Die Lübecker wählen mit Bastian Langbehn von „Die Partei“ erstmals einen Vertreter einer Politikveralberungspartei in die Bürgerschaft.

Lübeck. Bastian Langbehn hat ein Problem. Eigentlich sogar zwei, was für ein führendes Mitglied einer Spaßpartei gewiss kein erfreulicher Zustand ist. Aber was soll er machen? Seitdem der 30-Jährige am vergangenen Sonntag das erste Mandat für "Die PARTEI" geholt hat und sich Mitglied der Lübecker Bürgerschaft nennen darf, ist er einfach prominent - fast schon so prominent wie sein Parteichef Martin Sonneborn, ehedem Chefredakteur der Satirezeitschrift "Titanic" und nun Außenreporter der "heute-show". Langbehn, groß, rundlich, gemütlich, wuschelige Haare, ist ins Fadenkreuz der Medien geraten. "Dass es einen solchen Hype gibt, hätte ich nicht gedacht", sagt er.

Eben war er schon wieder im Stress. Einkauf mit der Mutter, Getränkekisten schleppen, und immer die Sorge: Ist er rechtzeitig zurück zum Termin mit dem Abendblatt-Reporter? Er ist. Und er findet sogar langsam Gefallen an den Gesprächen mit Journalisten. Was zu seinem zweiten Problem werden könnte: "Vielleicht falle ich in ein Loch, wenn keiner mehr anruft." Aber vielleicht wäre es auch besser, wenn das alles bald ein Ende hätte. "Meine Freundin wird schon ungeschmeidig", sagt er grinsend. Und wuschelt seine durchgewuschelten Haare noch einmal neu durch.

Der Lübecker Ableger der von Sonneborn geborenen Politikveralberungspartei mag ein Sammelbecken von Spaßvögeln sein. Allein mit Spaß ist die Teilnahme an einer Kommunalwahl allerdings nicht zu bewerkstelligen. "Titanic"-Leser Langbehn ("Ich mag Orga") hat sich im Lübecker Rathaus beraten lassen und dann Wahlunterlagen zusammengestellt, die beanstandungslos die staatlichen Kontrollen passierten. Weshalb auch Frau Rehbock aus dem Rathaus im Wahlprogramm der PARTEI lobende Erwähnung fand. Sie sei die "Fee der Wahlen und Gewählten", die Königstraße im Zentrum Lübecks solle ihr zu Ehren in "Frau-Rehbock-Chaussee" umbenannt werden.

So nett sind viele Scherze im sechsseitigen Programm, das gegenüber den Werken manch anderer Parteien den Vorzug hat, sich intensiv der Lübecker Probleme anzunehmen. Zum Beispiel des Finanzproblems. 1,3 Milliarden Euro Schulden hat die Stadt, da ist jeder Vorschlag willkommen. Die PARTEI hat einige: Rüstungsindustrie ansiedeln, Haschisch in städtischen Kifferhöhlen anbieten, das Holstentor versteigern. Langbehns neueste Idee: "Lübeck baut die Elbphilharmonie zu Ende und bekommt das Geld, das Hamburg dafür ausgeben will."

Große Ziele. Ob sie mit einem Abgeordneten zu verwirklichen sind? Langbehn, schon ganz gewiefter Politiker, hat sich gleich um Verstärkung gekümmert. In der Lübecker Bürgerschaft wird es, so schwört er, zur bundesweit ersten Koalition zwischen der Linken und der PARTEI kommen. "90 Prozent unserer Inhalte sind deckungsgleich", sagt er. "Zusammen erreichen wir Fraktionsstärke."

Dass er sich einmal mit strategischen Überlegungen derartig staatstragender Güte beschäftigen würde, war lange nicht abzusehen. Langbehn hat vieles gemacht - Politik gehörte nicht dazu. Der Lübecker ist in Timmendorf zur Schule gegangen und hat bei Edeka in Travemünde Einzelhandelskaufmann gelernt. Später hat er in Lübeck einen Plattenladen gehabt. Er ist nebenbei DJ, hauptsächlich legt er Rap auf. Derzeit arbeitet er im Timmendorfer Betrieb seiner Mutter, einer Villa voller Ferienwohnungen mit Strandblick.

Sein Freund Ali Alam, Rapper und Mitglied der angeblich nicht gänzlich unbekannten "Travemünder Assis Crew", trieb sich derweil in Berlin herum, lernte dort Martin Sonneborn kennen und informierte Langbehn eines Nachts um drei Uhr per Telefon, dass nunmehr ein Lübecker Kreisverband gegründet werden müsse. "Um drei Uhr", stöhnt Langbehn noch heute. Um die Gründung im November 2011 kam er dennoch nicht herum, und er wurde auch gleich Kreisvorsitzender. "Einmal nicht aufgepasst", sagt Langbehn und grinst. Er passte auch ein zweites und ein drittes Mal nicht auf - und wurde erst Landesvorsitzender der PARTEI in Schleswig-Holstein und dann Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl in Lübeck. 70 Mitglieder hat der Sonnebornsche Scherzartikel mittlerweile in der Hansestadt, die Kandidatenliste mit 25 Namen war nahezu problemlos aufzustellen. "Abgesehen davon, dass etwa 20 Leute nur auf Platz 25 kandidieren wollten", sagt Langbehn.

Dann kam der Wahlabend. 831 Lübecker wählten PARTEI, und die sprach sogleich von "erdrutschartigen Stimmengewinnen". Umgehend ging Langbehn daran, sein Wahlversprechen einzulösen: Freibier und ein Autokorso. "Nach dem Freibier stellten wir dann allerdings fest, dass ein Autokorso jetzt nicht mehr so gut wäre. Das hatten wir irgendwie nicht bedacht."

Der Rausch ist verflogen. Langbehn denkt. Er plant seine Antrittsrede. Im historischen Bürgerschaftssaal der Hansestadt Lübeck will er die historische Bedeutung seines Wahltriumphs herausstreichen. "Völker in Berlin, Völker in Hamburg, schaut auf Lübeck", deklamiert Langbehn, breitet die Arme aus und - stockt. So in etwa. Für den Rest der Rede bleibt noch ein bisschen Zeit.

Am 20. Juni muss sie gehalten werden. Martin Sonneborn wird nicht dabei sein können, sagt Langbehn. Sein Parteichef sei im Auftrag der "heute-show" anderswo unterwegs. Lübeck ist wohl nicht komisch genug.