Pinneberg. Für Robin Kehr stehen die Türen zum Profikicker weit offen, aber mit 21 verletzt sich der Pinneberger schwer am Knie. Was er nun macht.

Schwerste Knieverletzungen, damit das Ende aller Träume vom Profi-Fußball, als doch seine Karriere bei der Spielvereinigung Greuther-Fürth in der 2. Bundesliga gerade so richtig Fahrt aufnahm. Robin Kehr (23) könnte zornig sein und sein Schicksal verfluchen. Der gebürtige Pinneberger entschied sich für die Dankbarkeit.

Profikarriere Sportverletzung: Statt Frust zu schieben geht Kehr in eine Berater-Agentur

Weiterhin Fußball statt Frust. Spieler­berater Patrick Williams ermöglicht ihm eine berufliche Ausbildung und hat ihn in seine Agentur („Wasserman“) aufgenommen. „Ich bin froh, dass ich dem Fußball auch in Zukunft verbunden bleiben darf“, sagt der frühere Nachwuchskicker des VfL und des Kummerfelder SV.

Die jüngere Vergangenheit, die ihn ganze 18 Monate umklammert hat, lässt ihn allmählich los. Aber die Erinnerung an diesen unheilvollen 2. Oktober 2021 verblasst so ganz vermutlich nie. In der U23 (Regionalliga Bayern) sollte Kehr gegen Bayern München II Spielpraxis sammeln. Nach wenigen Minuten und einer unglücklichen Bewegung im Zweikampf wurde er ausgewechselt. „Ich habe direkt gespürt, dass da mehr kaputt gegangen ist. Das linke Bein war komplett abgeknickt“, wird er in einem Leitartikel der „Nürnberger Nachrichten“ zitiert.

Die Verletzung lässt keinen Teil von Robin Kehrs Knie aus – alles kaputt

Die Verletzung sei schlimm gewesen. „Kreuzband, Meniskus, Innenband, Außenband. Eigentlich war alles im Knie beschädigt.“ Der Beginn eines Leidensweges. Denn da war auch noch der Krankenhauskeim, der ihn überfiel. „Sechs Monate bin ich an Krücken gegangen, hatte acht Operationen. Wegen des Keims musste das Knie viermal gespült werden.“ Kehr kämpfte eisern um sein Comeback, doch Anfang 2023 bewahrheitete sich dann die Prognose der Ärzte, dass eine Fortsetzung seiner Laufbahn schwer werden würde.

Aus der Befürchtung, dass es für den ganz großen Sport nicht mehr reicht, wurde Gewissheit. Bis zu seinem Vertragsende bei der Spielvereinigung arbeitete das größte Talent neben Robin Velasco (VfB Lübeck/3. Liga) und Sam Schreck (Arminia Bielefeld/3. Liga, davor Erzgebirge Aue/2. Liga, „Wasserman“-Klient), das in Pinneberg aufwuchs, an seinem Körper. Auf dem Fahrrad tritt er mittlerweile beschwerdefrei in die Pedale. Bei schnellen, ruckartigen Bewegungen aber bereitet das Knie sogleich wieder Probleme. „Wenn alles in die Brüche geht, ist das hart. Seelisch ist aber alles überstanden“, betont er in der Zwischenzeit.

Kehr hat seine Zelte in Fürth abgebrochen und zieht bald mit Freundin nach Tornesch

Seine Wohnung in Fürth hat er aufgelöst. Demnächst zieht er mit Freundin Ricarda sowie den französischen Bulldoggen Destiny und Dory nach Tornesch. Destiny wie „Schicksal“. Das hatte es zunächst gut mit ihm gemeint. Nach sechs Spielzeiten in den Nachwuchsteams des FC St. Pauli holte ihn Borussia Dortmund als 15-Jährigen ins Fußball-Internat, wo er mit dem inzwischen beim AC Mailand gelandeten Christian Pulisic und Alexander Isak (Newcastle United) zusammenlebte.

An der Seite von Immanuel Pherai (jetzt HSV) und Patrick Osterhage (VfL Bochum) wurde er 2019 deutscher A-Jugendmeister. Für die Deutschen Nationalmannschaften U18 und U17 absolvierte der Stürmer insgesamt acht Partien. Einen Vertrag für die erste Liga unterschrieb er in Dortmund schon 2018, um dann ein Jahr später doch zu wechseln, weil er sich von der zweiten Liga mehr Einsatzzeiten versprach.

Bis zur Verletzung läuft alles bestens in Fürth – zwei Tore schießt Kehr in der 2. Liga

Dass sich immer mal wieder das Knie meldete, bereitete ihm zunächst keine großen Sorgen. „Diese Probleme hatte ich als relativ normal empfunden, weil ich so schnell gewachsen war. Ich konnte das immer auskurieren und dann ging es wieder.“ 1,89 Meter betrug seine Körperlänge schließlich, als er am 19. Dezember 2020 auswärts gegen Eintracht Braunschweig das 3:0 köpfte. „Kehr zündet auf dem linken Flügel den Turbo, zieht Douglas davon und schiebt frech ins kurze Eck ein“, schrieb der „Kicker“ nach seinem Torerfolg am 7. Februar 2021 gegen die Würzburger Kickers (4:1).

Die (Fußball-)Welt schien ihm zu Füßen zu liegen, auch wenn in den menschenleeren Stadien – Corona – nur wenige hinschauten. Sein damaliger Trainer Stefan Leitl aber schaute ganz genau hin und schwärmte von diesem jungen, pfeilschnellen Himmelsstürmer – mit gemessenen 35,33 km/h zweitschnellster Spieler der 2. Liga hinter dem Bochumer Gerrit Holtmann. Dann kam, nach acht Zweit­ligaeinsätzen und zwei tollen Toren, dieser verhängnisvolle 2. Oktober.

Zum Abschied tragen seine Teamkameraden in Fürth T-Shirts mit seinem Porträt

Welch bleibenden Eindruck Robin Kehr bei den Franken hinterlässt, zeigte sich am 6. März 2023. Sein Abschied aus traurigem Anlass stand fest, die Fürther Spieler würdigten ihn, indem sie vor und nach dem 1:1 gegen Hannover 96 T-Shirts mit seinem Konterfei und Namenszug trugen. Immer an seiner Seite, in guten wie in schlechten Zeiten: Mutter Mareike, Vater Matthias, Schwester Ann-Sophie (25) und Marlon (15), für Cosmos Wedel in der B-Jugend-Oberliga als Außenstürmer wie sein großer Bruder unterwegs.

Robin Kehr mit seinem früheren Jugendtrainer beim Kummerfelder SV, Nils Hachmann, der nun Oberligist SV Rugenbergen leitet.
Robin Kehr mit seinem früheren Jugendtrainer beim Kummerfelder SV, Nils Hachmann, der nun Oberligist SV Rugenbergen leitet. © Wolfgang Helm | Wolfgang Helm

Mika Mettler, Enzo Simon und Jannik Eggerstedt aus den Reihen des Kummerfelder SV (Landesliga) platzen vor Stolz, aber nicht, weil es ihr enger Freund ins Rampenlicht schaffte, sondern weil ihm der anfängliche Erfolg nie den Kopf verdreht hat.

Aus Bescheidenheit erzählt Kehr nicht immer von seinen Tagen als Profi

„Er hatte Angst, angeberisch zu wirken, und deshalb immer ein bisschen rumgedruckst, wenn er gefragt wurde, was er so macht“, erzählt Mettler, der den kleinen Robin auf dem Bolzplatz in Pinneberg Nord kennenlernte und den leidgeprüften Robin mehrfach in Fürth besuchte.

Zu Kehrs Bodenhaftung zählt auch, dass er sich zu seinen Freunden und Förderern bekennt. Nils Hachmann, Trainer des SV Rugenbergen, stattete er zum Oberliga-Start in Halstenbek einen Besuch ab. Nun drückt er seinem früheren Lehrmeister in Kummerfeld („Mit ihm habe ich mich immer gut verstanden.“) die Daumen, dass er in Bönningstedt bald die Kurve bekommt. Ebenso wünscht er den Kummerfeldern, nicht in den Sog nach unten zu geraten.

Auf beide Teams warten am Wochen­ende richtungsweisende Partien. Robin Kehr ist nicht ständig „live“ dabei, weil er für „Wasserman“ die A- und B-Jugend-Bundesliga besucht. Aber in Gedanken ist er immer im Stadion – so, wie seine Freunde auch stets an ihn gedacht haben.

Oberliga Hamburg, 6. Spieltag
Düneberger SV – SV Rugenbergen.
Sonnabend, 14 Uhr. HA-Tipp: 0:3.
Buchholz 08 – SV Halstenbek-Rellingen.
Sonntag, 14 Uhr. HA-Tipp: 2:1.Union Tornesch – SC Victoria. Sonntag, 15 Uhr. HA-Tipp: 1:3.

Landesliga Hammonia, 6. Spieltag
SC Victoria II – Kummerfelder SV.
Freitag, 20.15 Uhr. HA-Tipp: 2:2.
TBS Pinneberg – HSV III.
Sonntag, 13 Uhr. HA-Tipp: 2:3.
HNT – SSV Rantzau.
Sonntag, 13 Uhr. HA-Tipp: 1:3.