Kletterer aus Wedel ist 16 Jahre alt und meistert bereits schwierige Aufstiege. Das Talent liegt bei ihm in der Familie

Wedel. Der Junge ist sportlich, drahtig, ehrgeizig. Er ist jetzt, mit 16 Jahren, gut 1,70 Meter groß, wiegt 55 Kilogramm. Ein für Wettkämpfe ideales Gewicht. Er hat sich in der Leichtathletik probiert, im Judo, im Schwimmen – doch der Reiz war für ihn nirgendwo groß genug. Jetzt weiß er, wo er hin will: ganz hoch hinaus. Jonas Schubert, so heißt der junge Wedeler, ist vom Klettern fasziniert.

Im Tannheimer Tal in Österreich, gelegen im Bundesland Tirol, bewältigte Jonas eine 250 Meter hohe Felswand. „Da merkst Du, wie klein wir Menschen sind“, erzählt der Schüler. Bis Jonas Schubert dort hinkam, in die Allgäuer Alpen, hatte er als Sportler bereits einen langen Weg zurückgelegt. „Vor vier Jahren ermunterte mich mein Vater, zu klettern. Das war in den Herbstferien, in einer Halle in Stuttgart.“ Jonas war schnell begeistert von dem Sport. Das liegt bei ihm in der Familie. Vater Martin Staudter ist selbst begeisterter Kletterer, er begleitet Jonas oft bei seinen Touren. Mutter Corinna Schubert klettert ebenfalls. Sie übte den Sport sogar noch aus, als sie bereits mit Jonas schwanger war. Die Mutter erinnert sich: „Als ich im fünften Monat schwanger war, hat mir Jonas’ Vater aus Sicherheitsgründen das Klettern untersagt. Ich ging shoppen, während der Vater kletterte.“

Mitverantwortlich für Jonas’ Leidenschaft für den Sport ist auch ein Mann namens Jerry Moffatt. Genauer, dessen Autobiographie. Die verschlang Jonas kurze Zeit nachdem er in der Stuttgarter Halle zum ersten Mal geklettert war. Moffatt, ein Brite, galt in den 80er-Jahren als einer der weltbesten Kletterer. Jonas Schubert: „Jerry Moffatt hat mich total begeistert. Mich fasziniert, wie er gelebt hat, wie er immer neue Herausforderungen gesucht hat, wie er sich in ausweglosen Situationen im Fels mit Ratten um das karge Essen schlagen musste.“

Jonas schloss sich der Kletter-Kindergruppe des Wedeler TSV an, die jeden Dienstag im zehn Meter hohen Klettereck in der Sporthalle an der Schulauer Straße übt.

Schnell erkannte Laurens Pestel, der eigentlich die erwachsenen Kletterer trainiert, das Talent des Jungen. Wenn die Schule es zulässt, ist Jonas nun drei Mal pro Woche in der Wand. Laurens Pestel zeigt ihm Techniken, die man in der Halle nicht unbedingt benötigt, die aber am Berg wichtig sind. Jonas lernt, wie man Kraft spart, neue Energie aufbaut und wie man seine Beine einsetzt.

Der Trainer, 33 Jahre alt und selbst leidenschaftlicher Kletterer, ist oft in Deutschland unterwegs. Er erlebt die Berge dort, wo andere sehnsüchtig hinaufschauen. Den schönsten Blick genoss Laurens Pestel aber in den USA, in den Bergen oberhalb des Hudson River. Er konnte den berühmten Strom, der bei New York in den Atlantik mündet, in 300 Metern Tiefe erblicken.

Seine Liebe zum Klettern entdeckte Laurens Pestel ausgerechnet in Kiel. Pestel: „Ich hatte mich im Lehramtsstudium für diese Sportart gemeldet.“ Als er später seine Lehrerstelle in Hamburg aufnahm und nach Wedel zog, schloss er sich sofort dem TSV an und trainierte regelmäßig.

Heute ist Laurens Pestel Leiter der Wedeler Gruppe. Im Wedeler Klettereck trainiert er zurzeit 15 Erwachsene. Jeder neugierige Neuling ist willkommen. Trainiert wird Montag und Donnerstag, jeweils abends. Sicherheit wird bei allen Übungen groß geschrieben. „Vertrauen in den anderen“, so erzählt Jonas Schubert, ist eine wichtige Voraussetzung. Denn wer an einem Seil hängt, muss sich darauf verlassen, dass der Partner festhält. So geht es Stück für Stück hinauf.

Jonas Schubert, der in drei Jahren sein Abitur machen will, hat das verinnerlicht. Jetzt, mit einem weiteren ehrgeizigen jungen Kollegen in der Gruppe, will er seine Technik noch verbessern: „Ich klettere weiter, keine Frage.“