Karl Grieshaber fliegt aus München ein, um Spitzenpferde zu behandeln, unter anderem von Janne Meyer, Alexandra Bimschas und Nisse Lüneburg

Pinneberg. Dr. Karl Grieshaber ist klassischer Arzt und in Tübingen zu Hause. Er macht Hausbesuche. Seine Patienten sind dabei auch im Kreis Pinneberg und anderen Regionen Schleswig-Holsteins beheimatet. Grieshaber behandelt Tiere, er spezialisiert sich auf Pferde. An diesem Morgen beginnt die erste Visite schon um 7 Uhr in Appen auf dem Anakenenhof. Alexandra Bimschas, eine der Top-Dressurreiterinnen im Norden, lässt fünf Pferde für die kommende Saison vorbeugend durchchecken. Die enge Zusammenarbeit mit Tierarzt Grieshaber, der in seinem Heimatort Mitinhaber der dortigen Pferdeklinik Ammerhof ist, besteht schon seit mehr als 15 Jahren. Alexandra Bimschas: „Einen anderen Arzt kann ich mir nicht mehr vorstellen.“

Alle zwei Wochen schwebt er mit dem Flieger von München in Hamburg ein, um in den Hamburger Nordwesten zu fahren, dort Sportpferde zu begutachten sowie Vorsorge-Untersuchungen vorzunehmen. Die hiesigen Spitzenpferde erhalten eine regelmäßige Visite, damit vor Beginn einer Saison alles Notwendige in die Wege geleitet werden kann. Diesmal will der Schwabe vierbeinige Cracks auf ein Highlight vorbereiten, nämlich auf das CSI-Fünfsterne-Turnier von Donnerstag, 12. Februar, bis Sonntag, 15. Februar, in den Holstenhallen von Neumünster.

Warum wird ein Tierarzt von Pferdebesitzern eigens aus dem mehr als 700 Kilometer entfernten Tübingen angefordert? Was macht er anders als seine Kollegen? „Ich betrachte Pferde ganzheitlich, schaue mir genau das Körpergebäude und die Ausbildung der Muskulatur an“, sagt der 46-Jährige. „Manchmal sind medizinische Probleme durch die natürliche Körperschiefe mit dem Reiter programmiert.“ Grieshaber hat zusätzlich zu seinem tierärztlichen Studium eine Chiropraktiker-Ausbildung absolviert.

Die Chiropraktik (von altgriechisch „Hand“), ist eine alternativ-medizinische, biomechanische Behandlungsmethode mit dem Ziel, die Beweglichkeit der Gelenke und den Rücken zu optimieren. Der generelle Gesundheitscheck betrifft zum einen Rücken und Halswirbel. Überdies wird ein Blick geworfen auf die Beweglichkeit des Tieres auf festem und weichem Boden in zwei Gangarten, und zwar Schritt und Trab.

Grieshaber beginnt seine Arbeit. Er steigt auf einen großen Styroporblock und tastet von dort aus Wirbel für Wirbel den Rücken seines ersten Patienten, einer Fuchsstute, ab. „Von oben kann ich besser einwirken und Empfindlichkeiten lokalisieren.“ Er kontrolliert das Becken, steigt von seinem Hocker und prüft die Beweglichkeit der Gelenke. Bei der Behandlung steht Alexandra Bimschas nicht weit daneben. Das ist dem Veterinär grundsätzlich wichtig. So kann er Besitzer oder Bereiter nach Bedarf fragen, was der vierbeinige Patient nicht erzählen kann.

„Wie viele Pferde ich schon behandelt habe, kann ich nicht mehr zählen“, sagt Grieshaber. Er schildert ein ungewöhnliches Erlebnis: „Ein Pferd wurde mir vor vier Jahren geschenkt, weil die Besitzer an eine Heilung der häufig auftretenden Lahmheit nicht mehr glaubten“, erklärt der Gast aus dem Süden. „Es wurde später ein Triumph für mich, dass das Pferd eines Tages gut genug für den internationalen Springsport war.“

Die Steigerung: Àlvaro de Miranda, genannt Doda, Ehemann der griechischen Milliardenerbin Athina Onassis, erwarb den Wallach für den internationalen Springsport und verkaufte ihn kürzlich für zwei Millionen Euro nach Venezuela. „Wenn ich gewusst hätte, wie sich mein Zögling entwickelt ...“ Grieshaber schmunzelt dabei. „Das Pferd wird weiter im internationalen Turniersport präsent sein.“

Gute Ergebnisse könnten nur erzielt werden, wenn die Tiere keine Gelenk- oder Muskelblockaden im Rücken oder Halsbereich haben, betont Karl Grieshaber. Die Tiere sollen lange im Sport eingesetzt werden, sie sollen vor allem lange gesund bleiben. „Daher ist meine Methode der ganzheitlichen Behandlung wohl ziemlich gefragt.“

Zu seiner Ausrüstung gehören zwei vollgepackte, kniehohe Arzneitaschen, die gefüllt sind mit Tabletten, flüssiger Medizin, Spritzen, Verbandsmaterial und Kanülen. Zusätzlich hat Grieshaber stets ein Ultraschallgerät und den Hocker für die Chiropraktik im Leihwagen dabei. Sein Computer registriert alle Daten von Sportpferden aus Schleswig-Holstein, das Diktiergerät hilft zusätzlich. „Heute sind 25 Patienten eingeplant. Dank des Diktiergerätes spare ich viel Zeit, ansonsten werde ich vor Mitternacht nicht fertig“, erklärt der Arzt. „Tiere kennen keine Feiertage und Sprechzeiten. In Tübingen sind wir mit fünf Ärzten und Tierarzthelferinnen im Dienst. Rund um die Uhr – sieben Tage die Woche nonstop.“

Im Umgang mit dem Pferd geht es heute um Emotionen und viel Geld

Der Doktor verarztet alle Pferde. Wenn ein Freizeitreiter seinen Rat sucht, wird dessen Lieblingsvierbeiner genauso wie ein Spitzensportler berücksichtigt. Der Basisablauf ist für gesunde Pferde in den ersten 15 Minuten immer der gleiche. Decke abnehmen, kurzes, fast unauffälliges Streichen über den Pferderücken – für Grieshaber eine entscheidende Sekunde: Leichtes Zucken oder Reagieren der Muskulatur ist die Sprache des Patienten. Die Stellung der Ohren spiegelt zusätzlich das Befinden und die Stimmung wider.

Der vierbeinige Sportler bewegt sich in den Gangarten Schritt und Trab auf gerader Strecke. Alles wird in einem engeren Zirkel wiederholt. „Jetzt gehen wir in die Halle, der läuft mir noch nicht locker genug“, sagt der Schwabe zu Trainerin Alexandra Bimschas. In der Halle läuft es auf dem weichem Boden viel besser. Jeder Rückenwirbel wird abgetastet, das Pferd genießt es wie eine Massage und schnaubt zufrieden. Der ganzheitliche Check kostet je nach Aufwand 200 bis 250 Euro pro Patient.

Wenn Karl Grieshaber größere gesundheitliche Probleme attestiert, dann werden Pferde, auch aus dem Ausland, in seine komplett ausgestattete Spezialklinik in Tübingen gebracht. Für Notfälle im Kreis Pinneberg gibt es verschiedene Lösungsansätze. „Ich kooperiere hier mit mehreren Kliniken. Wenn ein Notfall eintreten sollte, handeln die Besitzer oder Berufsbereiter sofort“, sagt Grieshaber. Der Tierarzt ist Spezialist für Lahmheit, chiropraktische Betreuung ist ebenso wichtig. Im Pferdesport geht es um emotionale Bindung zum Tier und auch um viel Geld. Wenn ein Spitzenpferd im Springparcours vor den Hindernissen abbremst oder ein Dressurpferd im Viereck schwerfällig wirkt, statt kraftvoll und ausdrucksstark über den Platz zu schweben, kommt bei Besitzern und Aktiven Enttäuschung und Verdruss auf.

Auch ein iranischer Milliardär setzt auf die Kompetenz Grieshabers. Er lässt den Spezialisten einfliegen, der die mehr als 400 Pferde auf seinem Gestüt behandeln und in Bestform halten soll. Grieshaber selbst weilt am Wochenende auf einem internationalen Ärztekongress in Amsterdam und betreut Top-Pferde. Der Mann ist eben gefragt.