Wilfried Weitz, Chef des Radsportverbandes Schleswig-Holstein, über das Comeback der Sportart

Wedel. Es gibt wohl, so sollte man meinen, Ehrenämter, die mehr Anerkennung und Ansehen einbringen. Aber mitten in der schlimmsten Krise des Radsports hat sich Wilfried Weitz an die Spitze der Rad-Gemeinschaft Wedel und auch des Landesverbandes Schleswig-Holstein wählen lassen. Dabei ist keine andere Sportart in Deutschland durch die Doping-Skandale derart in Verruf geraten und abgestraft worden. Jan Ullrich, Gewinner der Tour de France und Sportler des Jahres von 1997, musste wegen Depressionen in eine Klinik. Die ARD hat Jahre lang die „Tour“, das Allerheiligste im Radsport, boykottiert. Im Sommer aber wird sie wieder live übertragen. Ist das die Wende? Zurück zu der alten Liebe – auch an der Basis in den Vereinen? Das haben wir Wilfried Weitz, 61, gefragt.

Hamburger Abenblatt:

Was erhoffen Sie sich für ihren Verein und ihren Verband, wenn wieder Millionen am Bildschirm die Tour de France verfolgen?

Wilfried Weitz:

Die Tour im Fernsehen, das sind doch fantastische und begeisternde Bilder. Ich bin sicher, so mancher wird dabei Lust bekommen, sich selbst mal wieder aufs Rad zu schwingen. Allerdings, in Ihrer Frage klingt ein Missverständnis mit.

Das wäre?

Weitz:

In der Öffentlichkeit ist der Radsport durch Doping in Misskredit geraten. Keine Frage. Aber das hat nicht verhindert, dass wir in den Vereinen seit Jahren Zulauf haben.

Wie stark ist der?

Weitz:

Die RG Wedel zählt 147 Mitglieder. Das sind 30 Prozent mehr als vor drei Jahren. Den 45 Vereinen unseres Verbandes gehören 2200 Sportler an. Auch das ist ein Zuwachs von mehr als zehn Prozent in den vergangenen Jahren. Welche andere Sportart kann das schon vermelden?

Wer entdeckt denn seine Liebe zum Strampeln in der Natur?

Weitz:

Vor allem Männer ab 35 und bis weit über 60. In dem Alter beginnen beim Fußball oder Laufen die Knie zu schmerzen. Häufig hindert auch das Bäuchlein. Für solche Personen ist Sport auf dem Rad ideal. Fahren kann ohnehin jeder.

Aber das kann ich doch alleine oder mit der Familie. Warum soll ich dafür Mitglied in einem Verein werden?

Weitz:

Sicher, Rad fahren kann jeder. Rennrad fahren ist schon schwieriger. Wenn ich mit dem Rennrad in einer Gruppe unterwegs sein will, brauche ich vernünftiges Training. Der Verein bietet auch das Miteinander, Geselligkeit auf organisierten Touren. Und wenn du dich erst mit dem Radvirus infiziert hast, kommst du nicht mehr davon los.

Aber ungefährlich ist das ja nicht. Allein in Hamburg sind 2014 elf Radfahrer tödlich verunglückt.

Weitz:

Aber kein Sportler auf einem Rennrad. Bei uns lernt man ja, das Rad besser zu beherrschen und Situationen im Straßenverkehr schneller vorauszusehen. Die Vereine machen das Radfahren sicherer.

Gehört zur neuen Leidenschaft der etablierten Herren auch die Faszination der Technik und auch Besitzerstolz? Also: mein Haus, mein Auto, mein Rennrad?

Weitz (lacht):

Ein bisschen schon. Wenn du erst einen Radmarathon über 220 Kilometer mitfährst, muss die Ausstattung schon besser sein. Und so ein Spaß mit Carbon-Rahmen oder ganz aus Titan kann schon 10.000 Euro und mehr kosten. Dazu kommt auch noch die Sammelleidenschaft.

Wir reden über gut situierte Männer mit einer kostspieligen Leidenschaft. Wie verhält es sich denn bei Frauen?

Weitz:

Auch von denen finden immer mehr Spaß an diesem Hobby. Bei der RG Wedel haben wir eine Frauengruppe.

Und wie ist es mit Kindern und Jugendlichen?

Weitz:

Die sind unser größtes Problem. Es ist sehr schwierig geworden, Jungen und Mädchen für unseren Sport zu gewinnen.

Weil dabei Eltern sofort an Doping denken und Nein sagen?

Weitz:

Damit werden wir nur noch selten konfrontiert. Aber wir kommen an die Mädchen und Jungen gar nicht mehr ran.

Woran liegt das?

Weitz:

Früher, bei uns im Rheinland, gab es bei fast jedem Volksfest ein Radrennen für die Jugend. Diese Szene mit kleinen, lokalen Lizenzrennen ist mausetot. Deshalb sage ich im Verein und im Verband: Die Kinder kommen nicht mehr zu uns, also müssen wir zu den Kindern.

Wo treffen Sie die?

Weitz:

In Schulen vor allem, mit denen wir immer häufiger und durchaus erfolgreich Kooperationen anstreben. Dafürstellen wir auch Räder zur Verfügung. Im Verein haben wir gerade das vierte Rennrad für Kinder angeschafft.

Welchen Vorteil bietet denen der Radrennsport?

Weitz:

Sie lernen sicherer zu fahren. Wichtiger aber ist Teamgeist. Bei den ersten Rennen schon lernen die Kinder, dass sie in der Mannschaft fest zusammenhalten müssen. Nur wenn sich einer für den anderen aufopfert, können sie erfolgreich sein. Und das ist eine Stärke, die nimmt jeder mit ins Leben.