Hof Dannwisch bei Elmshorn arbeitet bewusst biologisch-dynamisch und traditionell. Ein ehemaliger Bankmanager findet hier seine neue Berufung. Ein Leben im Hier und Jetzt, im Einklang mit der Natur.

Horst. Für so manchen Großstadtbewohner stellt sich auf dem Hof Dannwisch schnell mal eine Art Kulturschock ein. Über Schlaglöcher polternd, den Blick durch Staubwolken vernebelt, führt der Weg zum Hof durch eine verwunschene Kastanienallee. Katzen springen zur Seite, Kinder bringen sich auf Spielzeugtraktoren in Sicherheit. Vor dem Ensemble aus großen Gutsgebäuden, gruppiert um jahrhundertealte Bäume und verwitterte Holzbänke, flattern Hühner auf, Kälber blinzeln verträumt ins Sonnenlicht. Felder reichen bis zum Horizont, sonstige Zeichen der Zivilisation fehlen. Knapp eine Stunde Fahrt von Hamburg, und man erreicht einen Bauernhof wie aus längst vergangenen Zeiten, mit einem Leben im Hier und Jetzt, im Einklang mit der Natur, für die Tiere, von den Tieren.

Der Hof Dannwisch im 100-Seelen-Dorf Horst bei Elmshorn wirkt nicht nur wie aus einer anderen Zeit, er produziert auch entsprechend. Der Demeter-Betrieb gehört zu den letzten Anbietern in Deutschland, die Käse noch wie früher herstellen. Von Kühen, die einen Namen tragen, gefüttert mit Gras und Heu, und aus Milch, die praktisch direkt vom Euter verarbeitet wird, handwerklich statt industriell. Nur zwei, drei Käsereien in Norddeutschland arbeiten noch so. Der weit überwiegende Teil der Käseproduktion liegt dagegen in der Hand von Großbetrieben, die sich auf Massenfertigung für Supermärkte und Discounter konzentrieren.

„Wir haben hier unseren eigenen geschlossenen Kreislauf“, beschreibt Dirk Homeister, 42, die Arbeitsweise der Käserei in der Region Unterelbe. Im Sommer lebten die Kühe auf der Weide, für den Winter lagerten die Mitarbeiter Heu auf dem Boden ein. Auf Silage für die Fütterung, die das Risiko der Bakterienbildung berge, könne der Betrieb damit verzichten. Die Tiere behielten ihre Hörner, ebenfalls ein Unterschied zur Massentierhaltung der Industrie, wo die Kühe heute ausschließlich in Ställen gehalten werden und sich im Gedränge mit dem Kopfschmuck verletzen könnten.

Auch bei der Käseherstellung wird in Horst praktisch nur das verwendet, was der Betrieb selber hergibt: Rohmilch, Lab, Bakterien, welche die Milch versäuern. Dazu höchstens noch zugekaufte Kräuter oder Pflanzenasche zum Veredeln der Produkte. An der Tür zum Käselager erinnert ein Spruch von Rainer Maria Rilke an eine weitere Zutat der traditionellen Herstellung, die Zeit: „Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann ...“

Die ganz eigene Philosophie, die der biologischen Landwirtschaft auf dem Demeter-Hof eigen ist, hat auch das Leben von Dirk Homeister auf den Kopf gestellt: In seinem früheren Berufsleben war der Mann, der heute den Tag im Rhythmus der Tiere verbringt, Portfoliomanager bei einer Bank in Hamburg. Der studierte Volkswirt verwaltete Millionenbeträge, jonglierte mit Vermögen. „Man verteilt um, ist aber nicht produktiv“, fasst Homeister, der heute mit sonnenverbranntem Gesicht, T-Shirt und Arbeitsschuhen kaum mehr an einen Bankmanager erinnert, seine damalige Aufgabe. Im Hinblick auf Lebensmittel wirke das System immer gleich: Das Geld fließe durch die Spekulationen von den Produzenten zu den Anlegern. Homeister entschied sich vor zwei Jahren dazu, künftig selber etwas herzustellen, durch seiner eigenen Hände Arbeit. „Heute kann ich meiner Tochter hier zeigen, was ich mache, das war in der Finanzbranche schwieriger“, freut sich der Käser über seine neue Aufgabe.

In den Reiferäumen wuchtet er die Laibe aus den Regalen, greift zum Pinsel und bestreicht die Rinde mit Salzwasser. „Das gehört zur täglichen Pflege der Produkte“, sagt der junge Mann, der sich das Handwerk in Seminaren und durch die tägliche Arbeit auf dem Hof selber beigebracht hat. Bei der industriellen Fertigung verwendeten die Anbieter dagegen häufig Antibiotika, um die Schimmelbildung auf der Rinde zu verhindern. „Das kann beim Menschen zu Resistenzen führen“, warnt Homeister.

Insgesamt 200.000 Liter Milch im Jahr verarbeitet der Hof Dannwisch. Gut 40 Kühe liefern den nahrhaften Stoff, zweimal am Tag kommen sie mit vollem Euter in den Stall, werden noch von Hand gemolken. 550 Liter am Tag geben die Tiere, weniger als die Hochleistungskühe, die bei den meisten anderen Produzenten kaum noch mit Menschen in Berührung kommen: In Großbetrieben ersetzen heute Roboter die Mitarbeiter. Futterroboter liefern dort die Silage, Melkroboter zapfen die Euter an, der Landwirt bekommt eine SMS auf sein Smartphone, wenn eine Kuh sich mehr als 14 Stunden nicht mehr am Melkstand hat blicken lassen. In den Milch verarbeitenden Industriebetrieben bestimmt der Preisdruck die Produktion. 30 bis 40 Cent bekommen die Erzeuger heute für einen Liter Milch.

Dieser betriebswirtschaftlichen Wirklichkeit muss sich auch der Hof Dannwisch stellen. „Unsere Erzeugungskosten liegen bei 70 bis 80 Cent pro Liter Milch“, sagt Thomas Scharmer, 53, von der Pächtergemeinschaft des Hofes, Arbeitgeber von Homeister. Zwar ist der Rohmilchkäse aus Horst für die Kunden etwas teurer als viele Supermarktprodukte: 1,90 Euro kostet der Hofkäse natur pro 100 Gramm, sechs Monate gereifte Spezialitäten gibt es für rund 2,50 Euro im Hofladen, im Onlineshop oder bei Vertriebspartnern wie dem Mercado in Ottensen, Delikat in der Clemens-Schultz-Straße oder dem Biomarkt in der Bahnhofstraße in Wedel. Aber insgesamt rechnet sich das Geschäft für den Hof und seine rund 14 Mitarbeiter kaum. Mit den Milchprodukten und weiteren Erzeugnissen wie Gemüse und Fleisch setzt der 1957 auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umgestellte Betrieb heute rund 1,5 Millionen Euro im Jahr um. 200.000 Euro trägt der Käse dazu bei.

Die Nachfrage ist vorhanden, jedes Jahr kaufen die Kunden etwa zehn Prozent mehr Hofkäse, Paprika- oder Bockshornkleekäse von Dannwisch. Die Verbraucher wollen Produkte aus der Region, biologisch hergestellt, der Trend zur bewussten Ernährung setzt sich immer mehr durch. Allerdings ist es schwer, diesen Anspruch im Hochlohnland Deutschland auch zu erfüllen. „Die Marge ist sehr überschaubar“, sagt Scharmer. 300.000 Euro wird er schon bald für einen neuen Stall ausgeben müssen, auch die Räume für die Käsefertigung platzen schon aus allen Nähten. Es wird nicht leicht sein, den Betrieb mit seinen 160 Hektar Land trotz steigender Energiekosten und immer neuen EU-Auflagen aufrechtzuerhalten. „Wir können zwar nicht billig, aber mit unserer Arbeitsweise Vertrauen schaffen“, wirbt Scharmer für die Produktion des Hofes, auf dem er schon aufgewachsen ist.

Auch für Käser Homeister steht fest: „Wir brauchen eine ordentliche Portion Idealismus, aber es lohnt sich, wir machen etwas Sinnvolles.“ Auch wenn er damit nicht reich wird, der Hamburger Familienvater wird auch in Zukunft jeden Morgen durch die Kastanienallee zu seinem Arbeitsplatz fahren, um sich um die Kühe und den Käse zu kümmern.