Die Husum Wind Energy wird heute eröffnet und gilt als größter Branchentreff. Konfrontationskurs mit Hamburg verunsichert die Aussteller.

Husum. Es geht erstaunlich gelassen zu auf dem weitläufigen Gelände der Messe Husum, einen Tag vor der Eröffnung der diesjährigen Husum Wind Energy. In den Leichtbauhallen rund um das Hauptgebäude verrichten Hunderte Messebauer letzte Arbeiten an den Ständen der Aussteller. Sie bohren, sägen, hämmern und schrauben an Kunststoffkulissen, an Holzrahmen und Metallstreben, sie verlegen Teppiche und polieren Glasscheiben. Zwischen den Hallen fahren Gabelstapler, Lieferwagen, Lastwagen und ziehen Staubfahnen über die Straßen. Ein massiges Maschinenhaus einer Windturbine steht vor dem Verwaltungsgebäude.

Seit einer Woche läuft der Aufbau auf Hochtouren, aber anscheinend ohne ungewöhnliche Hektik. Dabei soll es die bisher größte Windkraft-Messe werden. 1116 Unternehmen präsentieren bis zum Sonnabend auf 58.000 Quadratmetern Fläche ihre Produkte und Dienstleistungen rund um die Erzeugung von Strom aus Windkraft.

Am Himmel über Husum strahlt die Sonne. Alles könnte perfekt sein zum Auftakt der diesjährigen Husumer Windmesse, die Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) heute eröffnen wollen. Es ist aber nicht perfekt. Die Ausstellung wird überschattet von einem verbissenen Streit zwischen Husum und Hamburg darüber, in welcher der beiden norddeutschen Städte künftig die internationale Leitmesse der Windkraftindustrie stattfinden soll.

Am Wochenende erreichte der Konflikt einen neuen Höhepunkt. Unmittelbar vor Beginn der Industrieschau scheiterte das Vermittlungsverfahren zwischen den Messegesellschaften beider Städte, das der Präsident des Unternehmensverbandes UVNord, Uli Wachholtz, geleitet hatte. Nun wollen Hamburg und Husum jeweils im Alleingang so viele Unternehmen wie möglich als Aussteller für die nächste Windmesse im Jahr 2014 gewinnen.

"Wir hätten vor der Messe eine Einigung gebraucht, um Sicherheit für die Aussteller zu gewinnen", sagt Peter Becker, seit 2010 Geschäftsführer der Husumer Messegesellschaft. "So hätte es zwei Gewinner geben können. Jetzt ist die Gefahr größer denn je, dass es zwei Verlierer gibt." Becker, 44, sitzt in seinem Büro in der Messeverwaltung, er wirkt angespannt. In den vergangenen Monaten gab es viele Überlegungen und Vorschläge, wie die beiden Standorte sinnvoll kooperieren könnten - oder ob schlicht und einfach die Aussteller über den nächsten Austragungsort entscheiden sollten. Jetzt schalten beide Messegesellschaften auf Konfrontation. "In dieser Woche werden wir intensiv daran arbeiten, dass auch die Husum Wind Energy 2014 ein voller Erfolg wird. Wir feiern dann unser 25. Jubiläum", sagt Becker, "und wir haben schon jetzt mehr als die Hälfte der Ausstellungsfläche fest vergeben."

Im Jahr 1989 war in Husum mit 90 Ausstellern in einer Viehauktionshalle die erste Windkraft-Messe veranstaltet worden. Seither hat sich die Branche zu einem Multimilliarden-Euro- und Dollar-Geschäft entwickelt. Längst mischen Weltkonzerne wie Siemens und General Electric im Markt für Windturbinen vorne mit. Aber auch Pioniere wie Enercon aus Aurich in Ostfriesland, mit großem Abstand Marktführer in Deutschland, behaupten sich nach wie vor höchst erfolgreich. Neue Anbieter für Windkraftwerke kamen in den vergangenen Jahren vor allem aus China und Südkorea, etwa der chinesische Hersteller Goldwind oder der südkoreanische Mischkonzern Samsung.

Die mittlerweile beachtlichen Dimensionen der Windkraftbranche wecken Begehrlichkeiten. Die Hamburger Messegesellschaft sieht die Hansestadt als idealen Standort, weil Hamburg mit seinem Messegelände in der Innenstadt die bessere Infrastruktur biete. Obendrein argumentiert Messechef Bernd Aufderheide, dass sich Hamburg dank konzentrierter Ansiedlungspolitik zu einer Art europäischer Windkraft-Metropole entwickelt habe. Die meisten international bedeutenden Windturbinen-Hersteller unterhalten in der Stadt Repräsentanzen oder Forschungszentren. Siemens verlegte die Zentrale seines globalen Geschäftes mit Windturbinen aus Dänemark nach Hamburg. Auch Repower Systems und Nordex haben an der Elbe ihren Hauptsitz.

Husum wiederum verweist darauf, dass die nordfriesische Kleinstadt seit nunmehr fast einem Vierteljahrhundert quasi die Mutter aller Windkraftmessen beherberge, dass kaum irgendwo auf der Welt eine solche Dichte von Windturbinen aller Typen im Echtbetrieb stehe wie in dieser Region, dass die Messe bei aller Größe und Professionalität der Unternehmen nach wie vor einen familiären Charakter bewahrt habe. "Wir sind hier, wo der Wind weht", sagt Messechef Becker. "Die Verbindung der Menschen in Schleswig-Holstein zur Windkraft, gerade in dieser Gegend, ist extrem eng. Hier wird das Thema wirklich gelebt."

Der Streit zwischen den beiden Messestädten spaltet die Branche, verunsichert Aussteller und droht letztlich allen Beteiligten zu schaden. Die Hamburger Messe wird vom Maschinenbauverband VDMA unterstützt und von namhaften Herstellern wie Siemens. Zu den Verbündeten der Husumer zählt der einflussreiche Bundesverband Windenergie (BWE) ebenso wie Enercon und der weltgrößte Hersteller von Windturbinen, das dänische Unternehmen Vestas. "Wenn es künftig in Norddeutschland parallel zwei Windkraftmessen geben sollte, würden wir mit einem eigenen Messestand wohl zu keiner von beiden gehen", sagt Jan-Philipp Gillmann, der Leiter des Geschäftsbereichs für erneuerbare Energien bei der Commerzbank in Hamburg. "Ich persönlich fände es schade, wenn Husum bei der Windmesse unter die Räder käme. Aber es muss letztlich einen Messestandort geben, an dem sich die gesamte Branche treffen kann." Lars Quandel, der die erneuerbaren Energien bei der HSH Nordbank betreut, sieht das anders: "Wenn es 2014 zwei Messen parallel gäbe, würden wir zu beiden gehen."

Der Streit um den Austragungsort beschäftigt eine Branche, die mit wirtschaftlichen und politischen Querelen ohnehin schon genug zu tun hat. Das stürmische Wachstum der vergangenen Jahre in vielen Regionen der Welt wurde durch die internationale Finanzmarkt- und Schuldenkrise erheblich gedämpft. Strengere Regeln für die Geschäftsbanken mit Blick auf deren Eigenkapital erschweren die Finanzierung großer Windparkprojekte. Die ambitionierten Pläne der Bundesregierung für den Aufbau von Offshore-Windparks in der Nordsee werden nur im Schneckentempo realisiert.

Doch zweifellos hat es die Windkraft im vergangenen Vierteljahrhundert weit gebracht. In Husum wird deutlich, dass die noch junge Industrie mittlerweile im Zentrum der Wirtschaft angekommen ist. Von Elektronikspezialisten bis zu Anbietern hochkomplexer Montageschiffe, von Banken bis zu Wetterdiensten reicht das Spektrum der Messestände. Und natürlich werden Windturbinen präsentiert, Rotorblätter, Stahlfundamente für den Einsatz auf See und etliches mehr. "Norddeutschland ist das Schaufenster der Windkraft in Deutschland", sagt Messechef Becker beim Rundgang durch die Hallen. "Aber die Wirtschaft, die Unternehmen, die Bürger profitieren vom Aufschwung dieser Industrie schon längst im ganzen Land."