Wedel. Seymen Tokmak ist erst 18 Jahre alt. Im Oktober galt er nach zweijähriger Chemotherapie als geheilt. Doch die Krankheit ist zurück.

Als Seymen Tokmak 18 Jahre alt wird, kehrt das Grauen in sein Leben zurück. Wieder Krebszellen. Wie schon 2019. Damals, nach dem Schulabschluss an der Wedeler Ernst-Barlach-Gemeinsschaftsschule, will er sich gerade auf den Weg ins Erwachsenendasein machen, will sich in der Berufswelt etablieren, doch stattdessen muss er einen lebensbedrohenden Kampf bestreiten. Nun ist die Leukämie (Blutkrebs) zurück – und der junge Mann braucht dringend einen geeigneten Stammzellenspender, um die Krankheit zu besiegen.

Schon beim ersten Mal war die Diagnose ein Schock: „Im Sommer 2019 sind wir nach Istanbul gereist“, erinnert sich seine Mutter Nazan. „Seymen hatte starkes Nasenbluten und kam mit Stöpseln in den Nasenlöchern ins Krankenhaus. Erst haben wir gedacht, dass sie uns veräppeln wollen. Wir haben uns gefragt, warum die Ärzte Nieren- und andere Tests gemacht haben.“ Doch dann kam der Onkologe mit der Schreckensdiagnose: ALL (Akute Lymphatische Leukämie), Blutkrebs.

Leukämie: Seymens Werte waren katastrophal

Alle Werte waren katastrophal. Seymen Tokmak befand sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, sollte sich möglichst nicht mehr bewegen.

„Wir haben eine Auslandskrankenversicherung. Die Ärzte haben gewarnt, er könne auf dem Flug zurück nach Hamburg sterben“, sagt seine Mutter. „Die Chance dafür war hoch. Aber ich habe die sehr schwere Entscheidung getroffen, diesen Flug anzutreten. Hier fühle ich mich wohl, hier kenne ich mich besser aus.“ Mutter Tokmak ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Die Wurzeln der Familie liegen im türkischen Istanbul.

Seymen Tokmak überlebte die Rückreise und kam im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf die Leukämie-Station für Kinder. Dort wurde er sofort weiter behandelt. „Seymen war 20 Tage auf der Intensivstation und hatte eine Überlebenschance von zehn Prozent“, sagt Nazan Tokmak, die bei der Pflege mithalf und nicht von seiner Seite wich.

Krebsfrei: Das Glück hielt nur fünf Monate

Der 1,90 Meter große Junge war bettlägerig, gelähmt und kämpfte sich mit einer zwei Jahre andauernden, intensiven Chemotherapie Stück für Stück und Zentimeter für Zentimeter zurück ins Leben. Vater Hayri, der ebenfalls herzkrank ist, kümmerte sich derweil um Seymens Geschwister Tahila (12) und Berhat (16). Sie selbst war in der schwierigen Zeit nur für Seymen da. Im Oktober 2021 kam dann die zunächst erlösende Nachricht: Seymens Körper weise keinerlei Krebszellen mehr auf.

Das Glück hielt nur fünf Monate, ehe sich wieder die ersten Leukämiezellen im Blut gebildet hatten. Das war im März 2022. „Leider haben sich mittlerweile erneut Krebszellen in meinen Körper gebildet. Um überleben zu können, benötige ich nun eine Stammzellspende. Mein genetischer Zwilling wurde leider bisher noch nicht gefunden. Deshalb brauche ich dringend eure Hilfe!“, schreibt Seymen auf seiner DKMS-Spenderseite.

Zweifellos ist eine Krebserkrankung für den Betroffenen am schlimmsten, es fällt schwer, bei all den grauenvollen Rückschlägen den Lebensmut nicht zu verlieren und weiter optimistisch zu bleiben. Doch: Woher nimmt Mutter Nazan Tokmak selbst diese Kraft? „Ich habe keine Ahnung“, sagt sie. Vor 2019 habe sie noch nie solche Schicksalsschläge erlebt. „Wenn sich ein Kind mal einen Arm oder ein Bein gebrochen hatte, habe ich schon tagelang geweint. Aber das ist ja irgendwann wieder vorbei“, erinnert sie sich. Verglichen mit heute hätte sie sich diese Tränen sparen können. Während sie das sagt, stockt die Stimme.

Mutter Nazan Tokmak trug Schutzkleidung beim Einkauf

Zusätzlich zu all den schlimmen Zeiten gab es die Corona-Pandemie. „Schon bevor die Menschen mit Masken einkaufen waren, war ich bereits mit Schutzmaske, Handschuhen und fast komplett vermummt in den Läden unterwegs“, sagt Nazan Tokmak. Das Immunsystem der Leukämie-Betroffenen ist quasi nicht existent – jedes Virus ist da lebensgefährlich.

Gerade ist Seymen Tokmak zu Hause und hofft, dass der geeignete Spender gefunden wird, um ihm ein gesundes Leben zu ermöglichen. „Mal ist er positiv gestimmt, mal negativ. Es gibt gute Tage, es gibt schlechte Tage. Alles schwankt bei dieser Erkrankung hin und her“, sagt die Mutter, die sich nach den Jahren intensivster Betreuung so fühlt, als ob sie den medizinischen Teilbereich der Onkologie studiert habe.

Wegen der Pandemie gibt es weiterhin keine großen Typisierungsaktionen, zu denen Helfende kommen können. Über die Homepage der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) können jedoch Starterkits für die Registrierung bestellt werden. Um Seymen Tokmak zu helfen – und vielen anderen auch. „Leider gibt es keine andere Option. Wir warten jeden Tag darauf, dass es endlich los geht“, sagt die Mutter.

www.dkms.de/seymen

Was ist Leukämie?

Das Wort Leukämie kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Weißblütigkeit“. Gesunde, weiße Blutkörperchen (Leukozyten) helfen, Infektionen abzuwehren. Die Erkrankten bilden jedoch unkontrolliert vermehrt krankhaft veränderte Vorläuferzellen dieser weißen Blutzellen. Diese verdrängen die gesunden Blutbestandteile immer weiter. Es gibt unterschiedliche Formen wie die Akute lymphatische Leukämie (ALL) oder die Akute Myeloische Leukämie (AML). Hilfe für Betroffene und Angehörige aller Krebs-Erkrankten gibt es unter anderem bei der Krebsgesellschaft Schleswig-Holstein. Am Dienstag, 17. Mai, lädt sie zum Online-Informationsabend ein. Thema: Wie spreche ich mit meinem Kind über Krebs?

www.krebsgesellschaft-sh.de