Grüne Monika Heinold stimmt das Kieler Kabinett auf den Schuldenabbau ein. Ab 2020 sollen keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden.

Kiel. Sie braucht nicht viel. Ihre Kleidung: praktisch. Ein Hosenanzug. Ihre Unterlagen: Eine Mappe. Darin ein paar Seiten mit Infos. Ihre Wortwahl: fast schon dreist. Dem Lübecker Landgerichtspräsidenten, der sich ihr mit Doktortitel vorstellt, schenkt sie genau drei Worte: „Hoffentlich ehrlich erworben.“ Sie lächelt, es ist ein Scherz. Der Mann ist verdattert. Ja, sagt er, das mit dem Doktortitel sei schon lange her, er könne sich kaum noch daran erinnern. Sie merkt, dass da irgendetwas mit ihr durchgegangen ist. „Ist es nicht merkwürdig“, sagt sie besänftigend, „dass Menschen heutzutage vorgeworfen wird, sie hätten in ihrer Doktorarbeit vor 40 Jahren vielleicht irgendwelche Fehler gemacht? Wer weiß schon noch, was er damals geschrieben hat?“

Monika Heinold, 54, ist seit gut einem Jahr Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein. Die Vergangenheit interessiert sie nicht. Ihr Feld ist die Zukunft. Das mit 27,3 Milliarden Euro verschuldete Bundesland hat sich verpflichtet, von 2020 an ohne neue Kredite auszukommen. Gelingt das, wäre es eine Zeitenwende. Denn so unterschiedlich die Regierungen in den vergangenen 50 Jahren auch agiert haben mögen, in einem Punkt waren sie alle gleich: Sie gaben viel mehr Geld aus als sie hatten.

Als Finanzministerin ist das vorsichtige Wirtschaften nicht ganz so einfach

Sie waren wie Trunksüchtige, die immer mehr Stoff brauchten. Mit jedem Jahr seit 1964 wuchs der Schuldenberg. 2020 soll damit Schluss ein. Dann will Heinold den Gipfel erreichen und sagen können: „Mehr wird es nicht. Von jetzt an geht es bergab.“

Und deshalb setzt sie Schleswig-Holstein auf Entzug. 420 Millionen Euro leiht sich das Land in diesem Jahr, im kommenden Jahr sollen es laut Finanzministerium 377 Millionen Euro sein, 2015 nur noch 150 Millionen Euro. Ob die Finanzministerin den Nullpunkt tatsächlich erreicht, ist fraglich. Schon allein deshalb, weil sich die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW im Jahr 2017 einer Landtagswahl stellen muss.

Aber Heinold ist hartnäckig. Die kleine, schlanke Frau mit dem Kurzhaarschnitt wirkt etwas unscheinbar. Aber wenn sie will, kann sie auffallen. Sie hat da ein paar Tricks. Zum Beispiel dieser dreiste Satz zur Begrüßung des Landgerichtspräsidenten. Oder ihre bisweilen ins Störrische spielende Beharrlichkeit. Das Gymnasium in Bad Bramstedt hat sie damals nach dem Realschulabschluss einfach geschmissen, weil es ihr zu bildungsbürgerlich war. „Ich wollte etwas Praktisches machen“, sagt sie. Sie wurde Erzieherin. Dann nahm sie sich vor, eine Weltreise zu machen. Sie arbeitete zwei Jahre, sie sparte, was sich sparen ließ. Und los: Singapur, Australien, Neuseeland, Indonesien, China, Russland.

In Peking lernt sie, wie man in Ostblock-Hotels, die mit einzelnen Reisenden aus dem Westen nichts anzufangen wissen, ein Zimmer bekommt. „Einfach ins Foyer setzen und warten“, erzählt sie. „Irgendwann spät abends werden sie weich, weil in den Städten niemand draußen übernachten darf.“ Nach der Weltreise arbeitet sie als Erzieherin, bekommt zwei Söhne, trennt sich von ihrem Mann, wird Alleinerziehende – und geht in die Politik. Seit 1996 ist sie Landtagsabgeordnete, zehn Jahre lang war sie parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. Sie weiß, wie der Laden läuft.

Den Umgang mit Geld hat sie schon früh gelernt. Ihrem Vater Wolfgang Erhardt Heinold, der Bücher übers Verlagswesen und übers Erzgebirge verlegt, hat sie in der Buchhaltung geholfen. „Ich habe immer vorsichtig gewirtschaftet“, sagt sie. „Wenn man am Ende des Monats noch Geld für ein Eis übrig hat, dann freut man sich doch.“

Aber als Finanzministerin ist das vorsichtige Wirtschaften nicht ganz so einfach. Da können zum Beispiel, wie dieses Jahr geschehen, die Personalkosten plötzlich steigen. Ursache: Ein hoher Tarifabschluss für die Angestellten im öffentlichen Dienst, der dann auch noch auf die Beamten übertragen wurde. Folge: 54,6 Millionen Euro Mehrausgaben allein in diesem Jahr. Heinold hat das nicht gut gefunden, aber sie hat sich nicht durchsetzen können. Jetzt versucht sie es mit Beharrlichkeit.

Zum Beispiel in Lübeck. In die Hansestadt ist sie eigentlich gekommen, um über die Sanierung des Landgerichts zu sprechen. Acht Millionen Euro soll sie kosten, ein Teil des Geldes kommt aus einem Programm namens Profi, dass so ein bisschen ihr Kind ist. Die Idee: Gebäude werden besser gedämmt, verbrauchen so weniger Energie. Geld wird ausgegeben, um Geld zu sparen.

Anders formuliert: Weg von der Nach-mir-die-Sintflut-Politik der Vorgänger, hin zu einer Am-Ende-gibt-es-ein-Eis-Politik. Heinold spricht mit leiser, Aufmerksamkeit fördernder Stimme über ihr Programm – und wechselt dann das Thema. Denn sie hat hier den Landgerichtspräsidenten vor sich, dazu seinen Stellvertreter und den Präsidenten des benachbarten Amtsgerichts. Alles Leute, die von der Tariferhöhung profitieren. „Für Sie angenehm, für mich nur halb angenehm“, sagt sie. Dann erklärt sie, warum sich das Land diese Tarifsteigerung eigentlich nicht hat leisten können. Und lässt durchblicken, dass die Beamten sich darauf einstellen müssen, bei der nächsten Tariferhöhung mit weniger Geld als die angestellten Kollegen auszukommen. Gibt es Widerspruch oder gar eine Verurteilung solcher Vorstellungen? Nein. Die Gerichtsherren schweigen.

Und dann kommt auch noch Glück dazu. Die Zinsen sind niedrig, die Steuereinnahmen sprudeln, die Volkszählung, der Zensus, hat dem Land Millionen eingebracht. Die Ministerin hat am vergangenen Dienstag dem Kabinett und der Öffentlichkeit die „fröhliche Botschaft“ (Heinold) verkünden können, dass das Land vielleicht schon 2017 Schulden abbauen wird und nicht erst 2020. Außerdem sind noch je zehn Millionen Euro für Kitas und den Hochschulbau da, und im kommenden Jahr soll es ein Investitionsprogramm in Höhe von 50 Millionen Euro geben. Die Zeitenwende rückt näher. Das ist ein dickes Eis – mit ganz viel Sahne.