Rücktritt auch eine Debatte über Seiteneinsteiger in der Politik ausgelöst hatte, sich mit dem Dreiseiteninterview die Deutungshoheit über ihre Geschichte zurückholen. Bereits am Freitag war Gaschke in der Talkrunde „3nach9“ aufgetreten und hatte sich den Fragen ihres ehemaligen Chefredakteurs bei der Wochenzeitung „Die Zeit“, Giovanni di Lorenzo, gestellt. Fast 18 Minuten hatte dieser Gaschke in die Mangel genommen. Auf die Frage, ob sie mit ihrem Wechsel in die Politik „den Fehler ihres Lebens“ gemacht hatte, sagte sie: „Ich würde diesen Schritt wieder tun, aber viele Dinge nicht wieder so machen.“ Später gestand sie ein: „Ich habe es vergurkt.“

PD-Parteigenosse Björn Engholm nannte Gaschke „bockig“

Damit meinte Gaschke auch ihren Umgang mit Kritik, die sie sehr persönlich genommen habe. Sie habe sich in einer „psychischen Ausnahmesituation“ befunden und einen „Tunnelblick“ bekommen. Parteigenosse Björn Engholm habe sie einmal als „bockig“ bezeichnet. „Das kann sein, dass das ein Charakterzug von mir ist, an dem ich am Ende auch gescheitert bin.“

Selbstkritik äußerte Susanne Gaschke, die als äußerst meinungsstarke und kritikfreudige Journalistin galt, auch in einem anderen Punkt. Es sei „unendlich viel leichter, die beobachtende Rolle einzunehmen“, sagte sie und schilderte, wie sehr es sie belastet habe, sich über Wochen in den Schlagzeilen zu sehen. Sie habe den Perspektivwechsel erlebt, sagte sie. „Mir tun ein paar Sachen leid, die ich geschrieben habe“, sagte sie. Sie wolle ein paar Briefe an Menschen schreiben, die sie sehr verletzt habe. In Zukunft will Susanne Gaschke, die nach ihrer nur elfmonatigen Amtszeit keinerlei Versorgungsansprüche hat, wieder schreiben. Offenbar denkt sie auch daran, ihre Erfahrungen als Berufspolitikerin in einem Buch zu verarbeiten.

Unterdessen hat in Kiel die Suche nach einem Kandidaten für die Nachfolge der zurückgetretenen Oberbürgermeisterin begonnen. „Wir brauchen eine Persönlichkeit, die sowohl über politische Erfahrung und Verwaltungskompetenz verfügt“, sagte der SPD-Kreisvorsitzende Jürgen Weber am Wochenende. Die drei Kooperationspartner in der Kieler Ratsversammlung wollen mit einem gemeinsamen Kandidaten zur OB-Wahl antreten. Auch die CDU spricht sich für einen parteiübergreifenden Bewerber aus. Am 9. November soll es ein erstes Gespräch geben.