Wedel

Die Fischerhuder Maler und ihr künstlerisches Vermächtnis

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Anne Dewitz
Nanette Vibach aus Wedel verwaltet Nachlass von Hellmut Müller-Celle und seinem Lebensgefährten Helmuth Westhoff aus Fischerhude.

Nanette Vibach aus Wedel verwaltet Nachlass von Hellmut Müller-Celle und seinem Lebensgefährten Helmuth Westhoff aus Fischerhude.

Foto: Anne Dewitz

Nanette Vibach aus Wedel verwaltet den Nachlass von Hellmut Müller-Celle und Helmuth Westhoff. Was diesen so besonders macht.

Wedel.  Nanette Vibach sitzt vor Aquarellen, Zeichnungen, Ölgemälden. Auf dem Tisch liegen große Zeichenmappen. Insgesamt 70 Stück hat sie davon, dazu fünf Kartons voller Briefe. „Sie stammen aus dem Nachlass meines Großonkels Hellmut Müller-Celle und seines Lebensgefährten Helmuth Westhoff“, sagt die Wedelerin. Beide Maler lebten in Fischerhude. Vibach hat die etwa 600 Werke geerbt. Einige Bilder stehen zum Verkauf, andere sollen ausgestellt werden. „Ich fühle mich verpflichtet, ihre Werke der Öffentlichkeit zu zeigen und dafür zu sorgen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten“, sagt die pensionierte Geschichtslehrerin, die bis vor kurzem noch am Johann-Rist-Gymnasium in Wedel unterrichtete. Dafür sucht sie noch Ausstellungsräume.

Wedel: Der Kunstschatz zweiter Fischerhuder Maler

Hellmut Müller-Celle wurde 1903 als Sohn des Rechtsanwalts Julius Müller in Verden geboren. Die gutbürgerliche Familie lebte in einer Villa mit Personal. „Er studierte zunächst Kunstgeschichte und Architektur in München, danach bei Mary Wigman in Berlin Ausdruckstanz“, erzählt die Pädagogin. 1926 lernte Hellmut Müller-Celle in Berlin seinen Lebenspartner, den Maler Helmuth Westhoff, kennen und damit auch dessen Schwester, die Bildhauerin und Malerin Clara Westhoff, die mit dem berühmten Dichter Rainer Maria Rilke verheiratet war.

Von 1931 bis 1938 war Hellmut Müller-Celle Solotänzer an deutschen Opernhäusern, unter anderem in Düsseldorf. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft verbrachte er einige Monate in Kanada, wohin sein jüngerer Bruder ausgewandert war und eine Farm betrieb. Dort arbeitete er als technischer Zeichner. „Mein Großonkel sprach drei Fremdsprachen und hat sich sein ganzes Leben lang weitergebildet“, sagt Vibach.

Bei aller Vielseitigkeit seiner Talente blieb die Malerei das Zentrum seiner Arbeit. Er malte in freier Natur, bannte in Kanada, auf Ischia und in Fischerhude Landschaften auf Papier, zeichnete Tierstudien (Hähne mochte er besonders), Bühnenbild-Entwürfe und Blumenpastelle, fertigte Scherenschnitte. Seine zahlreichen Interessen und Begabungen, seine Vielseitigkeit und Neugier spiegeln sich in seinem Werk. „Er war ein hervorragender Zeichner, malte aber auch in verschiedenen anderen Techniken“, sagt Vibach. „Seine Begeisterung für den Tanz und das Theater zeigen sich in seinen Werken ebenso wie seine Studien fremder Kulturen und sein intensives Interesse an der Natur.“

Die Maler lebten im Fischerhude sehr bescheiden, aber idyllisch

1954 zog er nach Fischerhude, wo er gemeinsam mit Helmuth Westhoff ein Atelier hatte und mit dem er bis zu dessen Tod zusammenlebte. Beide wurden zusammen mit Clara Westhoff zu geistigen Mittelpunkten Fischerhudes. Hier trafen sich die Kulturschaffenden. Die Galerie Cohr-Zirus in Worpswede widmete den beiden Malern mehrere Ausstellungen.

„Der Galerist Cohrs rief mich an und erklärte, er übergebe die Galerie an seine Tochter. Ich könne den Nachlass abholen.“ Vibach will ihn nun nach und nach sichten. Sie steht vor der schwierigen Aufgabe, den Nachlass beider Künstler aufzuarbeiten. Doch wie sortieren? Einiges blieb unvollendet, andere Bilder – manche rund 100 Jahre alt – sind beschädigt. Die Mappen sind ungeordnet, enthalten Skizzen, Studien, fertige Zeichnungen.

Eine Heidenarbeit, die Nanette Vibach vor sich hat. „Jetzt im Ruhestand werde ich mehr Zeit dafür haben“, sagt die 63-Jährige. „Sie verkauften auch immer wieder mal etwas, lebten aber sehr bescheiden“, erinnert sich Vibach, die als Kind dort gern Zeit verbrachte. „Wenn wir mit unserer Mutter zu Besuch kamen, mussten wir uns in Westhoffs Gegenwart immer ganz still verhalten.“ Er wirkte auf die Kinder oft grimmig. Der Herzkranke wollte und brauchte seine Ruhe, saß gern im Garten unter einer der knorrigen Kastanien.

Werke von Westhoff finden sich in der Bremer Kunsthalle

Helmuth Westhoffs Hauptaugenmerk galt der Landschafts- und Porträtmalerei. „Sein melancholisches Naturell spiegelt sich in seinen eher düster gehaltenen Landschaftsbildern“, sagt Vibach. Nur wenige seiner Werke hat der stets selbstkritische Maler signiert. „Vieles blieb unvollendet.“ Einige seiner Bilder befinden sich heute in der Bremer Kunsthalle.

Helmuth Westhoff wurde 1891 als Sohn eines Bremer Kaufmanns geboren. Die Kindheit wurde überschattet vom frühen Tod des Vaters. Seine wesentlich ältere Schwester Clara studierte Kunst in München, Helmuth tat es ihr nach und wurde Schüler bei Carl Weidemeyer und Otto Modersohn.

Rainer Maria Rilke schrieb an seinen Schwager Helmuth Westhoff

Er folgte als junger Mann Otto Modersohn, Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede, nach Fischerhude, ging zwischenzeitlich nach Berlin, München und Paris, um sich fortzubilden. Neben seinen großformatigen Porträts und stimmungsvollen Landschaften schuf er zahlreiche Selbstporträts. „Westhoff war ein Charakterkopf, den stets etwas Tragisches umgab“, sagt Vibach. Äußerlich hatte er frappierende Ähnlichkeit mit seiner Schwester Clara. Ihr Mann Rainer Maria Rilke war selten zuhause. „In einem Brief an seinen jungen Schwager geht er auf das Gedicht Pfauenfeder ein“, sagt Nanette Vibach. Helmuth Westhoff war damals zehn Jahre und hatte ihn danach gefragt.

Ihr Großonkel Hellmut Müller-Celle hingegen liebte die Gesellschaft, war ein guter Unterhalter. Beide Männer einte neben der Liebe zur Kunst die zur Natur. Auf dem reetgedeckten Haus am Speckmannweg nisteten Störche und in einem kleinen Vogelhaus direkt an der Wümme lebten Enten. „Eine nannte er Lady Duck“, sagt Vibach. Er zeichnete sie gelegentlich. Liebevoll habe er sich um seinen zwölf Jahre älteren Lebensgefährten gekümmert, als dieser Pflege bedurfte. „Er las dem fast erblindeten Maler vor, munterte ihn immer wieder auf“, sagt Vibach.

Hellmut Müller-Celle starb 1982. Er wurde in Fischerhude im Familiengrab der Familie Rilke begraben, wo zuvor auch schon Helmuth Westhoff seine letzte Ruhe fand.

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